Er soll sich Josie genannt haben und in Santo Domingo in der Dominikanischen Republik jahrelang Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht haben: Der ehemalige Erzbischof Josef Wesolowski, ein Botschafter des Heiligen Stuhls, ist nun von der katholischen Kirche unter Hausarrest gestellt worden. Mit welchen weiteren strafrechtlichen Konsequenzen muss er rechnen?
Gleich in der ersten Anhörung im Prozess gegen den Geistlichen verhängte der Vatikan eine Strafe: Der ehemalige Nuntius ist fortan kein freier Mann mehr, darf seine Bleibe in Vatikanstadt vorerst nicht mehr verlassen. Kurzum: Er steht unter Hausarrest. Eine Haftstrafe konnte derweil vorerst nicht verhängt werden, da Wesolowski Unterlagen vorlegen konnte, nach denen er gesundheitlich angeschlagen sein soll. Dennoch droht ihm Gefängnis, sollte er vom Gericht schuldig gesprochen werden.
Vor gut einem Jahr hatten Polizei und Staatsanwaltschaft in der Dominikanischen Republik wegen des Vorwurfs der Pädophilie gegen den Geistlichen ermittelt, der dort als päpstlicher Gesandter arbeitete. Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, in Santo Domingo Jungen missbraucht zu haben. Der Vatikan, genauer die Kongregation für Glaubenslehre, hatte Wesolowski kurz darauf von seinem Amt abberufen. Im Juni diesen Jahres hatte ihn das Kirchengericht schuldig gesprochen und den Gesandten seines Amtes enthoben. Außerdem hatte der Vatikan angekündigt, ihm den Prozess zu machen. Gegen das Urteil der Glaubenskongregation hatte der 66-Jährige Berufung eingelegt.
Für Laien ist ein solch kirchlicher Strafprozess schwer zu durchschauen. Denn neben dem Vatikan hatten sowohl Polen als auch die Dominikanische Republik angekündigt, einen Prozess anzustrengen. Das Problem: Der Pole Wesolowski ist Staatsbürger im Vatikan, hatte seine Straftaten aber in der Dominikanischen Republik begangen. Von dort hatte ihn der Vatikan frühzeitig abgezogen, eine Auslieferung ist kompliziert.
"Ein so gravierender Fall ist selten"
"Dies ist ein sehr spezieller Fall", sagt Elmar Güthoff, Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität München. Er unterscheidet zwischen zwei in diesem Fall geltenden Rechtsordnungen – der kirchlichen und der staatlichen. "Sexualdelikte von Bischöfen unterstehen im Kirchenrecht grundsätzlich der Gerichtsbarkeit des Papstes", sagt er. Das bedeutet: Der Gerichtshof der Kongregation für Glaubenslehre strengt den Prozess an und kann, wie in diesem Fall geschehen, den Beschuldigten strafweise aus dem Klerikerstand entlassen. "Dabei kann sie die Ortskirche bitten, Beweise zum Prozess beizusteuern", sagt Güthoff. Darüber hinaus können die Länder, in diesem Fall Polen und die Dominikanische Republik, auch eigene zivile Strafverfahren führen.
Die Staatsanwaltschaft von Santo Domingo hat das inzwischen getan und Ende August ein Strafverfahren gegen den Geistlichen eröffnet, nachdem Wesolowskis diplomatische Immunität aufgehoben worden war. Die Ergebnisse des Untersuchungsverfahrens hatten die Justiziare an den Vatikan geleitet.
"Ein so gravierender Fall wie dieser ist selten", sagt Güthoff. Anstelle einer Versetzung aus dem Amt, wie es in weniger schwerwiegenden Fällen in Betracht gezogen wird, ist hier eine Amtsenthebung wahrscheinlich. Die Strafe fällt in einem solchen Fall für den Geistlichen sogar härter aus als für einen weltlichen Straftäter: Er wird seinen Beruf nicht mehr ausüben können.
Dass der Vatikan Wesolowski als Angestellten des Kirchenstaats und Päpstlichen Vertreter im Ausland überhaupt den Prozess machen kann, macht eine Gesetzesnovelle möglich, die Papst Franziskus erst im vergangenen Jahr veranlasst hatte. Sie stellt Kindesmissbrauch im Vatikan erstmals unter Strafe, eine Regelung, ohne die Wesolowski mit seinem Diplomatenstatus in der Dominikanischen Republik unter Umständen sogar straffrei davon gekommen wäre.
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