Beleidigungen, Faustschläge, Draht- und Nagelfallen – immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen Wanderern und Mountainbikern. Dabei wird die Auseinandersetzung immer brutaler. Nun versuchen verschiedene Initiativen, den Konflikt zu entschärfen.
Spitzingsee in Bayern, Juni 2020: Ein etwa 65 Jahre alter Mountainbiker geht auf einen Naturschutzbeauftragten los, der ihn über geltende Verordnungen aufklären wollte. Der Biker schlägt und schubst den 35 Jahre alten Naturschützer, der mehrere Prellungen und Schürfwunden davonträgt. Erst vorbeikommende Wanderer können den wütenden Radfahrer stoppen.
Breuberg in Südhessen, Januar 2020: Radfahrer entdecken mit Nägeln präparierte Baumwurzeln, wie die Polizei berichtet. Die Stelle befindet sich auf einem offiziell ausgewiesenen Mountainbike-Trail. Wer diese Nagelfalle ausgelegt hat, nimmt schwerste Verletzungen bei Menschen – und auch bei Tieren – in Kauf.
Schliersee, August 2019: Ohne ersichtlichen Grund soll ein Wanderer einem entgegenkommenden Mountainbiker einen Faustschlag verpasst haben. Der Biker stürzt und zieht sich ernste Verletzungen zu, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Die Polizei fahndet nach dem Täter. Der stellt sich, wie die Polizei berichtet, und widerspricht der Darstellung des Tathergangs.
Wanderer und Mountainbiker – wie kommt es zu den Konflikten?
Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen Wanderern und Mountainbikern. Dabei gehen die Beteiligten oft äußerst brutal vor und riskieren bewusst die Gesundheit ihrer Mitmenschen. Woher kommen diese Aggressionen?
"Der Konflikt liegt sicher auch im Unwissen und Unverständnis", sagt Benjamin Trotter vom Deutschen Alpenverein (DAV). "Mountainbiken wird in der Werbung meist radikaler und naturunverträglicher dargestellt als es tatsächlich in der Natur ausgeübt wird."
Trotzdem hält sich das Bild vom rücksichtslosen Adrenalinjunkie, der in Höchstgeschwindigkeit durch empfindliche Natur braust und dabei arglose Wanderer erschreckt. Ein Vorurteil, wie Trotter betont: "Wir haben das Konfliktpotential untersucht und festgestellt, dass es nicht so hoch ist, wie es manchmal medial präsentiert wird."
Laut einer Allensbach-Studie gibt es in Deutschland etwa 39 Millionen Menschen, die regelmäßig wandern, dazu mehr als 15 Millionen Mountainbiker. Im Vergleich dazu gebe es nur wenige Konflikte, sagt Ingmar Hötschel von der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB). "Da bewegen wir uns unterhalb des Promillebereiches. Das zeigen auch Umfragen, in denen nur zwei Prozent der Wanderer angeben, dass sie sich von Mountainbikern sehr gestört fühlen."
Wanderer gegen Biker: Konflikte sind selten, aber haben es in sich
Aber auch wenn Konflikte nur selten sind, so fällt die Brutalität auf, mit der die Täter vorgehen. So legten im Mai Unbekannte in einem Waldgebiet bei Burscheid Nagelfallen aus. Die Zinknägel hatten eine Länge von zirka 45 mm und waren auf bekannten Mountainbike-Strecken platziert. Die Polizei ermittelt.
Bereits im April hatten Wanderer in Neumarkt in der Oberpfalz einen Draht entdeckt, der in 80 cm Höhe quer über eine Montainbike-Strecke gespannt war. Man mag sich kaum vorstellen, was passiert wäre, wenn ein Biker in vollem Tempo in die Falle gerast wäre.
Dass sowas immer wieder vorkommt, findet Hötschel bedauerlich, "denn wir stehen als DIMB für ein Miteinander ein". Doch wie ist ein solches Miteinander möglich?
"Wir setzen auf Aufklärung, Sensibilisierung und gegenseitigen Respekt", sagt Hötschel. Die DIMB hat dazu die "Trail Rules für Mountainbiker" entwickelt, ein einfaches Regelwerk zum "umwelt- und sozialverträglichen Mountainbiking". Außerdem bildet der DIMB Guides und Fahrtechniktrainer aus, die diese Werte vermitteln sollen.
Bayerisches Umweltministerium unterstützt Mountainbike-Projekt
Beim DAV läuft seit 2018 das Projekt "Bergsport Mountainbike – nachhaltig in die Zukunft". In dem vom bayerischen Umweltministerium geförderten Programm sollen "konkrete Lösungen für ein naturverträgliches und konfliktfreies Mountainbiken im Alpenraum" entwickelt werden.
Benjamin Trotter ist Mitarbeiter der Projektgruppe und zieht ein positives Zwischenfazit. "Die hohe Teilnehmerzahl zeigt, wie groß das Interesse, aber auch der Diskussionsbedarf ist." Allerdings sieht er noch einen Mangel an Angeboten. "Wir sind noch nicht da angelangt, wo wir eigentlich sein wollten, bei der Ausweisung von Trails, befinden uns aber auf dem besten Weg dahin."
Auch der DAV setzt auf Aufklärung und Sensibilisierung. "Es gilt, alle Beteiligten zu informieren, nicht nur die Mountainbiker", betont Trotter.
E-Bikes erhöhen die Belastung in den Bergen
Zumal sich die Zielgruppe mit dem Aufkommen von E-Bikes vergrößert. "Es ist ein weiteres Thema, bei dem Aufklärung und Ausbildung betrieben werden muss", sagt Trotter. "Vor allem für Neueinsteiger ist wichtig zu wissen, wie ich mit meinem Rad umgehe, was die Dos und Don‘ts sind, wenn ich in der Natur unterwegs bin und wie ich mich anderen Nutzern gegenüber verhalte."
Vor allem in einer Zeit, in der die deutschen Touristengebiete erhöhten Zulauf erfahren, hoffen viele, dass die Anstrengungen von DAV und DIMB Früchte tragen.
Persönlich hat Trotter noch keine negativen Erfahrungen gemacht. "Es passiert mir ab und zu, dass ich darauf angesprochen werde, warum ich gerade hier fahre", sagt er. "Meistens wird aber einfach nur gegrüßt, gelächelt und weitergefahren beziehungsweise gegangen."
So einfach kann ein respektvolles Miteinander funktionieren.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Ingmar Hötschel
- Gespräch mit Benjamin Trotter
- Pressemitteilung PI Miesbach vom 11. und 16. August 2019
- Pressemitteilung Polizeipräsidium Südhessen vom 2. Januar 2020
- Pressemitteilung Polizei Rheinisch-Bergischer Kreis: POL-RBK: Burscheid - Gefährliche Nagelfallen auf Mountainbike-Strecken aufgestellt (20.5.2020)
- Abendzeitung München: Mountainbiker greift Naturschutzbeauftragten an
- Allensbacher Marktanalyse Werbeträgeranalyse AW A 2019
- Oberpfalz aktuell: Draht in 80cm Höhe auf Wanderweg gespannt
- Deutscher Alpenverein: Umweltministerium fördert MTB-Projekt des DAV
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.