Tausende afrikanische Migranten treibt es auf ihrem gefährlichen Weg in Richtung Europa nach Libyen. Nun wurden einige von ihnen Opfer einer tödlichen Attacke im Kampf zwischen General Haftar und der Regierung in Tripolis. Diese spricht bei dem Angriff von einem "Kriegsverbrechen".
Bei einem Luftangriff auf ein mit afrikanischen Migranten überfülltes Lager nahe der libyschen Hauptstadt Tripolis sind nach Behördenangaben am Dienstagabend mindestens 40 Menschen getötet und 80 verletzt worden. Die Attacke in der Nacht zum Mittwoch habe im Vorort Tadschura stattgefunden, sagte der Sprecher der Notfalldienste, Osama Ali.
Es ist der tödlichste Angriff seit der im April angeordneten Offensive des Generals Chalifa Haftar auf Tripolis.
Die Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch machte Haftars Truppen für die Attacke verantwortlich und bezeichnete sie als Teil einer "Reihe von Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Die Vereinten Nationen müssten das "Kriegsverbrechen" untersuchen.
Haftars selbsternannte Libysche Nationalarmee (LNA), die am Montag schwere Angriffe auf Tripolis angekündigt hatte, wies die Vorwürfe zurück und machte die Regierungstruppen verantwortlich.
80 Tote und 40 Verletzte bei Luftangriff auf Flüchtlingslager in Libyen
In dem Lager in Tadschura lebten insgesamt mehr als 600 Migranten unterschiedlicher Nationalitäten, hieß es. In dem getroffenen Lagerteil waren rund 150 männliche Migranten aus verschiedenen afrikanischen Ländern untergebracht, sagte Mabruk Abdel-Hafis, der im Auftrag der Regierung in Tripolis mit Migranten arbeitet.
Im April hatten bewaffnete Männer im Süden von Tripolis bereits ein Migranten- und Flüchtlingslager angegriffen und mehrere Menschen verletzt.
Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR äußerte sich "extrem besorgt" angesichts der Berichte über den Luftangriff. "Zivilisten sollten nie als Ziele genommen werden", twitterte das UNHCR Libyen am frühen Morgen. Videoaufnahmen zeigten schwer verletzte Afrikaner, die nach der Attacke in einem Krankenhaus behandelt werden.
Libyen wichtiges Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa
Libyen ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten und Flüchtlinge aus Afrika auf dem Weg nach Europa. Laut UNHCR werden dort fast 6.000 Menschen in Internierungslagern festgehalten, Tausende weitere leben teils versteckt im Land.
In die Lager kommen alle, die ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgegriffen werden. Dazu gehören auch diejenigen, die die libysche Küstenwache auf Druck der EU bei dem Versuch abfängt, per Boot nach Europa zu gelangen.
In dem ölreichen Land in Nordafrika herrscht acht Jahre nach dem Sturz des Langzeitmachthabers Muammar al-Gaddafi ein blutig ausgetragener Machtkampf, in den sich zahlreiche Länder einmischen. Mit seinem Sturz brach auch die staatliche Ordnung zusammen.
Regionale Milizen, Banden und Islamisten wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nutzten das aus. Bei Kämpfen wurden seit April mehr als 700 Menschen getötet und 4.400 verletzt. Rund 70.000 Menschen wurden durch die Kämpfe vertrieben.
Krieg um die Macht nach Tod von Muammar al-Gaddafi
Mittlerweile beherrscht General Haftar weite Teile des Landes. Er wird vom libyschen Parlament im Osten des Landes unterstützt. Es beansprucht die Macht ebenso für sich wie die in Tripolis ansässige Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch.
Diese wird von den UN unterstützt, hat aber kaum direkte Kontrolle über die Hauptstadt hinaus und stützt sich auf regionale Milizen. Die Aussichten auf eine politische Lösung des Konflikts stehen derzeit sehr schlecht.
Haftar hatte seine Macht zuletzt auch mit Drohgebärden gegen die Türkei demonstriert, die die Sarradsch-Regierung unterstützt. Haftars Truppen hatten türkische Schiffe und Flugzeuge zu "feindlichen Zielen" erklärt, zudem kamen sechs türkische Staatsbürger vorübergehend in die Gewalt von Haftars Truppen. Nach scharfen Drohungen aus Ankara kamen sie wieder frei. © dpa
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