Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, wurde ganz Italien zur Sperrzone erklärt. Könnte diese drastische Maßnahme auch in Deutschland umgesetzt werden? Ein Jurist klärt auf.

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Im Kampf gegen das Coronavirus werden die Schutzmaßnahmen in Italien immer drastischer. Nachdem zunächst im Norden einzelne Städte abgeriegelt worden waren, erklärte Ministerpräsident Giuseppe Conte am Montag das gesamte Land zur Sperrzone. Für Bewohner und Besucher des am stärksten von SARS-CoV-2 betroffenen EU-Landes bedeutet das eine eingeschränkte Versammlungs- und Reisefreiheit.

Coronavirus legt öffentliches Leben in Italien lahm

Wer nicht zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Arzt muss, soll zu Hause bleiben. So sollen die rasant steigenden Neuinfizierungen eingedämmt und wohl auch eine Flucht in den weniger betroffenen Süden des Landes verhindert werden.

Der öffentliche Nahverkehr aber auch die Flughäfen bleiben weiter in Betrieb, um einen Wirtschaftskollaps zu verhindern. Polizisten sind berechtigt, Reisende und Passanten stichprobenartig anzuhalten, um die Motive für die zurückgelegten Wege zu kontrollieren. Falschangaben können wie Urkundenfälschung geahndet werden.

Öffentliche Einrichtungen wie Kitas, Schulen und Universitäten bleiben geschlossen, ebenso verboten sind Besuche von Großveranstaltungen oder öffentliche Versammlungen. Restaurants und Bars müssen den Betrieb ab 18.00 Uhr einstellen. Neuinfizierungen mit dem Coronavirus (hier alle Infos im News-Blog) werden täglich registriert. Die Zahl der Todesfälle ist auf 631 (Stand 11. März 2020) gestiegen.

Deutschland und die Ausbreitung des Coronavirus

Auch in Deutschland sind die Auswirkungen der Corona-Epidemie bereits spürbar, wenn auch längst nicht so dramatisch wie in Italien. Desinfektionsmittel sind deutschlandweit Mangelware, in einigen Supermärkten sind Hygieneartikel wie Toilettenpapier oder Seife ausverkauft. Das öffentliche Leben ist abgesehen von ersten Restriktionen wie abgesagten Großveranstaltungen kaum eingeschränkt.

Am 11. März 2020 meldete die John Hopkins University 1565 bestätigte Corona-Infektionen in Deutschland, drei Menschen starben bereits an den Folgen der Viruserkrankung. Um diese Verbreitung zu verlangsamen, haben das Bundesinnenministerium und das Bundesgesundheitsministerium folgende Maßnahmen getroffen:

  • es wird empfohlen, Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern abzusagen
  • kleinere Events einer Risikoabschätzung nach den Kriterien des Robert-Koch-Instituts unterziehen
  • Genehmigungsvorbehalt für den Export medizinischer Schutzausrüstung

Optionen zur Eindämmung des Coronavirus

Um die Verbreitung zu verlangsamen, hat das Robert-Koch-Institut für Gebiete, in denen besonders viele Infektionen festgestellt werden, verschiedene Optionen zur Kontaktreduzierung aufgelistet. Dazu zählen:

  • präventive Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen und öffentlichen Einrichtungen wie Theatern, Schwimmbädern oder Sporthallen
  • Förderung von Heimarbeit
  • Einrichtung von spezifischen Behandlungszentren für Infizierte
  • Aufnahmestopp in Massenunterkünften
  • nicht zwingende Verlegungen von Häftlingen verschieben

Doch wie sieht es aus, wenn die Corona-Epidemie sich weiter rasant ausbreitet? Könnte dann auch Deutschland wie Italien zur Schutzzone werden?

Coronavirus-Sperrzone in Deutschland möglich?

Der Föderalismus in Deutschland regelt die Aufteilung der politischen Macht zwischen Bund und Bundesländern. Wichtige politische Entscheidungen – etwa Maßnahmen zur Eindämmung der Viruserkrankung – werden gemeinsam abgestimmt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betonte bei einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit den Gesundheitsministern der Länder, bei dem auch der neue Pandemieplan des Robert-Koch-Instituts Thema war: "Der neue Plan ist eine Empfehlung – keine Vorschrift. Die lokalen Behörden können die Situation vor Ort am besten einschätzen und entscheiden."

In Italien hat der Föderalisierungsprozess der letzten Jahre zwar wichtige Grundlagen geschaffen, abgeschlossen ist dieser jedoch nicht. Lediglich fünf autonome Regionen mit eigener Landesverfassung gibt es, die über große Autonomie verfügen. In Deutschland hingegen müssen sich 16 Bundesländer mit dem Bund abstimmen. Könnte der föderale Bundesstaat Deutschland also überhaupt zu einer Gesamt-Sperrzone werden?

Francesco Senatore ist Rechtsanwalt und als Leiter des deutsch-italienischen Dezernats der Kanzlei Rose & Partner international tätig. Er weiß: "Eine solche Maßnahme wäre in jedem Staat denkbar. Die jeweilige Regierung dürfte, wie in Italien, Sonderregelungen wegen des Notstandes erlassen."

"Eine Regierung muss die Verantwortung übernehmen, Entscheidungen zu treffen"

Weiter verrät er: "Auch in Italien sind Regionen vorhanden, zum Beispiel Trentino-Alto Adige, also die zwei Provinzen von Trient und Bozen. Diese haben sogar Sonderbefugnisse. Wie die Maßnahmen der Regierung in Italien erkennen lassen, muss eine Regierung die Verantwortung übernehmen, Entscheidungen zu treffen. Die Regionen müssen diese Maßnahmen akzeptieren und umsetzen. Eine Zusammenarbeit der Länder mit der Kanzlerin und der Bundesregierung wäre zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland unvermeidbar, wenn ein Notstand in Betracht käme."

Trotz eigener Landesregierung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit müssen die einzelnen Bundesländer dem Bund die Kompetenz-Kompetenz zugestehen, also das Recht, Zuständigkeiten zuzuweisen und diese zu verändern.

Einen Grund, das föderale System in Deutschland in Ausnahmesituationen infrage zu stellen, sieht Senatore also nicht. "Die Regierung kann unterschiedliche Maßnahmen festlegen. In solchen Fällen geht es nicht mehr um eine juristische Sicht, sondern um notwendige Entscheidungen, die getroffen werden müssen."

Söder will kein "Kompetenz-Wirrwarr"

Bayerns Ministerpräsident Söder betonte jüngst, keinen "Kompetenz-Wirrwarr" unter den Ländern oder zwischen Bund und Ländern zu wollen und die Maßnahmenempfehlungen des Bundes eins zu eins umzusetzen.

Sonderregelungen im kleineren Umfang wurden anlässlich der Corona-Krise in Deutschland übrigens bereits getroffen. Um die erhöhte Nachfrage nach Händedesinfektionsmitteln bedienen zu können, erließ die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin eine Ausnahmeregelung zur Herstellung von Biozidprodukten. Apotheker dürfen Händedesinfektionsmittel ohne mengenmäßige Begrenzung für den privaten Gebrauch herstellen und vertreiben.

Für alle, die kein Desinfektionsmittel ergattern können oder sich nicht in eine lange Schlange einreihen möchten, gilt:

  • Hände gründlich für 20 bis 30 Sekunden bis zum Handgelenk waschen
  • nicht ins Gesicht, in Augen, Nase oder Mund fassen
  • Nies-Etikette einhalten: in Ellenbeuge oder Einmaltaschentuch niesen
  • enge Begrüßungsrituale unterbinden
  • Symptome wie Fieber, Husten, Halskratzen, Durchfall und Schnupfen am Telefon mit dem Hausarzt abklären
  • Bei Symptomen nicht in die Hausarztpraxis oder ins Krankenhaus gehen, erst telefonisch das weitere Vorgehen abklären und unnötige Menschenkontakte meiden. Das Haus möglichst nicht verlassen
  • Außerhalb der Sprechzeiten kann die Kassenärztliche Vereinigung unter der Rufnummer 116 117 kontaktiert werden

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Francesco Senatore
  • Robert-Koch-Institut: COVID-19: Optionen für Maßnahmen zur Kontaktreduzierung in Gebieten, in denen vermehrt Fälle bekannt wurden
  • John Hopkins University: Corona Live Map
  • Robert-Koch-Institut: Nationaler Pandemieplan
  • Konrad Adenauer Stiftung: Regionalismus und Föderalismus
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