Nach dem Tod von Jeffrey Epstein gehen die Ermittlungen in dem Fall weiter. Behörden konzentrieren sich jetzt auf mögliche Komplizen des Geschäftsmanns. Vor allem mehrere Frauen stehen im Fokus der Ermittler. Doch was hat Prinz Andrew mit dem Fall zu tun? Und welche Konsequenzen hatte Epsteins Tod? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Am 10. August hat sich der Geschäftsmann Jeffrey Epstein in einem Gefängnis in Manhattan das Leben genommen. Er sollte erneut wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht gebracht werden. Epstein wurde beschuldigt, Dutzende Minderjährige sexuell missbraucht zu haben.

Laut Anklageschrift hatte er zwischen 2002 und 2005 in New York und Florida einen Missbrauchsring aufgebaut. Er sollte in der Haftanstalt bis zum Beginn seines Prozesses bleiben. Der Prozessauftakt wurde vorläufig auf Anfang Juni 2020 festgelegt.

Schon 2008 stand er in Florida vor Gericht. Doch obwohl damals 24 minderjährige Mädchen Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erhoben hatten, kam Epstein durch einen Deal mit der Staatsanwaltschaft mit einer Haftstrafe davon. Viele hielten das für einen Skandal. Nach 13 Monaten, in denen er tagsüber ins Büro durfte, war er wieder frei.

Auch nach seinem Tod und trotz der Einstellung der Klage ermitteln die Behörden weiter in dem Fall – unter anderem gegen eine unauffindbare Komplizin, zahlreiche Angestellte und Freundinnen. Doch warum stehen so viele Frauen im Fokus der Ermittlungen? Welche Konsequenzen wurden aus Epsteins Suizid gezogen? Und was hat Prinz Andrew mit dem Fall zu tun? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wer wird mit dem Fall Epstein in Zusammenhang gebracht?

Medienberichten zufolge dürften sich die Untersuchungen vor allem auf die langjährige Partnerin von Epstein, Ghislaine Maxwell, konzentrieren. Die Britin ist die Tochter des steinreichen Verlegers Robert Maxwell und kam Anfang der 90er Jahre nach New York.

Sie soll zeitweise Epsteins Freundin gewesen sein. Sein Umfeld beschreibt ihre Rolle in seinem Leben als eine Mischung aus Angestellter, bester Freundin und rechter Hand. Derzeit fehlt von ihr allerdings jede Spur. Viele glauben, dass sie die USA verlassen hat.

Die 57-Jährige gilt als die wohl wichtigste Komplizin Epsteins. Amerikanischen Medienberichten zufolge hat sie sich mehrfach entschieden gegen Vorwürfe gewehrt. Mehrere mutmaßliche Opfer werfen ihr vor, im Zentrum des Prostitutionsrings zu stehen.

Sie soll Mädchen für Epstein rekrutiert und sich auch selbst am Missbrauch beteiligt haben. Eines der mutmaßlichen Opfer gab an, sie sei als Epsteins "Sexsklavin" von Maxwell angeworben worden. Diese Informationen stammen aus Akten von einem Prozess, der mit dem Fall Epstein zusammenhängt. Ein mutmaßliches Opfer strengte eine Zivilklage gegen Ghislaine an.

Und Epsteins langjährige Partnerin ist wohl nicht die einzige Komplizin, die in den Fall verwickelt ist. Wie "The New York Times" berichtet, haben angeblich mehrere Frauen zu seinem inneren Kreis gehört. Auf sie fokussieren sich gerade auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Unterstützt werden die Behörden von Frauen, die früher selbst angeworben wurden und eine Zeit lang dazugehört haben.

Epstein hatte angeblich ein ausgeklügeltes Netzwerk aus Angestellten: Einige brachten den jungen Mädchen alles bei, was sie wissen mussten, Assistentinnen buchten die Reisen sowie Autos und organisierten die Treffen, andere rekrutierten die Mädchen.

Vier Frauen waren laut "The New York Times" anscheinend sogar so maßgeblich an seinem Treiben beteiligt, dass sie als mögliche Mitverschwörer gelten. Epstein hatte damals mit den Anwälten in Florida allerdings ausgehandelt, dass sie Immunität erhalten. Dafür ging er 13 Monate ins Gefängnis.

Doch das Abkommen gilt nicht für Manhattan, hier können sie strafrechtlich verfolgt werden. Es kann jedoch schwierig werden, sie zu verurteilen, da sie möglicherweise selbst noch minderjährig waren, als sie bei Epstein angefangen haben.

Welche Konsequenzen wurden nach dem Suizid gezogen?

Nach Epsteins Tod hat es an der Spitze der US-Bundesgefängnisbehörde einen Personalwechsel gegeben. Justizminister William Barr hatte bekanntgegeben, dass der Direktor des Gefängnisses in New York, Hugh Hurwitz, eine andere Aufgabe übernehmen werde. Die Behörde wird künftig von Kathleen Hawk Sawyer geleitet, die den Direktorposten schon von 1992 bis 2003 innehatte.

Barr beklagte "schwere Unregelmäßigkeiten" in der Haftanstalt. Und auch Epsteins Wärter sind nach Angaben des Justizministeriums beurlaubt worden.

Die beiden hatten ihre Aufsichtspflicht verletzt. Bereits zwei Wochen vor Epsteins Tod hatte dieser offenbar versucht, sich das Leben zu nehmen. Doch statt wie vorgeschrieben alle 30 Minuten nach dem Inhaftierten zu sehen, seien die beiden Beamten eingeschlafen und hätten dessen Zustand für rund drei Stunden nicht kontrolliert.

Anschließend sollen die beiden ihren Arbeitsbericht gefälscht haben, um ihr fatales Versäumnis zu verschleiern, berichtete der US-Sender CBS.

Was hat Prinz Andrew mit dem Fall zu tun?

Epstein zeigte sich in der Öffentlichkeit gerne mit Politikern und Prominenten. Er hatte unter anderem Kontakte zu den US-Präsidenten Donald Trump und Bill Clinton sowie zu Prinz Andrew. US-Medien spekulieren, dass ein Prozess weitere Prominente schwer belastet hätte.

Eines der Epstein-Opfer behauptete, sie sei mehrmals zum Sex mit dem Prinzen gezwungen worden. Dieser hatte die Aussage bereits früher als "kategorisch unwahr" bezeichnet. Immer wieder kamen jedoch Aufnahmen zutage, die Andrew mit Epstein oder in dessen Anwesen in New York zeigten.

Prinz Andrew hatte eine Verwicklung in den Missbrauchsskandal mehrfach von sich gewiesen. "Seine Königliche Hoheit verurteilt die Ausbeutung eines jeden Menschen und die Unterstellung, er würde solches Verhalten dulden, daran teilnehmen oder dazu animieren, ist abscheulich", hatte der Buckingham-Palast mitgeteilt.

Anschließend distanzierte sich Prinz Andrew erneut von Epstein. Er habe zu keiner Zeit von dem Verhalten Notiz genommen, das zur Festnahme Epsteins geführt hatte, schrieb er in einer ungewöhnlich langen Erklärung, die der Buckingham-Palast veröffentlichte.

Er äußere sich, um weitere Spekulationen zu vermeiden, schrieb Andrew. "Ich habe Mr. Epstein 1999 kennengelernt. Während der Zeit, als ich mit ihm bekannt war, sah ich ihn unregelmäßig und wahrscheinlich nicht mehr als ein- oder zweimal im Jahr. Ich war in einer Reihe seiner Anwesen zu Gast."

Von dem angeblichen Missbrauch habe er nichts mitbekommen. Es sei zudem ein Fehler gewesen, Epstein nach dessen Freilassung wiederzusehen. "Ich habe erhebliches Mitgefühl mit allen, die von seinem Handeln und Verhalten betroffen waren", so Andrew.

Warum sagen mutmaßliche Opfer nach Epsteins Tod vor Gericht aus?

Obwohl er sich das Leben genommen hat, haben Opfer des mutmaßlichen Sexualstraftäters ihrem Ärger und ihrer Trauer vor Gericht Ausdruck verliehen. Die Anhörung war eigentlich nur zur formalen Einstellung der Anklage gedacht - doch Richter Richard Berman lud auch mutmaßliche Opfer ein. Sie sollten ihre Geschichten und Gefühle teilen.

Eine der Frauen sagte dem Nachrichtensender "NBC" zufolge vor Gericht, Epsteins Suizid habe ihr die Chance "geraubt", ihn "von Angesicht zu Angesicht" im Gerichtssaal zu stellen. Dass er sich getötet habe, mache ihn zu einem "Feigling".

"Er konnte nicht verstehen, was er uns genommen hat", sagte eine andere Betroffene. "So wie ich jedes Mädchen bin, dem er das angetan hat, sind diese ich. Heute stehen wir zusammen."

Eine dritte Frau las einen Brief vor, den sie an Epstein geschrieben hatte: "Ich werde nie in der Lage sein, die überwältigenden Gefühle und die Verlegenheit dieses Dramas zu überwinden." Insgesamt wurden vor dem New Yorker Gericht Beiträge von etwa 30 mutmaßlichen Opfern erwartet. (ff)

Verwendete Quellen:

  • The New York Times: "How a Ring of Women Allegedly Recruited Girls for Jeffrey Epstein”
  • dpa
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.