- Die Preise für Ackerböden sind in den letzten Jahren in Deutschland massiv gestiegen, die Leidtragenden sind kleine Landwirte.
- Für den Preisanstieg sind auch Investoren verantwortlich, die im Osten Agrarbetriebe und damit große Flächen Land kaufen.
- Das sogenannte Landgrabbing sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Die Bundesländer tun sich mit dem Verabschieden neuer Agrarstrukturgesetze schwer.
- Für den Preisanstieg gibt es aber auch noch einige andere Gründe.
Landwirte haben es in Deutschland nicht leicht. Die Preise für ihre Erzeugnisse sind seit Jahrzehnten niedrig. In den letzten Jahren ist nun auch noch das Problem der steigenden Preise für Ackerböden hinzugekommen. Seit dem Jahr 2007 haben sie sich fast verdoppelt, in den ostdeutschen Bundesländern muss teilweise sogar der vierfache Preis für einen Hektar gezahlt werden - zu viel für viele kleine Betriebe, die aufgrund der niedrigen Preise für ihre Produkte auf Wachstum angewiesen sind. Jungen Landwirten fällt der Einstieg in den Beruf schwer.
Gründe für die steigenden Bodenpreise gibt es mehrere. Einer davon, der zuletzt immer wieder für Schlagzeilen sorgte, ist das sogenannte Landgrabbing. Hiermit ist der Kauf von Böden durch landwirtschaftsferne Investoren gemeint, die die Äcker in Zeiten kleiner Zinsen vor allem als Wertanlage sehen. Insbesondere in den östlichen Bundesländern wird immer wieder von Landgrabbing gesprochen, Versicherungen, verschiedene Unternehmen und sogar eine Stiftung der Aldi-Erben kauften in den letzten Jahren Anteile an Agrarbetrieben und somit große Flächen Land.
Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin sieht Entwicklung mit Sorge
Das Problem beschäftigt natürlich auch die Politik. „Ich sehe mit Sorge die Entwicklungen auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt. Die Landwirtschaft muss unverzüglich vor Bodenspekulationen geschützt werden“, beantwortete Claudia Dalbert, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt, eine Anfrage unserer Redaktion.
„Leider scheitert das dazu notwendige Agrarstrukturgesetz immer wieder an der CDU-Fraktion. Darüber hinaus muss dringend die Privilegierung des mittelbaren Flächenkaufes durch Anteilserwerb (Share Deals) gestutzt werden“, führte Grünen-Politikerin Dalbert weiter aus: „Hier muss endlich der Bund seine Hausaufgaben erledigen und die Befreiung von der Grunderwerbssteuer auf deutlich unter 90 Prozent begrenzen. Alles andere wäre ein zahnloser Tiger. Es muss daher seitens Sachsen-Anhalt weiterhin darauf gedrungen werden, dass der Bund hier handelt.“
Share Deals als Gesetzeslücke im Grundstückverkehrsgesetz
Bisher schützte vor allem das Grundstückverkehrsgesetz die Landwirtschaft vor Spekulanten. Verkauft ein Landwirt Land an einen anderen, ist dies melde- und grunderwerbssteuerpflichtig. Verkauft ein Landwirt Land an einen Nichtlandwirt, prüfen die Behörden zunächst sogar, ob es nicht doch einen Landwirt gibt, der Interesse an dem Land hat. Doch das etwas angestaubte Bundesgesetz aus dem Jahr 1961 kann mit sogenannten Share Deals legal umgangen werden.
Kauft nämlich ein Investor eine Agrargesellschaft, wie es sie vor allem in den östlichen Bundesländern als Erbe der sozialistischen Agrargenossenschaften der DDR gibt, war dies viele Jahre nur melde- und grunderwerbssteuerpflichtig, wenn 95 oder mehr Prozent der Anteile übernommen wurden. Wurden nur 94,9 Prozent gekauft, mussten weder Steuern gezahlt noch der Deal den Behörden gemeldet werden. Fünf Jahre später konnten dann die Anteile auf 100 Prozent erhöht und der Betrieb komplett übernommen werden. Zum 1. Juli 2021 hat der Bundestag nun beschlossen, die steuerauslösende Grenze auf 90 Prozent abzusenken. Ob dies reicht, um das Steuerschlupfloch zu schließen und Investoren abzuschrecken, muss sich zeigen. Nicht nur Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Dalbert würde sich eine tiefere Grenze wünschen.
Die Bundesländer sind für neue Agrarstrukturgesetze zuständig
Mit der Föderalismusreform von 2006 ging die Zuständigkeit für Böden vom Bund an die Bundesländer über, weshalb eine zeitgemäße Aktualisierung des Grundstückverkehrsgesetzes Ländersache ist. In fast allen Bundesländern wird deshalb derzeit daran gearbeitet, neue Agrarstrukturgesetze zu verabschieden. Ein solches Gesetz könnte beispielsweise den Kauf von Anteilen an Agrargesellschaften zustimmungspflichtig machen, Boden- und Preisspekulationen unterbinden und Landwirten beim Landkauf Vorrang garantieren.
Allerdings tun sich die meisten Bundesländer schwer mit der neuen gesetzlichen Regelung. Denn ein Agrarstrukturgesetz muss nicht nur von den einzelnen Fraktionen gutgeheißen werden, sondern darf auch die Freiheit des Kapitalverkehrs nicht gesetzeswidrig einschränken. Ansonsten könnte das neue Gesetz direkt wieder vom Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof einkassiert werden.
Landgrabbing ist nicht der Hauptgrund für steigende Bodenpreise
Landgrabbing ist aber nicht der einzige Grund, warum die Preise für Ackerböden steigen. „Es gibt keinen Ausverkauf von Ackerböden“, sagt Agraringenieur Andreas Tietz vom Thünen-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei. Tatsächlich kämen pro Jahr weniger als ein Prozent der Bodenflächen in Deutschland überhaupt auf den Markt, erklärt der Bodenexperte. Wer also im großen Stil in Böden investieren will, ist in anderen Ländern besser beraten. In Europa beispielsweise in Rumänien, oder in Afrika.
„Es gibt einen viel zu hohen Verbrauch von Flächen für Bauvorhaben, für Siedlungs-, Gewerbe- und Straßenflächen“, beschreibt Tietz die Lage in Deutschland: „Das ist ein Riesenproblem. Daran sind wir alle schuld. Überall wird nach neuen Baugebieten und Umgehungsstraßen gerufen. Dass fruchtbarer Boden nicht vermehrbar ist, wird dabei vergessen." Auch Photovoltaikanlagen und Windräder tragen dazu bei, dass die Preise für Böden steigen. Oft vermieten Landwirte ihre Flächen für gutes Geld an die entsprechenden Betreiber und tragen somit selbst zur Verknappung und zum Anstieg der Bodenkosten bei.
„Für Landwirte ist es schwieriger geworden, weil die Konkurrenz um die Flächen größer geworden ist. Die Preisentwicklung ist ein Problem, weil sich die Bodennutzungskosten für Landwirte massiv verteuert haben“, erklärt Experte Tietz. Landgrabbing und Investoren, die Geld in Agrargesellschaften und Ackerböden steckten, seien dabei nur ein Teil des Problems. Die Leidtragenden der Preisentwicklung sind aber auf jeden Fall die Landwirte.
Verwendete Quelle:
- Telefon-Interview mit dem Bodenexperten Andreas Tietz vom Thünen-Institut
- Schriftliche Anfrage an Prof. Dr. Claudia Dalbert, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt
- bpb.de: Der Preis des Bodens
- bundestag.de: Regelungen gegen Share Deals bei der Grunderwerbsteuer beschlossen
- tagesschau.de: Äcker als Spekulationsobjekt
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