Der Trend hin zu mehr Straftaten, bei denen Gewalt ausgeübt oder angedroht wird, ist in Deutschland ungebrochen. Dass der Anstieg 2024 geringer ausfiel als im Jahr zuvor, ist nur ein schwacher Trost. Die Cannabis-Teillegalisierung hat einen erheblichen Einfluss auf die Kriminalstatistik.

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Die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2024 bietet Anlass zur Sorge. Zwar ging die Zahl der registrierten Straftaten im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2023 um 1,7 Prozent auf rund 5,83 Millionen Fälle zurück. Diese Entwicklung ist jedoch ganz wesentlich auf die Teillegalisierung von Cannabis zum 1. April 2024 zurückzuführen.

Die Gewaltkriminalität nahm hingegen zu um 1,5 Prozent. Mit bundesweit mehr als 217.000 Gewalttaten erreichte sie im vergangenen Jahr den höchsten Stand seit 2007. Immerhin: Ganz so steil wie im Vorjahr, als 8,6 Prozent mehr Gewalttaten registriert worden waren als 2022, zeigte die Kurve 2024 nicht mehr nach oben.

Statistik erfasst jetzt auch Einsatz von Messern

Bei 6,3 Prozent der vollendeten Gewalttaten dazu zählen unter anderem Mord, Totschlag, Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung wurde ein Messer benutzt oder damit gedroht.

Um sechs Prozent zugenommen hat im vergangenen Jahr die Zahl der Fälle, in denen mit Schusswaffen gedroht wurde. In 4.687 Fällen wurde laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) mit einer Schusswaffe geschossen plus 1,9 Prozent.

Anstiege gab es den Angaben zufolge im Bereich Gewaltkriminalität bei Sexualdelikten (plus 9,3 Prozent), Körperverletzungen (plus 2,4 Prozent), aber auch bei Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen (plus 0,9 Prozent). Die Zahl der Raubdelikte hingegen ging im Vergleich zum Vorjahr zurück (minus 3,7 Prozent).

Während die Zahl der zu Gewalttaten ermittelten deutschen Tatverdächtigen im vergangenen Jahr um 0,7 Prozent stieg, registrierten die Polizeibehörden von Bund und Ländern bei den nicht deutschen Tatverdächtigen hier eine Zunahme um 7,5 Prozent.

Allerdings weist das Bundeskriminalamt (BKA) darauf hin, dass auch der Anteil der Ausländer an der Bevölkerung im Verlauf des Jahres zugenommen hat. Studien zeigen zudem, dass Menschen eine Tat eher zur Anzeige bringen, wenn sie vermuten, dass der mutmaßliche Täter ein Ausländer ist.

Keinen allgemeinen Trend kann man laut BKA aus der starken Zunahme von Fällen im Bereich der Wirtschaftskriminalität ablesen. Hier stieg die Zahl der Fälle im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 57 Prozent auf rund 22.400 Fälle an. Grund dafür sei der Abschluss zum Teil mehrjähriger Ermittlungen in Sammelverfahren mit einer Vielzahl von Geschädigten, heißt es in den Erläuterungen zur Statistik.

Cannabis-Teillegalisierung hat Einfluss auf Kriminalstatistik

Der Rückgang der Gesamtzahl der erfassten Straftaten ist darauf zurückzuführen, dass ein früherer Deliktsbereich seit 1. April 2024 weitgehend abgeschafft ist: Konsum und Anbau von Cannabis. Der Rückgang der Fall- und Tatverdächtigenzahlen sei "deutlich" von der Teillegalisierung beeinflusst, heißt es in der Erklärung zur Statistik.

Sowohl die Gesamtzahl der Straftaten als auch die der Drogendelikte sei somit nicht mit dem Vorjahr vergleichbar, heißt es in der Statistik. Unter der Annahme, dass sich die Fallzahlen im Fünf-Jahres-Durchschnitt entwickelt hätten, hätte es demnach keinen leichten Rückgang der Kriminalität, sondern einen leichten Anstieg gegeben, vermuten die Autorinnen und Autoren.

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Bei den Drogendelikten insgesamt wurde ein erheblicher Rückgang verzeichnet: 228.104 Fälle registrierte die Polizei im vergangenen Jahr. Das waren 118.773 oder 34,2 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Auch die Zahl der Tatverdächtigen sank erheblich um 34 Prozent von 266.280 auf 175.669.

Das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis war am 1. April 2024 in Kraft getreten. Besitz und kontrollierter Anbau zum privaten Gebrauch sind seither erlaubt, allerdings mit Einschränkungen. 2023 hatten die Polizeibehörden noch gut 215.000 Cannabis-Delikte erfasst. Diese fielen ab April 2024 nun zu einem erheblichen Teil weg. Die Zahl lag 2024 nur noch bei 101.345 ein Rückgang von mehr als 50 Prozent.

Im Bereich Drogenkriminalität gab es auch bei Heroin mit minus 14,8 Prozent einen erheblichen Rückgang auf 8.634 Fälle. Straftaten im Zusammenhang mit anderen Drogen wie Kokain, LSD oder Metamphetaminen stiegen allerdings im gleichen Zeitraum.

Großes Dunkelfeld im Bereich Cybercrime

Im Feld Cybercrime gingen die Zahlen leicht um 2,2 Prozent auf 131.391 zurück. Das ist das zweite Jahr in Folge, in dem die erfasste Kriminalität hier zurückging. Die Autorinnen und Autoren weisen aber auf ein in diesem Bereich oft großes Dunkelfeld hin: "Da bislang keine aktuellen bundesweiten Ergebnisse zur Veränderung des Dunkelfelds im Bereich Cyberkriminalität vorliegen, bleibt zunächst unklar, ob die Veränderung in den Fallzahlen auf eine tatsächliche Veränderung der Häufigkeit oder auf eine Veränderung im Anzeigeverhalten zurückzuführen sind."

2024 gab insgesamt 1,3 Millionen Opfer von vollendeten oder versuchten Straftaten. Das ist zwar eine Zunahme von 6,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr diese liegt aber auch an einer Ausweitung der Opferdefinition, die der Berechnung zugrunde liegt. "Somit sind die Daten zu den Opfern insgesamt nicht mit denen der Vorjahre vergleichbar", heißt es in der Statistik.

58,5 Prozent der Opfer waren männlich, 41,5 Prozent weiblich. Kinder, Jugendliche und Heranwachsende machten zusammen rund 23 Prozent der Opfer aus. 25,8 Prozent der Opfer waren Ausländerinnen und Ausländer. (dpa/AFP/bearbeitet von tas)

Teaserbild: © dpa / Boris Roessler