Böse Erinnerungen kehren wieder: Ermittler finden nach einem gescheiterten Überfall auf einen Geldtransporter DNA-Spuren ehemaliger Terroristen der Rote Armee Fraktion. Sie versetzte Deutschland zwischen den 1970er und 1990er Jahren in Angst und Schrecken. Steht die RAF als Organisation vor einem Comeback?
Daniela Klette, Ernst-Volker Wilhelm Staub und Burkhard Garweg. Sie klingen wie gewöhnliche Namen.
Doch dahinter verbergen sich ehemals linksextremistische Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF), nach denen das Bundeskriminalamt (BKA) seit zweieinhalb Jahrzehnten fahndet.
Wie der "NDR" und die "Deutsche Presseagentur" berichten, sollen ihre DNA-Spuren nun am Tatort eines Überfalls auf einen Geldtransporter am 6. Juni in Stuhr bei Bremen gefunden worden sein.
Drei Maskierte hatten mit Schnellfeuerwaffen auf den Transporter geschossen, dessen Panzerung aber nicht durchdrungen.
Der Überfall misslang, die Täter konnten die Türen nicht öffnen. Das BKA wollte die Berichte nicht kommentieren. Doch die Spur führt wohl zur RAF.
Wer war die RAF?
Die RAF war eine linksextremistische Terrorvereinigung. Sie wird für 34 Morde verantwortlich gemacht.
Sie tötete Führungspersönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, deren Fahrer, Polizisten und amerikanische Soldaten. Sprengstoffattentate, Entführungen und Banküberfälle mit mehr als 200 Verletzten werden ihr zugeschrieben.
Nach südamerikanischem Vorbild wurde sie von der "Ersten Generation", Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler und Ulrike Meinhof, als Stadtguerilla gegründet.
Sie hatte sich dem Kampf gegen den bürgerlich-konservativen Staatsapparat verschrieben und angeklagt, dass die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands nicht gründlich aufgearbeitet worden sei.
Eine Kette von Sprengstoffanschlägen im Mai 1972 mit duzenden Schwerverletzten und vier Toten gipfelten am 24. Mai in einem Anschlag mit geschätzt 120 Kilogramm Sprengstoff auf das Hauptquartier der 7. US-Armee in Heidelberg. Drei amerikanische Soldaten wurden getötet.
Der Terror im Deutschen Herbst
Der zwischenzeitliche Höhepunkt war der sogenannte Deutsche Herbst. Vorausgegangen war am 7. April 1977 der in Karlsruhe verübte Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback.
Von einem Motorrad aus erschoss einer von zwei Tätern, die bis heute nicht identifiziert werden konnten, Buback, Fahrbereitschaftleiter Georg Wurster und den Fahrer Wolfgang Göbel in deren Auto.
Beispiellos für die Brutalität der RAF war die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer.
Am 5. September lockten mutmaßlich fünf bis sechs RAF-Mitglieder Schleyer, dessen Fahrer und drei Personenschützer in einen Hinterhalt in Köln-Braunsfeld. Der Tathergang wurde rekonstruiert.
Demnach sprang einer der Täter, Willi-Peter Stoll, nachdem er Schleyers unbewaffneten Fahrer Heinz Marcisz erschossen hatte, auf die Motorhaube des Begleitfahrzeuges und feuerte das restliche Magazin seiner Maschinenpistole durch die Frontscheibe.
Polizist Reinhold Brändle wurde von 60 Kugeln förmlich durchsiebt, seine Kollegen Roland Pieler und Helmut Ulmer wurden ebenfalls mehrmals getroffen und starben.
Helmut Schmidt blieb standhaft
Die Täter wollten elf inhaftierte RAF-Mitglieder freipressen. Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt gab jedoch nicht nach.
Zwischenzeitlich entführten mit der RAF verbündete palästinensische Terroristen die Lufthansa-Maschine "Landshut".
Schmidt ließ diese am 18. Oktober durch die Eliteeinheit "GSG9" in Mogadischu stürmen, wobei die restlichen 86 Geiseln befreit und alle vier Geiselnehmer erschossen wurden.
Als Reaktion darauf nahmen sich die RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Jan-Carl Raspe in der sogenannten Todesnacht von Stammheim in der JVA Stuttgart-Stammheim das Leben, woraufhin die Entführer Schleyer ermordeten.
Auf das Konto der sogenannten Dritten Generation, zu der Klette, Staub und Garweg zählten, sollen bis zu zehn Morde gehen, unter anderem der am damaligen Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, im Jahr 1989.
Klette und Staub werden für den letzten, spektakulären Anschlag der RAF verantwortlich gemacht.
Am 27. März 1993 sprengte ein Terrorkommando die neu erbaute JVA Weiterstadt in Hessen mit 200 Kilogramm Sprengstoff in die Luft.
Verletzt wurde niemand, es blieb ein Bild wie nach einem Bombenangriff.
Seit wann ist die RAF nicht mehr aktiv?
Am 20. April 1998 ging bei der Nachrichtenagentur "Reuters" ein Schreiben ein, in dem die RAF ihre Selbstauflösung erklärte.
Das Schreiben wurde als authentisch eingestuft, konnte aber keinem Absender zugordnet werden. Erste Zweifel wurden 2001 laut.
Unter anderem veröffentlichte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" einen Artikel mit dem Titel "Wiedergeburt der Roten Armee Fraktion?".
Seinerzeit wurde publik, dass Klette und Staub am 20. Juli 1999 in einem spektakulären Überfall auf einen Geldtransport mit einer Panzerfaust und einer Schnellfeuerwaffe eine Million D-Mark erbeutet hatten.
BKA-Beamte konnten den beiden mithilfe neuer DNA-Tests Speichel und Abriebspuren in einer Maske und dem Fluchtfahrzeug zuordnen.
Am 6. Februar 2001 leitete die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen der Gründung einer terroristischen Vereinigung gegen beide ein.
Diese hat bis heute – zumindest offiziell – keinen Namen.
Wie wahrscheinlich ist eine Rückkehr der RAF?
Der damalige Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, Rupert Scholz (CDU), sagte im Mai 2001, dass alle diejenigen eines Besseren belehrt seien, "die voreilig glaubten, dass die RAF aufgegeben" hätte.
Auffallend ist, dass Bundesanwaltschaft und BKA seither kaum Details zu den Ermittlungen gegen Klette und Staub bekannt gaben.
Erst 2007 wurde öffentlich, dass sie den Sprengstoffanschlag in Weitersheim verübt hatten.
Pikant: Wie der "Stern" im selben Jahr berichtete, sollen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und BKA zwischenzeitlich den Aufenthaltsort der beiden gekannt haben.
Fraglich ist, warum die Terroristen, Anfang der 1990er untergetaucht, nie verhaftet werden konnten.
Besorgniserregend: Dem Vernehmen nach gibt es bis heute eine intakte RAF-Logistik mit nie entdeckten Waffendepots.
Klette, Jahrgang 1958, Staub (1957) und Garweg (1968) sind wohl dennoch Einzeltäter. Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund gebe es nicht, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
"Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Tat allein der Finanzierung des Lebens im Untergrund dienen sollte."
Dennoch bereitet eine Parallele Unbehagen: Im Fall des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) brauchten die Behörden Jahre, um diesen als rechtsterroristische Terrorzelle zu identifizieren - und ihm eine Mordserie zuzuordnen.
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