Eine Frau ruft in einem medizinischen Notfallzentrum im kanadischen Ontario nach einem Arzt für ihren kranken Sohn. Den gibt es - doch er ist nicht weiß. Die Reaktion der aufgebrachten Mutter wird gefilmt und sorgt im liberalen Kanada für einen Aufschrei der Empörung.
Es ist ein bizarres Schauspiel, welches ein Patient im Wartezimmer eines kanadischen Notfallzentrums am vergangenen Sonntag mit seinem Smartphone dokumentiert hatte. Dieses Video wurde nun CBC News zugespielt.
Frau will "weißen Arzt" und "keine braunen Zähne"
Eine Frau und Mutter fordert von Angestellten in der "Rapid Access to Medical Specialists Clinic" für ihren kranken Sohn einen Arzt, explizit einen "weißen Arzt".
Als die Mitarbeiter des medizinischen Notfallzentrums erklären, dass ein "weißer Arzt" vor 16:00 Uhr nicht zur Verfügung steht, eskaliert die Situation.
Rassismus-Skandal erschüttert Kanada
"Sie wollen mir also sagen, dass es im gesamten Gebäude keinen weißen Arzt gibt", schimpft die Frau in dem Original-Video. "Sie wollen mir sagen, dass mein Kind mit seinen Brustschmerzen hier bis 16:00 Uhr warten muss? Ich möchte einen Doktor, der weiß ist, Englisch spricht und keine braunen Zähne hat."
Im Wartezimmer ist zunächst gemurmelter Protest zu hören, der dann lauter wird: "Unglaublich!" und dann mehrfach die Aufforderung: "Dann gehen Sie doch in ein Krankenhaus!"
Doch die Frau lässt sich davon nicht beirren und fordert weiterhin, dass ihr Sohn, der schweigend hinter ihr herläuft, umgehend von einem weißen Arzt behandelt werden sollte.
"Ich sollte mich erschießen, weil ich weiß bin!"
"Oh mein Gott", schimpft sie, "in was für einem schrecklichen Land lebe ich eigentlich? Mein Kind ist krank." Sie wolle doch einfach nur einen weißen Arzt sehen. "Ich sollte mich erschießen, weil ich als Weiße in diesem Land lebe."
Eine schwarze Patientin hat die Nase voll, konfrontiert die Frau direkt und bezeichnet sie als Rassistin.
"Dass Sie seine Mutter sind, ist für Ihr Kind definitiv eine größere Baustelle, als die Notwendigkeit eines Doktors", erklärt sie scharf. Und weiter: "Sie sind extrem ungehobelt und rassistisch. Vielleicht sollten sie sich selbst ins Krankenhaus einweisen."
Die Frau antwortet daraufhin: "Sie sind braun. Sie alle hier greifen mich an, weil ich weiß bin."
Sicherheitsleute bringen die aufgebrachte Rassistin später aus dem Gebäude, während ihr Sohn nach Angaben der Polizei von einem Arzt behandelt wird.
Politik reagiert unmissverständlich
Ausgerechnet Kanada, mag man sich angesichts dieses Rassismus-Skandals denken.
Das Land, das sich nicht erst unter dem charismatischen Premier Justin Trudeau als äußerst liberal präsentiert, als demonstrativ weltoffen in Abgrenzung zur neuen Politik seines südlichen Nachbarn USA.
Der verstörende Alltagsrassismus und die Selbstverständlichkeit, mit der er nun artikuliert wurde, sorgen für Empörung und eine unmissverständliche Reaktion der Politik.
Die Premierministerin der Provinz Ontario, in der sich der Vorfall ereignet hatte, reagierte auf Twitter mit klaren Worten..
"Rassismus und Hass haben in Ontario keinen Platz", betonte Kathleen Wynne. "Das ist ein schockierender Vorfall. Wir sollten alle schockiert sein. Denn wenn wir das nicht sind, wäre dies das wahre Problem."
"Das war schon sehr, sehr verstörend!"
Man müsse als Gesellschaft wachsam bleiben, mahnt Wynne. "Wir nehmen oft an, dass wir mit Blick auf eine offene Gesellschaft schon sehr weit gekommen sind. Wenn sich dann so etwas ereignet, ebenso der Anstieg von Islamophobie oder antisemitische Vorfälle, dann müssen wir kurz innehalten und fragen: 'Was passiert da eigentlich gerade und warum passiert es?'"
Solches Verhalten sei schließlich nicht zu dulden, so Wynne. Immerhin waren in dem Wartezimmer auch Kinder anwesend und wurden folglich Zeuge der rassistischen Auslassungen. "Das war schon sehr, sehr verstörend."
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