Als selbsterklärter "Messias" soll ein Mann in Spanien Dutzende Anhänger um ihr Hab und Gut betrogen haben. Die Polizei fand bei Durchsuchungen viele Waffen und Bargeld. Trainings an Schießständen gehörten offenbar zum Alltag der Vereinigung.

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Die Polizei hat in Spanien eine sektenartige und schwer bewaffnete Vereinigung ausgehoben. Drei Menschen seien festgenommen worden, gegen acht weitere Personen werde ebenfalls unter anderem wegen organisierter Kriminalität, Betrug, Nötigung und Körperverletzung ermittelt, teilte die Polizeieinheit Guardia Civil mit.

Die Bande mit Sitz in der Provinz Cáceres im Westen des Landes unweit der Grenze zu Portugal habe zahlreiche Kriegs- und andere Waffen sowie Munition gehortet. Die Guardia Civil identifizierte nach eigenen Angaben bereits mehr als hundert Opfer, die um insgesamt mindestens eine Million Euro betrogen worden seien. Der Hauptanführer habe die Opfer dazu gebracht, ihr Vermögen zu verkaufen und den Erlös an die Vereinigung zu spenden. "Ein großer Teil der Einnahmen wurde in Waffen investiert", hieß es. Man vermute viel mehr Opfer, die sich bisher wohl aus Angst nicht gemeldet hätten.

Am Wochenende an Schießständen trainiert

Die Guardia Civil fand demnach mehr als 80 Waffen im Wert von mindestens 73.000 Euro. Die Vereinigung habe ihre Mitglieder davon überzeugt, so viele Waffenlizenzen wie möglich zu erwerben, vor allem für Kurzwaffen. Zudem seien Schalldämpfer für Langwaffen und 7.600 Metallpatronen unterschiedlichen Kalibers konfisziert worden. Die Zeitung "ABC" berichtete unter Berufung auf die Ermittler, dass Anhänger, die in der Nähe des Sektenführers und dessen Familie wohnten, an Wochenenden gemeinsam an Schießständen trainiert hätten.

Bei Durchsuchungen verschiedener Wohnungen seien außerdem Bargeldbeträge in Höhe von mehr als 64.000 Euro sowie Mobiltelefone, Tablets und Computer im Wert von rund 20.000 Euro gefunden und sichergestellt worden. Man habe auch zahlreiche Bankkonten gesperrt, hieß es.

Die Ermittler fanden unter anderem große Mengen an Bargeld. © Guardia Civil de la Comandancia de Cáceres

Spanische Medien berichteten unter Berufung auf die Ermittler, der Sektenführer habe sich als "Messias" bezeichnet, der seit einer Nahtoderfahrung angeblich "täglich mit Jesus gesprochen" habe. Der Mann, der auch Bücher geschrieben und Vorträge gehalten habe, sei im Januar, als die Ermittlungen bereits eingeleitet worden seien, einem Herzinfarkt erlegen.

Die Witwe habe die Aktivitäten der Vereinigung weitergeführt, berichtete unter anderem die Zeitung "ABC". Sie sei eine der drei festgenommenen Personen, die zwei anderen seien der gemeinsame Sohn sowie die rechte Hand des Sektenführers, ein Taxifahrer aus Córdoba. Laut der Guardia Civil wurden die Ermittlungen eingeleitet, nachdem mehrere ehemalige Mitglieder in Jaén Anzeige erstattet hatten.

Sektenführer behauptete: "Die Mächtigen könnten über uns herfallen"

Die Vereinigung "Ahora estás en casa" (zu Deutsch: "Jetzt bist du zu Hause") kontaktierte ihre Opfer den Berichten zufolge unter anderem über soziale Netzwerke, vor allem YouTube. Die Botschaft von Jesus Christus sei von einem Aufruf zur Selbstverteidigung begleitet worden, schrieb "ABC".

"Wir müssen vorbereitet und bewaffnet sein, denn wir senden eine Botschaft, die die Kirche nicht will und die die Welt nicht will. Die Mächtigen könnten über uns herfallen", habe der Chef seinen Anhängern eingebläut. Demnach behauptete er, dass man es auf ihn abgesehen habe und dass der Zeitpunkt kommen könnte, an dem sie sich bewaffnet in seinem Haus verbarrikadieren müssten.

Die Vereinigung gab derweil auf ihrer Webseite die "vorläufige Einstellung" ihrer Aktivitäten bekannt. Es sei deshalb nicht mehr möglich, weiterhin Geld auf Bankkonten zu spenden oder Gegenstände zu kaufen. Zu den Vorwürfen der Behörden gab sie in ihrem Communiqué keine Stellungnahme ab. "Wir bleiben geeint und tragen zur Aufklärung aller Ereignisse bei", teilte "Ahora estás en casa" weiter mit. "Wir entschuldigen uns bei denjenigen, denen wir vorübergehend aufgrund der Umstände keine Hilfe leisten können."

Experte weist auf "immenses Gefahrenpotenzial" hin

"Wir stehen einer weiteren der Hunderten von New-Age-Sektengruppen gegenüber, die es in unserem Land gibt", sagte der spanische Theologe Luis Santamaría del Río dem Onlinemedium "Libertad Digital" über den Fall. Es gebe "kontinuierliche Bezüge zu Jesus und Gott", was einen christlichen Anstrich darstelle, der für manche Menschen attraktiv sein könne, erklärte er weiter. Gemischt werde dies "mit Themen der Heilung oder sogar Tarot".

Events wie Esoterikmessen seien eine "Rekrutierungsplattform für verschiedene Sekten, Pseudotherapien und Betrügereien", kritisierte der Theologe. Der Sektenführer von "Ahora estás en casa" habe Vorträge in öffentlichen Bibliotheken und Kulturzentren gehalten. "Es ist eine Schande, dass von öffentlichen Verwaltungen betriebene Räume als Rekrutierungsgebiet für Sekten wie diese dienen."

Besonders besorgniserregend sei in diesem Fall der Besitz der großen Menge an Waffen. "Ich glaube, dass sich weder die Gesellschaft im Allgemeinen noch die öffentlichen Verwaltungen im Besonderen des immensen Gefahrenpotenzials bewusst sind, das von diesen Gruppen ausgeht", betonte Luis Santamaría del Río.

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