Am Sonntag wird aus Papst Johannes Paul II. auch offiziell ein Heiliger - denn dann erhält der als Karol Wojtyla geborene Pontifex die Heiligsprechung. Für viele Menschen hat Wojtyla diesen Status schon längst erreicht – gerade weil er immer auch ein Mensch blieb.
Jetzt, aus der Rückschau, konnte es gar nicht anders kommen: Dass Karol Wojtyla am Sonntag in den Status eines Heiligen gehoben werden soll, ist für diesen 2005 verstorbenen Mann eigentlich nichts weiter als die Fortsetzung des Siegeszuges, den er schon zu seinen Lebzeiten angetreten hatte. Wojtyla, der den meisten Menschen wohl eher unter seinem päpstlichen Namen Johannes Paul II. bekannt ist, war das wohl berühmteste und prägendste Oberhaupt der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert. Er wurde gefeiert wie ein Popstar. Aber er war nicht oberflächlich. Wie nur wenige andere Päpste mischte er sich in die Politik ein. Und blieb immer menschlich.
Geboren wurde Wojtyla am 18. Mai 1920 in Polen. Sein Vater, ein ehemaliger Offizier des österreichisch-ungarischen Kaiserreichs, arbeitete als Schneider. Seine Mutter war Lehrerin. Schon während seiner Kindheit und Jugend musste Wojtyla mit auch ganz persönlichen Schicksalsschlägen klarkommen: Seine Mutter starb, als er acht Jahre alt war, bald darauf verlor er seinen älteren Bruder, sein Vater starb 1941. Da war Wojtyla gerade einmal Anfang 20.
Karol Wojtyla findet Trost im Glauben
Vielleicht auch wegen dieser schmerzhaften Erfahrungen suchte er mehr und mehr Trost im Glauben. Zwar war er von Kindesbeinen an bereits katholisch erzogen worden. Vor allem seine Mutter war eine überzeugte Kirchengängerin. Aber es war, schreibt Wojtylas Biograf Edward Stourton, der Tod seines Vaters, der Wojtyla erstmals ernsthaft dazu bewog, sich zu überlegen, ob er nicht Priester werden soll. Noch während des Zweiten Weltkrieges besuchte er ein geheimes Priesterseminar im polnischen Krakau. Kurz nach dem Krieg, 1946, empfing er schließlich die Priesterweihe.
Die Erfahrung von Gewalt und Diktatur während des Krieges prägte nicht zuletzt maßgeblich auch jenes politische Engagement, für das Wojtyla schnell weltberühmt wurde, nachdem er am 16. Oktober 1978 zum Papst gewählt worden war: den Kampf gegen den Kommunismus; weltweit und vor allem in seinem Heimatland. 1958 war er Weihbischof in Krakau geworden, 1964 Erzbischof von Krakau. Schon aus diesen Stationen seines Lebens kannte er die Kirchen- und Religionsfeindlichkeit der kommunistischen Machthaber im Ostblock. Und nachdem er zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt und damit von Karol Wojtyla zu Johannes Paul II. geworden war, schlug er zurück: Schon im Juni 1979 reiste er als erstes katholisches Kirchenoberhaupt in den Ostblock und trug maßgeblich dazu bei, dass in Polen eine anhaltende Welle des Widerstands gegen das kommunistische Regime ausbrach.
Papst Johannes Paul II.: menschelnd und staatsmännisch zugleich
Schon in diesem Engagement gegen eine weltliche Ideologie nutzte Johannes Paul II. moderne Medien in einer Art und Weise, die vor ihm kein Papst dermaßen für seine Zwecke zu instrumentalisieren wusste: Die Bilder von seinem Besuch gingen um die ganze Welt. Geschickt wusste er sich menschelnd und staatsmännisch zugleich in Szene zu setzen – und mit jedem einzelnen öffentlichen Auftritt in Polen unterstrich er, dass er anders als seine Vorgänger gegenüber dem Kommunismus nicht zum Nachgeben bereit war.
Das vielleicht stärkste Symbol dafür entstand aber ganz ohne sein Zutun, auch wenn es nur die logische Folge des Kampfes von Johannes Paul II. gegen den Kommunismus war: Als der polnische Werftarbeiter Lech Walesa eine Vereinbarung zwischen der kommunistischen Regierung Polens und der Gewerkschaft Solidarnosc unterschrieb – ein Meilenstein im Kampf gegen den Kommunismus – tat Walesa das mit einem riesigen Stift, auf dem ein Bild von Johannes Paul II. prangte.
Dass der Papst am 13. Mai 1981 von einem türkischen Extremisten niedergeschossen wurde und fast genau ein Jahr später ein weiteres Attentat auf ihn – diesmal verübt von einem ultrakonservativen katholischen Priester – überlebte, machte ihn für viele Gläubige letztlich schon zu Lebzeiten zu einem Heiligen, der über den irdischen Dingen zu schweben schien.
Und von genau diesem schon früh erworbenen Ruhm, diesen Erfahrungen im Umgang mit den Medien und Menschen, profitierte Johannes Paul II. bis zum Ende seines Pontifikats 2005: starke Bilder, große Gesten, politische und auch religiöse Einmischung statt Zurückhaltung. Johannes Paul II. verstand sich auf den großen Auftritt. Er besuchte zum Beispiel auch als erster Papst eine Synagoge und eine Moschee, um den Dialog zwischen den Weltreligionen voranzutreiben. Er besuchte nach Angaben des Kirchensenders Domradio 104 Länder und legte dabei insgesamt 1,2 Millionen Kilometer Wegstrecke zurück. Möglich war das freilich nur mit modernen Verkehrsmitteln wie Autos und Flugzeugen. Johannes Paul II. war immer auch ein Papst am Puls der Zeit – außer vielleicht beim Thema Abtreibung, wo er sich als entschiedener Abtreibungsgegner positionierte, auch gegen den Widerstand deutscher Bischöfe.
Die Gemeinsamkeit mit Prinzessin Diana
Seinem öffentlichen Image schadeten solche innerkirchlichen Brüche kaum; ebenso wie sein öffentliches, langsames Altern dem nichts anhaben konnte. Menschen werden alt. Und Johannes Paul II. war eben immer nicht nur Papst, sondern auch ein Mensch. Zuletzt einer, der von Krankheit und Alter schwer gezeichnet war.
Als Karol Wojtyla alias Johannes Paul II. am 2. April 2005 stirbt, ist die weltweite Anteilnahme riesig. Ähnlich wie beim Tod von Prinzessin Diana, die die mediale Vermarktung der britischen Monarchie auch auf eine ganz neue Stufe gehoben hatte. Beide hatten es geschafft, sich ebenso menschlich wie popstar-like zu geben.
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