Das Kartell La Familia Michoacana war einmal eines der mächtigsten Mexikos, allerdings verliert es seit einigen Jahren an Bedeutung - nicht erst durch den aktuellen Tod eines seiner Gründer. Doch die kriminelle Organisation ist noch nicht am Ende - anders als mexikanische Sicherheitsbehörden 2011 verkündeten.

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Über die Umstände des Todes von La-Familia-Mitgründer Carlos Rosales Mendoza - alias "El Tísico", der Schwindsüchtige (53), dessen malträtierte Leiche am Montagmorgen an einer Autobahn im Westen Mexikos entdeckt wurde, war zunächst nichts Näheres bekannt.

Außer, dass der Fundort wohl nicht der Tatort war und dass die Leiche Folterspuren und Schussverletzungen aufwies.

Der Fundort liegt im Bundesstaat Michoacán, wo La Familia Michoacana ihren Ursprung hat.

Es wird angenommen, dass sich La Familia Michoacana in den 1980er Jahren als eine Art Bürgerwehr gründete. Sie war längere Zeit mit dem mächtigen Golf-Kartell verbunden und arbeitete mit deren militärischem Arm, Los Zetas, zusammen.

Der Journalist Samuel Logan und John P. Sullivan, Polizist und Spezialist in Sachen Drogenkrieg, schrieben vor einigen Jahren, dass sich La Familia in Sachen paramilitärischer Taktik wohl einige Anregungen von den für ihre Brutalität bekannten Zetas geholt habe - wovon sie dann profitierte, als sie sich vom Golf-Kartell abspaltete.

Pseudoreligiöse Wohltäter

Bei ihrer Gründung propagierte La Familia, Frieden, Ruhe und Ordnung nach Michoacán bringen zu wollen.

Sie gab an, die Interessen der Gemeinschaft vor äußeren Einflüssen schützen zu wollen, engagierte sich sozial und stellte sich als eine Art Robin-Hood-Organisation dar - allerdings als Robin Hood mit brutalen Methoden.

Einen Eindruck von ihrer Grausamkeit bekam die Öffentlichkeit unter anderem 2009, als Mitglieder der Organisation einen Nachtclub stürmten, in die Luft schossen und abgetrennte Köpfe auf die Tanzfläche warfen.

Sie hatten auch eine Botschaft dabei: "Die Familie tötet nicht für Geld. Sie tötet nicht für Frauen. Sie tötet keine Unschuldigen, sondern die, die es verdienen. Das ist von Gott gegebenes Recht."

Der pseudoreligiöse Aspekt war von Beginn an Teil des Programms von La Familia. Einer der Mitbegründer, Nazario Moreno González (genannt "El Más Loco", der Verrückteste), soll eine Art Bibel für die Organisation verfasst haben.

Teil des Programms war aber von jeher auch der Drogenhandel. Die Drogenbekämpfungsbehörde DEA entdeckte im Rahmen von "Projekt Coronado" in den USA von La Familia betriebene Drogenlabore und stellte unter anderem fast zwei Tonnen Kokain und 2.730 Pfund Methamphetamin sicher.

González trieb diesen Teil des Programms weiter voran, als er die Führung von La Familia übernahm. Das war im Jahr 2004, als Mendoza festgenommen und wegen organisierter Kriminalität und Drogenhandels zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde.

Unter González' Führung kam es auch zur Loslösung vom Golf-Kartell.

2010 wurde González angeblich bei einem Feuergefecht mit der Polizei getötet - ein Irrtum, wie sich vier Jahre später herausstellte, als González wirklich bei einem Schusswechsel starb.

Kult um angeblich toten Anführer

Nach seinem angeblichem Tod habe sich ein regelrechter Kult um ihn entwickelt, schrieb Spiegel Online. Aus diesem Kult und dem Streit um seine Nachfolge entstand das Tempelritter-Kartell, das sich in Kleidung und Schriften zum Teil stark an den mittelalterlichen Kreuzzügen und dem Orden der Tempelritter orientierte - aber auch weiterhin an den Methoden eines Kartells.

Zu denen gehörten Schutzgeld-Erpressung, illegaler Handel mit Rohstoffen und die Herstellung synthetischer Drogen.

Ermittler werfen der Organisation auch Handel mit Kinderorganen vor.

Das Tempelritter-Kartell sah sich als Nachfolger von La Familia und kündigte im Sommer 2011 an, die Drogengeschäfte in Michoacán übernehmen zu wollen. Es hängte Plakate auf: "Die Familie ist aufgelöst und wird durch die Tempelritter ersetzt."

Seitdem waren und sind die Tempelritter (Los Caballeros Templarios) in einigen Regionen Mexikos aktiv, vor allem im Norden und im Großraum von Mexiko-Stadt.

La Familia wohl weiterhin aktiv

Allerdings ist ihre Position nach der Festnahme ihres Anführers Servando Gómez Martínez, der auch einer der Mitgründer ist, geschwächt. Er wurde im Februar 2015 von der Polizei geschnappt.

Ein Jahr davor war bereits ein weiteres Gründungsmitglied, Enrique Plancarte Solís, getötet worden.

Die Tempelritter existieren aber weiterhin - ebenso wie offenbar auch La Familia selbst. Zumindest gilt es als widerlegt, dass die Organisation, wie Sicherheitsbehörden damals behaupteten, 2011 zerschlagen wurde.

Erst vor rund eineinhalb Jahren wurde ein Nachfolger Mendozas an der Spitze der Organisation, José María Chávez Magaña, festgenommen.

Jüngste Ermittlungen, hieß es damals, deuteten darauf hin, dass die Gruppe in den Bundesstaaten Guerrero, México und dem Hauptstadtbezirk noch immer aktiv sei.

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