Schwache Führung, schlechte Bedingungen: Kölns Polizei-Präsident Albers steht nach den Übergriffen in Köln heftig in der Kritik. Nicht zum ersten Mal, nachdem er schon beim Umgang mit Hogesa-Demos und dem Kölner SEK-Skandal überfordert wirkte. Doch ist nur Albers das Problem oder die Kölner Polizei selbst?
Jürgen Becker kommt aus Köln. Er macht Kabarett, schreibt Bücher, ist in den Medien präsent als Moderator. Er war immer auch scharfer Kritiker seiner Heimatstadt. In der von ihm mitgegründeten Stunksitzung gab er schon 1983 ein kabarettistisches Gegengewicht zur barocken Kölner Karnevalskultur und sitzt in einem Komitee, das über die Vergabe der alternativen Kölner Ehrenbürgerwürde entscheidet.
Nun scheint er im Umgang mit seiner Heimat resigniert zu haben: "Köln kann keine Oper, keine Wahl, keinen Hubschrauberlandeplatz, keine U-Bahn und auch keine Polizei. Köln kann nur Karneval", sagte er gegenüber der Tageszeitung "Die Welt".
Gerade die Kölner Polizei steht in der aktuellen Debatte um die Geschehnisse am Hauptbahnhof während der vergangenen Silvesternacht im Fokus der Debatte. Die Hauptvorwürfe: Sie sei überfordert, sie habe die Lage falsch eingeschätzt, sie habe die Öffentlichkeit bewusst falsch informiert.
Zentrale Figur in diesem Diskurs ist der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers.
Albers hat Rechtswissenschaften studiert und leitet seit Oktober 2011 die Polizei in Köln. Davor fungierte er neun Jahre lang als Polizei-Präsident in Bonn. Aktuell wenden sich Politik und Medien gegen ihn.
CDU-Politiker Wolfgang sagte dem Kölner "Express": "Herr Albers ist im persönlichen Umgang wirklich sehr angenehm, aber er wirkt im Amt als Polizeipräsident überfordert und ich habe den Eindruck, dass auch der Landesinnenminister so langsam die Geduld mit ihm verliert".
NRW: SPD-Innenminister Ralf Jäger distanziert sich von Wolfgang Albers
Albers' angesprochener Dienstherr und SPD-Parteifreund Ralf Jäger ging tatsächlich erstmals auf Distanz zu ihm. Am vergangenen Mittwoch sprachen Medien Jäger auf die Rücktrittsforderungen gegenüber seines Kölner Polizeipräsidenten an.
Jäger wich zuerst in Allgemeinplätze aus – und formulierte dann einen konkreten Anforderungskatalog an das Kölner Präsidium. "Die Kölner Polizei hat jetzt viel zu tun", sagte der Minister. Doch die geforderte allumfassende Aufklärung binnen kürzester Zeit scheint unerfüllbar.
Die Konsequenz aus diesem erneuten Versagen von Albers und seinen Leuten würde unausweichlich die Demission des Chefs der Behörde nach sich ziehen.
Auch die Medien zählen Albers an: "Eine blasse Amtsführung auch in seinem fünften Jahr als Polizeipräsident in Köln, Reagieren statt Agieren, öffentlich nur das einräumen, was ohnehin schon bekannt ist – das werfen Kritiker Wolfgang Albers vor," bilanziert der "Kölner Stadt-Anzeiger".
Der Kölner "Express" fordert gar seinen Rücktritt: "Die Informationspolitik der Kölner Polizeispitze ist desaströs. Es fehlt nicht viel bis zur Irreführung der Öffentlichkeit. Und der Polizeipräsident? Wirkt nicht zum ersten Mal im Amt überfordert.
Durch sein undurchsichtiges, zögerliches Agieren ist er selbst zum Teil des Problems geworden."
Polizei Köln: Hogesa, SEK-Skandal, Silvesternacht
Wolfgang Albers spürte zuletzt, dass der Druck auf seine Person stetig zunahm. Am vergangenen Mittwochmorgen gab er sich noch kämpferisch im Interview mit dem WDR. "Bleiben Sie Polizeipräsident in Köln?" wurde er im Radio gefragt. Die Antwort: "Aber natürlich. Gerade jetzt bin ich, glaube ich, hier gefragt."
Der Karneval stehe vor der Tür. "Ich bin hier bei meiner Polizei", so Albers. Am Abend desselben Tages klang er bereits deutlich weniger selbstbewusst. "Wäre ein Rücktritt eine Option für Sie?", lautete eine Frage der Tagesschau-Redaktion an ihn. "Ich trage Verantwortung an dieser Stelle. Und wir haben den Karneval vor uns. Eine schwierige Situation, glaube ich, gerade unter den jetzigen Bedingungen. Da ist mein Platz", so Albers.
Nachdem sich schließlich auch noch die Kölner Oberbürgermeisterin öffentlich gegen ihn wandte, ist Wolfgang Albers nun in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Das habe ihm Ralf Jäger mitgeteilt, wie verschiedene Medien unabhängig voneinander berichten.
Albers habe Jäger gegenüber Verständnis signalisiert. Er hatte zum Schluss wohl selbst gemerkt, dass er zu oft zu wenig Fingerspitzengefühl bewiesen hatte - ober ein Medienberater ihn gegenüber der Öffentlichkeit unterstützt. Er nahm die Dienste eines WDR-Journalisten in Anspruch.
Das wurde nötig, nachdem 2015 das Sondereinsatzkommando SEK 3 der Kölner Polizei in die Schlagzeile geriet. Die Spezialeinheit soll Neulinge harten Aufnahmeriten unterworfen haben. Albers wollte die Einheit aufzulösen, der Personalrat protestierte.
Der Umgang mit den SEK-Beamten verursachte großen Unmut in den Reihen der Kölner Polizei. Unruhe im Inneren und Empörung war die Folge.
Und das nicht zum ersten Mal: Im Oktober 2014 lieferten sich demonstrierende "Hooligans gegen Salafisten" (Hogesa) eine blutige Straßenschlacht mit einer völlig überforderten Polizei.
Die Demonstranten warfen einen Polizeiwagen um, zahlreiche Beamten wurden verletzt, die Bilder sorgten deutschlandweit für Bestürzung. Albers verteidigte stets das Einsatzkonzept, Monate später musste das Innenministerium eingestehen, dass in Zukunft bei vergleichbaren Anlässen viel mehr Polizisten nötig seien.
Wolfgang Albers: Auch innerhalb der Kölner Polizei umstritten
Innerhalb der Kölner Polizei ist Albers' Verhalten inzwischen auch umstritten: "Erfahrene Beamte in der Kölner Behörde staunen, warum Albers nicht spätestens am Samstag, nachdem die Dimension der Vorfälle aus der Silvesternacht bekannt war, eine Pressekonferenz einberufen oder wenigstens ein Statement veröffentlicht hat, um die Taten zu verurteilen und Aufklärung zuzusichern," schreibt der "Kölner Stadt-Anzeiger".
Dennoch hätten "die vielen Pannen und Fehleinschätzungen rund um die Hooligan-Krawalle und in der Kölner SEK-Affäre haben aber auch Albers-Unterstützer an den Führungsqualitäten des Top-Beamten zweifeln lassen," heißt es weiter. Dennoch berichten Meiden übereinstimmend von der freundlichen Art Albers', die intern gut ankomme.
Das Innenleben der Kölner Polizei ist schwer zu beleuchten. Dennoch steht fest, dass immer wieder Mängel an der Polizeiarbeit offensichtlich werden. Daran ist nicht nur die Behörde schuld, sondern auch die strukturellen Zwänge, denen sie unterliegt. Personalmangel und Kompetenzüberschneidungen zwischen Bundes- und Landespolizei sind dabei sicherlich die Hauptfaktoren.
Der Öffentlichkeit sind diese Probleme größtenteils egal. Sie erwartet in Anbetracht der Geschehnisse vom vergangenen Silvesterabend von der Polizei in Köln und deutschlandweit die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben: schützen, sichern, aufklären.
Jürgen Becker indes ist nicht sicher, dass sich die Performance der Polizei bald ändert. Im Gespräch mit der Welt schildert er seine Beobachtungen am Kölner Hauptbahnhof in den Tagen nach Silvester: "Es saßen sieben Polizisten in einem VW-Bus und tranken Kaffee. Im Bahnhof selbst sah ich niemanden. Wenn ich ein Sexuell-Übergriffiger oder gar ein Vergewaltiger wäre, hätte ich dafür sogar unbehelligt eine Luftmatratze aufblasen können."
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