Gewalt im Tropenparadies: Im französischem Überseegebiet Neukaledonien dauern die Unruhen den dritten Tag in Folge an. Jetzt gibt es Tote.
Bei den schweren Unruhen im französischen Überseegebiet Neukaledonien sind mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen. Das berichteten verschiedene französische Medien unter Berufung auf den Hochkommissar Neukaledoniens, Louis Le Franc. Mehrere hundert Menschen seien bei den gewalttätigen Protesten von Unabhängigkeitsbefürwortern verletzt worden, sagte der französische Innenminister Gérald Darmanin dem Sender RTL.
Eine der Personen sei durch eine Kugel getötet worden, allerdings nicht von einem Polizisten, stellte Darmanin klar. Die genauen Umstände müssten geklärt werden. Zum zweiten Toten gab es zunächst keine Informationen. "Gewalt in einer Demokratie darf es nicht geben. Es muss absolute Ruhe einkehren", forderte Darmanin. Er sprach von Angriffen auf Polizeiwachen mit Äxten und schwerer Munition.
Öffentliches Leben steht still: Flughafen, Schulen, Ämter geschlossen
Mehrere französische Abgeordnete forderten die Ausrufung des Ausnahmezustands. Die Ausgangssperre, die seit Montag gilt, wurde bis Donnerstagmorgen verlängert. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rief für Mittwoch den Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrat ein.
Die gewalttätigen Proteste von Unabhängigkeitsbefürwortern dauern mittlerweile den dritten Tag in Folge an. In der Nacht zum Mittwoch seien mindestens 60 Polizisten verletzt und 130 Menschen festgenommen worden, berichtete der öffentliche Sender 1ère Nouvelle-Calédonie. Laut Augenzeugen lag über der Hauptstadt Nouméa ein beißender Brandgeruch. Der Hauptflughafen La Tontouta, Schulen und öffentliche Dienstleister bleiben bis auf Weiteres geschlossen. Aus Sorge vor Lebensmittelknappheit bildeten sich vor vielen Geschäften lange Schlangen.
In Nouméa gingen zahlreiche Gebäude und Autos in Flammen auf. Wegen der starken Rauchentwicklung sei die Luftverschmutzung erheblich, teilte der Luftüberwachungsverband Scal'Air mit. In einigen Stadtteilen wurde wegen gefährlicher Feinstaubwerte die höchste Alarmstufe ausgegeben.
Geplante Verfassungsreform erzürnt Separatisten
Die Separatisten sind wütend über eine geplante Verfassungsreform der Regierung in Paris, die Tausenden französischen Wählern in dem Inselstaat im Südpazifik das Wahlrecht und somit mehr politischen Einfluss einräumen würde. Nach dem Senat nahm in der Nacht zum Mittwoch auch die Nationalversammlung in Paris den umstrittenen Text an. Jetzt müsse noch der Congrès du Parlement zustimmen, der für besondere Anlässe im Schloss Versailles einberufen wird, berichtete der Sender France24. Ein Datum stehe aber noch nicht fest.
Der französische Präsident Emmanuel Macron lud die politischen Vertreter Neukaledoniens zu einem Treffen in Paris unter Führung von Premierminister Gabriel Attal ein. Die Gespräche sollen voraussichtlich Ende Mai stattfinden.
Ureinwohner von Neukaledonien wollen entgegen Referenden eigenen Staat
Neukaledonien liegt rund 17.000 Kilometer von Frankreich entfernt, ist für Paris aber vor allem geopolitisch, militärisch und wegen der dortigen Nickelvorkommen von Bedeutung. Bei drei Volksabstimmungen 2018, 2020 und 2021 stimmte die Mehrheit der Bewohner für einen Verbleib bei Frankreich. Die Unabhängigkeitsbewegung boykottierte aber das letzte Votum und kündigte an, das Ergebnis nicht zu akzeptieren. Vor allem die Bevölkerungsgruppe der Kanaken – Neukaledoniens Ureinwohner – hofft schon lange auf einen eigenen Staat. Paris hofft derweil, in den kommenden Wochen ein neues Abkommen zu schließen.
Das Territorium mit etwa 270.000 Einwohnern hatte bereits durch das Abkommen von Nouméa 1998 weitgehende Autonomie erlangt. Im Rahmen der Dekolonialisierung Neukaledoniens wurde vereinbart, bis zu drei Abstimmungen über die Unabhängigkeit abzuhalten. Seit dem letzten Votum sind die Fronten aber verhärtet. (afp/dpa/mcf)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.