Ein Terroranschlag ist das Horrorszenario für Verantwortliche, Teilnehmer und Zuschauer von Großveranstaltungen. Seit Jahren beschäftigen sie sich mit einer Frage: Wie kann Sicherheit überhaupt gewährleistet werden?
Es waren nur Sekundenbruchteile, in denen die Stimmung komplett kippte. Aus jubelnden Zurufen wurden entsetzte Panikschreie, als am 15. April 2013 zwei Bomben im Zieleinlauf des populären Boston-Marathon detonierten. Der erste der Schnellkochtöpfe, die in Rucksäcken versteckt und mit selbst gebasteltem Sprengstoff und Nägeln gefüllt waren, explodierte um 14:49 Uhr, der zweite wenige Minuten später. Der Anschlag forderte die Leben von drei Zuschauern, darunter ein achtjähriger Junge. Hunderte wurden teils schwer verletzt, einige verloren Arme oder Beine.
Es war der schwerste Terroranschlag in den USA seit dem 11. September 2001. Zwei junge Männer, die ursprünglich aus Tschetschenien stammen, hatten die Taschen nach Angaben der Staatsanwaltschaft kurz zuvor in der Menge abgelegt. Bei einer anschließenden Verfolgungsjagd mit der Polizei starb ein Beamter sowie einer der Täter. Von diesem Montag an muss sich nun der zweite mutmaßliche Täter vor dem Schwurgericht in Boston verantworten: Dschochar Zarnajew war bei dem Anschlag 19 Jahre alt, dem jungen Mann tschetschenischer Abstammung droht nun die Todesstrafe.
Verunsicherung bei Verantwortlichen und Teilnehmern
Die potenzielle Gefahr bei Großveranstaltungen ist mit diesem Anschlag erneut schmerzhaft in das Bewusstsein von Verantwortlichen, Teilnehmern und Zuschauern gerückt. Die Verunsicherung stieg. Nur einen Monat nach dem Boston-Attentat geisterten Meldungen durch die deutsche Presse, denen zufolge islamistische Terroristen die Zuschauer-Events während des Champions-League-Finales im Visier hätten. Innenministerium und Polizei versuchten, zu beruhigen: "Wir tun alles in unserer Macht stehende, um die Menschen zu schützen", erklärte beispielsweise Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU).
Wie aber können Polizei und Behörden die Sicherheit im Vorfeld erhöhen? Als unmittelbare Folge des Boston-Attentats verschärfte Berlin die Auflagen für den Berlin-Marathon, der nur wenige Monate später stattfand. Teile der Strecke wurden mit Zäunen komplett abgesperrt; wer passieren wollte, wurde kontrolliert. Die Läufer durften nur offizielle Kleiderbeutel mitführen. Dennoch: Bei den Veranstaltern herrschte Skepsis. "Man muss ganz ehrlich sagen: Wenn es jemand darauf anlegt, ist so eine Veranstaltung nicht hundertprozentig abzusichern", erklärte Renndirektor Mark Milde der "Berliner Morgenpost". "Dieses Damoklesschwert schwebt über jeder Freiluftveranstaltung."
Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit
Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es also nicht. Das bestätigt auch Oliver Platzer, Pressesprecher des Bayerischen Innenministeriums: "Man muss theoretisch immer mit sowas rechnen und kann es im Prinzip nie völlig ausschließen." Besonders wichtig sei daher die Vorarbeit des Verfassungsschutzes und der Geheimdienste, auch Hinweise von ausländischen Behörden werden entgegengenommen. "Wenn es konkrete Hinweise auf Gefahren gibt, dann können wir uns auch entsprechend wappnen", so Platzer.
Als Beispiel: 2009 kursierte im Internet ein Video, das einen möglichen Anschlag auf das Münchner Oktoberfest suggerierte. Die Folge waren ein Überflugverbot sowie bauliche Maßnahmen. "Diese sollen zum Beispiel verhindern, dass ein Auto in den Bereich der Festwiese fahren kann", erklärt der Pressesprecher. Hinzu kommen verdeckte polizeiliche Maßnahmen, über deren Details das Innenministerium aber natürlich nicht sprechen kann.
Zudem sind auf dem Münchner Oktoberfest beispielsweise auch Überwachungskameras im Einsatz. "Die Wiesn-Wache hat einen ganzen Raum voller Monitore, um das Gelände zu überwachen", berichtet Oliver Platzer vom bayerischen Innenministerium. Neben der Präsenz von Polizeibeamten, sowohl uniformiert als auch in Zivil, sorgen zudem private Sicherheitsfirmen für einen geregelten Verlauf. Für den Fall, dass das Gelände geräumt werden muss, arbeiten die Veranstalter gemeinsam mit den Behörden ein umfassendes Sicherheits- und Fluchtwegekonzept aus.
Man muss mit allem rechnen
"Deutschland steht seit längerem im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus", erklärte der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, als es um die Sicherheit des Champions-League-Finales 2013 ging. Im "Leitfaden für Großveranstaltungen" des hessischen Innenministeriums zum Beispiel gibt es daher auch einen eigenen Punkt "Anschlagsszenarien", von Bombendrohungen bis hin zu tatsächlichen Explosionen und Freisetzung von radioaktiven und ABC-Stoffen. Schon mehrere Behörden haben mittlerweile solche Sicherheitshinweise veröffentlicht - man muss mit allen Möglichkeiten rechnen.
"An unseren Sicherheitsvorkehrungen hat sich seit dem Terroranschlag in Boston daher eigentlich nichts geändert ", erklärt das Bayerische Innenministerium. Schon vorher habe man diese Gefahr in Betracht ziehen müssen, spätestens seit den Attentaten vom 11. September oder den Anschlägen in Mumbai 2008 wisse man um die nur schwer vorhersehbare Gefahr dieser Art von Terrorismus. "Daher schließen wir aber auch keine Sicherheitsmaßnahme aus."
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