Das in Thailand verschwundene Jugendfußballteam und sein Trainer wurden lebend gefunden - aber noch nicht befreit. Wie die Rettung abläuft und welche Schwierigkeiten jetzt noch bevorstehen, beschreibt ein deutscher Experte für Rettungen aus Höhlen.
Mit Gefahren beim Betreten von Höhlen kennt Martin Groß sich aus. Der Höhlenretter ist in Baden-Württemberg im Einsatz.
Er verfolgt, wie Rettungskräfte in Thailand versuchen, die eingeschlossene Jugendfußballmanschaft zu befreien, und weiß, mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben.
Welche Möglichkeiten haben die Retter in Thailand, um die Jugendlichen und ihren Trainer aus der Höhle zu holen?
Martin Groß: Es wird immer wieder berichtet, dass der Wasserspiegel mit Pumpen gesenkt werden soll. Das Höhlensystem ist meines Wissens aber so groß, dass es damit nicht getan ist. Der Zufluss ist stärker als alle Pumpen, die man dort reinstellen könnte. Man könnte auch abwarten, bis das Wasser von sich aus weiter zurückgeht.
Eine andere Möglichkeit wäre, die Jugendlichen zu stabilisieren und sie selbst raustauchen zu lassen. Das ist aber recht aufwendig. Die Strecke unter Wasser müsste dafür mit Leinen versehen werden, und die Eingeschlossenen bräuchten Neoprenanzüge. Selbst in einem 20 Grad warmen Wasser würden sie sonst schnell ihre Kräfte verlieren.
Was schätzen Sie, wie lange die Rettungsaktion dauern wird?
Das hängt stark von den klimatischen Bedingungen ab. Ich müsste vor Ort sein, um das beurteilen zu können. Die vier Monate, die gerade durch die Medien geistern, sind aber unrealistisch. Für die Eingeschlossenen wäre das eine psychische Katastrophe. Da müsste auf jeden Fall vorher eingegriffen werden. Im Notfall durch eine Rettungsbohrung, mit der man sich von oben Zugang verschafft.
Hätten Sie vorher damit gerechnet, dass man die Mannschaft nach neun Tagen noch lebend findet?
Als Höhlenretter fiebert man natürlich mit, dass eine Rettung möglichst gut und schnell über die Bühne geht. Die Chancen standen gut. In thailändischen Höhlen haben Sie eine recht angenehme Temperatur. In Deutschland ist die größte Gefahr, dass Eingeschlossene schnell auskühlen. Wenn jemand sich nicht mehr bewegen kann, reichen unter Umständen schon wenige Minuten, um in eine lebensgefährliche Situation zu kommen. Der Kreislauf bricht zusammen und man schläft langsam ein.
In Thailand war das größte Problem eher das fehlende Licht. Stellen Sie sich ein zusammengewürfeltes Team vor, das im Dunkeln ausharrt und nicht weiß, ob es gerettet wird oder nicht. Das geht extrem auf die Psyche und macht einen fertig.
Wie sollte die Mannschaft in der Höhle weiter versorgt werden?
Am wichtigsten ist die psychische Stabilität. Jemand sollte bei ihnen bleiben, mit ihnen reden und von der Situation ablenken. Außerdem brauchen sie gutes Essen, das Kraft gibt, und sauberes Trinkwasser. Verletzungen sollten möglichst vor Ort versorgt werden, damit sie sich nicht entzünden.
Wie groß ist die Gefahr, dass so etwas auch in Deutschland passiert?
In Baden-Württemberg hatten wir das schon mehrfach. 2003 waren vier Studenten nach einem Gewitter in der Falkensteiner Höhle auf der Schwäbischen Alb eingeschlossen. Eine Stelle hatte sich mit Wasser gefüllt, die Männer mussten ähnlich wie in Thailand weiter in die Höhle zurückweichen. Nachdem wir sie gefunden und stabilisiert hatten, zeigten wir ihnen in einem kleinen Becken, wie man taucht.
Am zweiten Tag holten wir sie dann mit Hilfe einer unter Wasser verlegten Führungsleine raus. Als Wanderer sollte man auf gar keinen Fall in Versuchung geraten, ohne Ausbildung in eine Höhle zu gehen. Ein Helm, mehrere Lampen, eine Rettungsdecke und eine Notration an Essen und Trinken sollten immer dabei sein.
© dpa
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