Es gibt zu wenige Organspender in Deutschland. Um das zu ändern, möchte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nun eine Widerspruchslösung – und dadurch jeden zum Spender machen. Es sei denn, man widerspricht ausdrücklich. In vielen anderen europäischen Ländern ist diese Regelung bereits üblich.
Gerade mal 797 Organspenden gab es im vergangenen Jahr in Deutschland. Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation wurde damit ein neuer Tiefstwert erreicht. Auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hinkt Deutschland hinterher: Auf eine Million Einwohner kommen nur 10,8 tatsächliche Spender. Der EU-Schnitt liegt dagegen bei 19,5.
Allerdings: Laut aktuellen Studien ist die Bereitschaft der Deutschen zur Organspende in den letzten Jahren eigentlich gestiegen.
Eine Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergab beispielsweise, dass immer mehr Deutsche einen Organspendeausweis besitzen: Waren es 2008 noch 17 Prozent, sind es dieses Jahr bereits 36.
Mangelnde Spendebereitschaft sei demnach nicht die Ursache für den Rückgang der tatsächlichen Organspenden.
Auch das "Deutsche Ärzteblatt" publizierte im Juli eine umfassende Analyse verschiedener Mediziner, nach der die Zahl möglicher Organspender seit 2010 zwar anstieg, die Anzahl der ausgeführten Transplantationen allerdings um 30 Prozent abnahm.
Zu wenig Zeit und Geld
Verantwortlich für diesen Rückgang sind laut der Analyse die Krankenhäuser. Sie würden mögliche Organspender immer seltener erkennen und melden. Die Gründe dafür seien sowohl Zeit- als auch Geldmangel.
Um das langfristig zu ändern, hat Bundesgesundheitsminister
Jeder Deutsche soll Organe spenden
Doch das ist Spahn noch nicht genug. "Wir müssen alles versuchen, dass die Zahl der Organtransplantationen wieder steigt", sagte er am Freitag. "Das sind wir den mehr als 10.000 Patienten schuldig, die in Deutschland auf Spenderorgane warten."
Sein Vorschlag: Jeder Deutsche soll nach dem Tod seine Organe spenden. Im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung hat er sich für eine sogenannte Widerspruchslösung ausgesprochen. Konkret bedeutet das: Man gilt automatisch als Organspender – außer, man selbst oder Angehörige widersprechen.
Entscheidung gewünscht
Bisher sind Entnahmen nur möglich, wenn jemand ausdrücklich zustimmt. Deshalb werden alle Personen ab 16 Jahren von ihrer Krankenkasse angeschrieben und zu einer freiwilligen Entscheidung aufgefordert. Um die Entscheidung dokumentieren zu können, stellen die Krankenkassen Organspendeausweise zur Verfügung.
Spenden kann prinzipiell jeder. Es gibt keine Altersgrenzen, da letztendlich der allgemeine Gesundheitszustand entscheidend ist.
Lediglich bei Gewebespenden wie Haut oder Knochen, die ebenfalls mit dem Organspendeausweis geregelt werden, gibt es je nach Gewebe Obergrenzen zwischen dem 65. und 76. Lebensjahr.
Weiteres Ausschlusskriterium sind bestimmte Krankheiten: So können beispielsweise manche Infektionen oder bösartige Krebserkrankungen eine Organspende unmöglich machen.
Deutschland in der Minderheit
Mit dieser Form der Organspende-Regelung ist Deutschland im Europa-Vergleich mittlerweile fast ein Sonderfall: Lediglich in Dänemark, Griechenland, Großbritannien, Litauen, Rumänien und der Schweiz wird man ebenfalls erst nach ausdrücklicher Zustimmung zum Organspender.
23 europäische Länder haben dagegen bereits die Form der Widerspruchslösung. Zuletzt folgten im Februar die Niederlande.
Sollte es auch in Deutschland zu solch einer Neuregelung kommen, "würde der Staat in die Freiheit des Einzelnen eingreifen", so der CDU-Minister gegenüber der "Bild".
Allerdings könnte nur so "die Organspende zum Normalfall werden" – und vielleicht auch eine ähnlich hohe Anzahl an Spenden wie in anderen europäischen Ländern erreicht werden.
Denn: Bisherige Versuche der Politik, die Anzahl der tatsächlichen Organspenden zu steigern, seien leider ohne Erfolg geblieben, erklärte er.
Verwendete Quellen:
- Deutsche Presse-Agentur (dpa)
- "Bild"-Zeitung: Organe spenden soll Pflicht werden
- Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung/Organspende-info.de
- "Ärzteblatt": Krankenhäuser könnten die Zahl der Organspenden maßgeblich steigern
- "Tagesspiegel": Ein Herz für den Nächsten
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