Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rechnet hierzulande mit einer Ausbreitung des Coronavirus. "Wir befinden uns am Beginn einer Corona-Epidemie in Deutschland", sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in Berlin. Von Dienstag- bis Mittwochabend sind neun Infektionen bekannt geworden.
Spahn sagte, noch sei Deutschland in der Phase, mögliche Infektionen frühzeitig zu erkennen und Kontaktpersonen zu isolieren. Es könne aber die Phase eintreten, in der nicht alle Kontakte ermittelt werden könnten. Der Minister rief die Bevölkerung auf, nicht bei jedem Husten zum Arzt zu gehen. Aber die Bürger sollten ihren Hausarzt anrufen, wenn sie innerhalb von 14 Tagen nach einer Reise in ein Risikogebiet Fieber, Husten oder Atemnot hätten. Bei vorhandener Symptomatik und einem Verdacht solle besser einmal mehr auf das Virus getestet werden als einmal zu wenig.
"Die Infektionsketten sind teilweise - und das ist eine neue Qualität - nicht nachzuvollziehen." Vor diesem Hintergrund sei es fraglich, ob die bisherige Strategie zum Eingrenzen des Virus und zum Beenden der Infektionsketten weiter aufgehe.
In Deutschland waren seit Dienstagabend bis zum Mittwochabend neun Infektionen bekannt geworden. Die Epidemie schlägt zunehmend auch auf die Wirtschaft durch. Sportevents wie das Formel-1-Rennen in Vietnam und die Olympischen Spiele in Tokio sind ungewiss.
Vier Fälle in Nordrhein-Westfalen
Ein Patient in Nordrhein-Westfalen wurde in der Nacht zum Mittwoch in kritischem Zustand auf die Intensivstation der Uniklinik Düsseldorf gebracht. Der 47-Jährige war am Montag mit Symptomen einer schweren Lungenentzündung in einem Krankenhaus in Erkelenz bei Aachen auf der Intensivstation isoliert worden. Nach dpa-Informationen leidet er an einer Vorerkrankung. Die Uniklinik Düsseldorf behandelte auch seine 46-jährige Frau. Am Mittwochabend wurde bekannt, dass eine Mitarbeiterin des Mannes und deren Lebensgefährte ebenfalls infiziert sind.
Das Ehepaar habe in den vergangenen Tagen mit sehr vielen Menschen Kontakt gehabt, sagte NRW-Gesundheitsminister
Unter den Patienten aus Baden-Württemberg war nach Angaben des Gesundheitsministeriums ein 25-Jähriger aus dem Landkreis Göppingen. Er habe sich vermutlich bei einer Reise nach Mailand mit Sars-CoV-2 infiziert und nach seiner Rückkehr grippeähnliche Symptome entwickelt. Er wird in einer Klinik in Göppingen behandelt.
Weitere Infizierte in Baden-Württemberg
Bei den anderen Fällen handelt es sich nach Angaben der Uniklinik Tübingen um seine 24 Jahre alte Reisebegleiterin und deren 60-jährigen Vater. Dieser arbeitet als Oberarzt in der Pathologie der Uniklinik. Beide werden im Krankenhaus isoliert behandelt. "Sie sind in gutem Zustand und fühlen sich wohl", sagte Nisar Malek, Ärztlicher Direktor an der Medizinischen Klinik.
Zudem wurde das Virus bei einem 32-Jährigen im Landkreis Rottweil nachgewiesen, wie das Gesundheitsministerium in Stuttgart mitteilte. Er war kürzlich in Italien gewesen.
Neuer Fall in Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz wurde das Virus Sars-CoV-2, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann, bei einem Soldaten nachgewiesen. Er werde im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz behandelt, teilte die Bundeswehr mit.
Virus erstmals in Norwegen nachgewiesen
Unterdessen wurden Fälle aus anderen europäischen Ländern wie Kroatien, Norwegen, Österreich, der Schweiz, Griechenland und Finnland bekannt. In Italien seien rund 400 Menschen infiziert und davon 12 gestorben, gab der Zivilschutz in Rom bekannt. In Frankreich starb ein 60-jähriger Franzose an Covid-19.
In Spanien, wo es bereits Fälle auf Inseln gegeben hatte, erreichte das Virus das Festland. Am Mittwoch gab es weitere Infektionen in Madrid, Sevilla, Barcelona, Castellón in Ostspanien und auf Teneriffa. Dort wurde ein Hotel mit rund 1000 Touristen - darunter auch Deutsche - praktisch unter Quarantäne gestellt.
In Brasilien wurde am Dienstag in São Paulo der erste Fall in Südamerika registriert, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Das Portal "G1" berichtete, der 61-Jährige sei zuvor nach Norditalien gereist. Nach Ägypten meldete mit Algerien das zweite afrikanische Land einen Coronavirus-Fall. Der italienische Patient sei vorige Woche eingereist, teilte das Gesundheitsministerium mit.
Im Iran stieg die Zahl der Covid-19-Toten auf 19, wie das Gesundheitsministerium bekanntgab. Demnach wurde das Virus bei insgesamt 135 Menschen aus verschiedenen Teilen des Landes bestätigt. In Südkorea kletterte die Zahl der Infektionen um 284 auf rund 1260 - darunter ein Soldat der US-Streitkräfte. Bisher brachten die Behörden zwölf Todesfälle mit dem Virus in Verbindung.
Gesamtzahl der Toten in China steigt auf 2715
In China, dem Ursprungsland des Virus, stieg die Zahl der Todesopfer und Infizierten weiter. Wie die Pekinger Gesundheitskommission mitteilte, stieg die Gesamtzahl der Toten auf 2715. Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen kletterte um 406 auf über 78 000. Sämtliche neuen Todesfälle und fast alle neuen Infektionen wurden aus der Provinz Hubei gemeldet, wo das Virus in der Millionenmetropole Wuhan ausgebrochen war. (ash/dpa)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.