Überfüllte Krankenhäuser, entkräftete Patienten, Leichensäcke. Millionenfach sind die Videos von zwei chinesischen Bürgerjournalisten schon angeschaut worden. Sie zeigen, wie dramatisch die Situation in Wuhan nach dem Ausbruch des Coronavirus ist. Doch seit einer Woche sind die beiden Männer verschwunden – Freunde befürchten das Schlimmste.
Die Videos des chinesischen Bloggers Fang Bin sind um die Welt gegangen. "Es ist vorbei. Er kann nicht atmen", sagt die Frau verzweifelt. Ihr Vater liegt in einem Krankenbett im Hospital Nummer 5 der Millionenmetropole Wuhan. "Es gibt keine Lebenszeichen mehr."
Fang Bin hat die Szene auf Video festgehalten. Vor dem Krankenhaus filmte er in einem Kleinbus acht gelbe und orange Säcke mit Leichen. Die Aufnahmen stellte er ins Internet – zum Missfallen der Staatsmacht.
Wie die Organisation Human Rights Watch (HRW) unter Verweis auf Familie und Freunde berichtete, holten Polizisten nicht nur ihn, sondern auch den Anwalt Chen Qiushi "unter dem Vorwand der Quarantäne" ab. Beide Männer sind nun schon seit mehr als einer Woche verschwunden.
Wahrheit in überfüllte Krankenhäusern ungern gesehen
Die Wahrheit in den überfüllten Krankenhäusern der schwer von der Lungenkrankheit betroffenen Provinzhauptstadt von Hubei hatte den ehemaligen Verkäufer Fang Bin in Schwierigkeiten gebracht. Denn seine Aufnahmen widersprechen den Darstellungen in den staatlichen Medien, die insbesondere über die Bemühungen der Regierung bei der Bekämpfung der Epidemie berichten.
Ebenso ist es bei Chen Qiushis Filmen. Er hatte wie Fang Bin in den überforderten Krankenhäusern Wuhans gefilmt. Der Anwalt kommentierte in einem Online-Video: "Es gibt nicht genug Gesichtsmasken, nicht genug Schutzanzüge, nicht genug Material und was noch wichtiger ist, nicht genug Tests."
"Wer in normaler Quarantäne steckt, kann telefonieren"
Doch nachdem die Polizei die Whistleblower festsetzte, fehlen von Chen Qiushi seit dem 6. Februar, von Fang Bin seit dem 9. Februar jegliche Lebenszeichen.
Keiner von beiden habe Symptome einer Infektion gehabt. "Wer in normaler Quarantäne steckt, kann telefonieren", sagte die in New York ansässige HRW-Forscherin Wang Yaqiu. "Beide haben die Zustände in Wuhan untersucht und unverblümt darüber gesprochen."
Menschenrechtsaktivisten und Freunde fürchten nun das Schlimmste, sie wissen nicht, wo sich die beiden Bürgerjournalisten aufhalten. Laut der englischsprachigen Hongkonger Tageszeitung "South China Morning Post" soll Chen Qiushi "gewaltsam unter Quarantäne" gestellt worden sein, Fang Bin wurde nach Angaben des Hongkonger TV-Senders RTHK wenige Tage später von Zivilpolizisten abgeführt.
Peking greift hart gegen Kritiker durch
Das ist mittlerweile über eine Woche her, die chinesischen Behörden haben sich noch immer nicht zum Verbleib der beiden Männer geäußert. Wie die BBC berichtet, gab es bisher keine offizielle Erklärung, in der dargelegt wird, wo sich Fang Bin und Chen Qiushi befinden oder wann sie wieder auftauchen, falls sie tatsächlich unter Quarantäne gestellt wurden.
"Die chinesischen Behörden sollten ihre Familien informieren und ihnen Zugang zu einem Anwalt ihrer Wahl gewähren. Andernfalls ist es eine berechtigte Sorge, dass sie der Gefahr von Folter oder anderen Misshandlungen ausgesetzt sind", sagte Patrick Poon, China-Experte der Menschenrechtsorganisation Amnesty International Poon, der BBC. Peking ist dafür bekannt, hart gegen Kritiker durchzugreifen.
Insgesamt seien laut der Interessengruppe Chinese Human Rights Defenders bereits mehr als 350 Menschen in ganz China bestraft worden, weil sie "Gerüchte" über den Ausbruch des Virus verbreiteten.
In einem seiner Videos aus Wuhan erklärte der freimütige Anwalt Chen Qiushi: "Ich habe nicht einmal Angst vor dem Tod". Und weiter: "Denkt ihr, ich habe Angst vor der Kommunistischen Partei?" (dpa/mf)
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