Graue Wolken, prasselnder Regen und eine Spur der Zerstörung: Die Regenzeit in Ostafrika fällt in diesem Jahr ungewöhnlich heftig aus. Schon jetzt gibt es Hunderte Tote. Eine deutsche Urlauberin erzählt von ihren Erlebnissen.
Die Safari-Reise war deutlich abenteuerlicher, als Heike Schönfeld geplant hatte: Statt den "Big five" und vor allem den zahlreichen Großkatzen in der Maasai Mara erlebten die deutsche Kenia-Urlauberin und ihr Mann hautnah die Auswirkungen der schweren Regenfälle und Überflutungen in Ostafrika. Am Donnerstag konnten sie einen Flug nach Nairobi buchen. "Hauptsache weg. Auf der Straße wäre es die nächsten Tage unmöglich", sagte Schönfeld der Deutschen Presse-Agentur.
An diesem Freitag geht es weiter an die Küste – vorher war in Nairobi noch Notfall-Shopping angesagt. Zwar hatten die Urlauber Geld und Pässe bei sich, aber ihr Urlaubsgepäck war weg. Und all das, was in einem aus der Flut geborgenen Koffer lag, war verschlammt.
Flucht aus dem Safari-Paradies
Die Fahrt zum Safari-Camp am Talek-Fluss habe am Wochenende über Pisten geführt, die unter Wasser standen, sagte Schönfeld. Doch noch ging es vorwärts, und die Hoffnung blieb, dass die Safari schöne Naturerlebnisse bringen werde.
Der Talek sei schon bei der Ankunft am Samstag ein reißender Fluss gewesen, so Schönfeld. "Aber es war wohl nicht absehbar, dass es sich innerhalb kürzester Zeit so schlimm entwickelt." Mitarbeiter des Camps und nahegelegener Unterkünfte hätten regelmäßig den Wasserstand kontrolliert, im Dunkeln leuchteten Taschenlampen am Fluss. In der Nacht zu Sonntag musste es schnell gehen, Angestellte hätten sie durch knöchelhoch stehendes Wasser an einen höher gelegenen Punkt gebracht. Nur die Handgepäck-Rucksäcke konnten die beiden Deutschen in der Eile mitnehmen.
Die Lage direkt am Fluss, die vielen Touristen so wichtig ist, gerade während der großen Wanderung der Gnus, hat sich angesichts der schweren Regenfälle für insgesamt 14 Camps allein in der Maasai Mara als fatal erwiesen. Immerhin: Es gab dort keine Todesopfer zu beklagen. Und angesichts der wichtigen Rolle, die der Tourismus für die Wirtschaft Kenias spielt, stellten die örtlichen Behörden schnell zwei Hubschrauber bereit, um Urlauber und Camp-Mitarbeiter in Sicherheit zu bringen.
Menschen laufen um ihr Leben – besonders die Ärmsten betroffen
In anderen Landesteilen liefen die Menschen an Flüssen und Staudämmen um ihr Leben. Allein bei einem Dammbruch um Rift Valley starben 50 Menschen, in den städtischen Slums von Nairobi kamen zahlreiche Menschen ums Leben. Die Folgen der Unwetter trafen in besonderem Maße die Ärmsten: Denn bei den Slums handelt es sich um das, was Städteplaner informelle Siedlungen nennen – viele Gebäude sind ohne Plan gebaut, es gibt keine vernünftige Infrastruktur, viele Menschen leben auf sehr engem Raum.
Nicht nur dort wird Stadtplanung zu oft von Korruption beeinträchtigt, kritisierte der Hydrologe Sean Avery in einem am Donnerstag veröffentlichten Kommentar. Schneller Profit werde über Sicherheitsbedenken gestellt, Abflussgräben für Starkregen würden nicht instandgehalten oder von Müll verstopft.
Busse werden von Fluten mitgerissen
Dutzende Straßen sind unterbrochen, auch Bahnlinien sind beeinträchtigt. Medienberichten zufolge haben zahlreiche Firmen ihre Mitarbeiter aufgefordert, möglichst von zu Hause aus zu arbeiten oder sie lassen sie früher in den Feierabend gehen, damit sie nicht in die häufig am späten Nachmittag und frühen Abend einsetzenden Starkregenfälle geraten. Denn wenn Straßen urplötzlich unter Wasser stehen, können auch Busse und Matatus, die von vielen Pendlern benutzten Minibusse, von den Fluten mitgerissen werden.
Gerade für viele Kleinverdiener ist das Leben teurer geworden: Denn bei schlechtem Wetter erhöhen die Betreiber der Matatus die Preise. "Die Fahrt ist jeweils um 100 Schilling (69 Cent) teurer", klagte Mary Odoto, die in einem Hotel in Nairobi als Zimmermädchen arbeitet und täglich in einen der Vororte pendelt. Aus den täglichen Fahrtkosten von 250 Schilling seien 450 geworden – für die alleinerziehende Mutter keine Kleinigkeit.
El Niño und seine Folgen
Starker Regen während der im März beginnenden langen Regenzeit ist in Ostafrika nicht ungewöhnlich. In diesem Jahr wird der unwetterartige Regen jedoch von dem Wetterphänomen El Niño verstärkt, das bereits seit dem vergangenen Oktober immer wieder untypische Regenfälle brachte und Zerstörungen anrichtete. Der Klimawandel, so vermuten Experten, hat auch das regelmäßig wiederkehrende Wetterphänomen verschärft.
Schon vor mehr als einem Jahr hatten Meteorologen auch in Ostafrika vor den Folgen von El Niño gewarnt und zu Vorbereitungen aufgerufen. Zwischen Oktober und Februar kamen nach Angaben der Internationalen Föderation des Roten Kreuzes allein in Kenia fast 1.800 Menschen infolge von Überflutungen, Erdrutschen und anderen Auswirkungen ums Leben. Zum Vergleich: In den vergangenen beiden Wochen gab es laut einem Sprecher der Regierung etwa 200 Hochwassertote in Kenia. In ganz Ostafrika sind es schon bald 400, wenn man offizielle Angaben addiert.
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Mangelnde Vorsorge?
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisierte am Mittwoch mangelnde Vorsorge der Regierung Kenias auf das absehbare Desaster. Ostafrika und das Horn von Afrika gehören zu den Regionen, die stark von den Auswirkungen betroffen sind, mehrere Jahre hintereinander litt die Region unter schwerer Dürre.
Trotz aller Expertenwarnungen und der Erfahrungen mit den Fluten im Jahr 2023 seien die Vorbereitungen auf die neuen angekündigten Fluten unzureichend und zu langsam gewesen, so HRW. Erst am 24. April – einen Monat nach Einsetzen der Regenzeit – habe die Regierung Kenias einen Krisenstab ins Leben gerufen. Oppositionspolitiker und Kirchenführer hatten zu diesem Zeitpunkt bereits vergeblich gefordert, den Katastrophenfall auszurufen. (Eva Krafczyk, dpa/tas)
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