Am 3. Juni 1998 verunglückt der Schnellzug ICE 884 "Wilhelm Conrad Röntgen" auf der Strecke Hannover-Hamburg in der Nähe der niedersächsischen Gemeinde Eschede. 101 Menschen sterben, 88 werden verletzt. Eschede ist das schwerste Zugunglück in der deutschen Nachkriegsgeschichte und der bislang schwerste Unfall eines Hochgeschwindigkeitszuges weltweit. In der Vergangenheit haben sich immer wieder tragische Zugunglücke ereignet. Die folgenden Zugkatastrophen in Deutschland sind die schwersten der letzten 40 Jahre.
6. Juli 1967: Langenweddingen (Sachsen-Anhalt) – Zusammenstoß mit einem Tanklaster - 94 Tote, 54 Verletzte
In dem südlich von Magdeburg gelegenen Dorf Langenweddingen rast ein Zug auf einem Bahnübergang ungebremst in einen beladenen Minol-Tanklaster. Durch den Aufprall wird der Tanklaster gegen eine Seite des Zuges geschleudert. Der Tank zerplatzt und 15.000 Liter Benzin verteilen sich über die ersten beiden Waggons und den Bahnhof. Das Benzin explodiert.
Die Feuerwehr ist nach einer halben Stunde am Einsatzort, eine Viertelstunde später ist der Brand gelöscht. Nach offiziellen Angaben kommen 94 Menschen in dem Doppelstockzug der Deutschen Reichsbahn ums Leben - überwiegend Kinder, die an ihrem ersten Ferientag auf dem Weg in ein Ferienlager waren. Die Rettungskräfte bezweifeln die offiziell angegebene Zahl der Opfer: Sie vermuten bis zu 140 Todesopfer.
Sechs Monate nach dem Unglück wird am 28. Dezember 1967 in der DDR eine neue "Transportordnung für gefährliche Güter (TOG)" verkündet. Sie tritt am 1. März 1968 in Kraft. Die Schließzeiten für Bahnschranken werden in der gesamten DDR deutlich ausgedehnt, Personenbusse und Gefahrguttransporter müssen darüber hinaus auch vor geöffneten Bahnübergängen vor dem Überqueren der Gleise anhalten.
Das Zugunglück gilt als das schwerste in der Geschichte der DDR und als einer der folgenschwersten Gefahrgutunfälle der deutschen Geschichte.
27. Mai 1971: Radevormwald (Nordrhein-Westfalen) – Frontalzusammenstoß zwischen einem Schienenbus und einem Güterzug - 46 Tote, 25 Verletzte
Auf der eingleisigen Strecke Wuppertal–Radevormwald stößt kurz vor dem Bahnhof Dahlerau ein Schienenbus frontal mit einem Güterzug zusammen. Die Lok des Güterzuges hat das fünffache Gewicht des Schienenbusses. Durch die Wucht des Aufpralls wird der Motorwagen des zweiteiligen Schienenbusses auf ein Drittel seiner Länge zusammengepresst.
46 Menschen sterben, darunter 41 Schülerinnen und Schüler einer Abschlussklasse aus Radevormwald. 25 Menschen werden verletzt. Der Schienenbus war speziell für die Schulkinder als Sonderzug eingesetzt worden.
Der Fahrdienstleiter in Dahlerau sagte im Nachhinein, er habe Rot signalisiert. Der Lokführer sagt, er habe Grün gesehen. Sofort nach der Durchfahrt und noch vor dem Zusammenstoß, alarmierte der Fahrdienstleiter die Rettungskräfte. Doch es gab keine Möglichkeit, den Lokführer anzufunken und zu warnen.
Nach dem tragischen Unglück werden neue, verbesserte Sicherheitsregeln erlassen, die der Vermeidung von Falschsignalen dienen. Züge, die laut Fahrplan in einem Bahnhof durchfahren, werden seit dem Unfall bereits vor dem Einfahrsignal angehalten, wenn außerplanmäßig ein Halt im Bahnhof nötig sein sollte. Die Ausrüstung mit Sprechfunk, über den man die Unglückszüge noch rechtzeitig hätte warnen können, wird seit Radevormwald von der Bundesbahn verstärkt vorangetrieben.
21. Juli 1971: Rheinweiler (Baden-Württemberg) – D-Zug entgleist - 23 Tote, 121 Verletzte
In Rheinweiler bei Freiburg im Breisgau entgleist der D-Zug 370 "Schweiz-Express" von Basel nach Kopenhagen um 13:10 Uhr in einer Kurve. Der Schnellzug stürzt eine Böschung hinab und zerstört dabei ein Einfamilienhaus. 23 Menschen werden getötet, 121 verletzt.
Die in einer Kurve zulässige Geschwindigkeit von 75 km/h wird entweder durch menschliches oder technisches Versagen um das Doppelte überschritten: Der Zug fährt mit 140 km/h in die Kurve und entgleist. Vermutet wird, dass der plötzliche Schaltwerkshochlauf und die daraus resultierende erhöhte Geschwindigkeit entweder durch einen Defekt in der AFB (Automatische Fahr- und Bremssteuerung) der E-Lok der Baureihe 103 oder durch eine Dienstunfähigkeit des Lokführers verursacht wurde.
Als Folge dieses Unfalls werden bei der damaligen Deutschen Bundesbahn Langsamfahrstellen mit der sogenannten punktförmigen Zugbeeinflussung ausgerüstet: Durch diese Technik werden Züge bei drohender Gefahr automatisch zwangsgebremst.
Die Reaktionszeiten des sogenannten "Totmannkopfes", der Sicherheitsfahrschaltung, werden verkürzt. Heute gilt: Der Lokführer hält ein Pedal oder einen Schalter 30 Sekunden lang gedrückt. Dann muss er den Druck kurz unterbrechen und den Schalter erneut 30 Sekunden drücken. Dadurch erhält der Zug die Bestätigung, dass der Lokführer noch reagieren kann. Bleibt dieses Signal nach 30 Sekunden aus, warnt das System den Lokführer: Zunächst optisch, 2,5 Sekunden später auch akustisch. Reagiert der Lokführer nach weiteren 2,5 Sekunden nicht, wird der Zug angehalten.
Nach dem Unfall von Rheinweiler fällt der Bundesgerichtshof zudem im Bezug auf die Pflichten zur Sicherung des Eisenbahnverkehrs ein grundlegendes Urteil.
8. Juni 1975: Warngau (Bayern) – Frontalzusammenstoß zweier Eilzüge - 41 Tote, 122 Verletzte
Zwischen Lenggries und München stoßen auf einem eingleisigen Streckenabschnitt bei Warngau zwei Eilzüge frontal zusammen. 41 Menschen sterben, 122 werden verletzt. Unglücksursache ist menschliches Versagen in Kombination mit technisch veralteten Sicherheitsstandards.
Ein Fahrdienstleiter schickt fälschlicherweise seinen Zug auf den eingleisigen Streckenabschnitt, auf dem sich bereits der Gegenzug befindet. Das war nur möglich, weil es damals auf dieser Strecke keinen sogenannten "Streckenblock" gab. Ein Streckenblock sichert den Zugverkehr auf freien Strecke: Auf zweigleisigen Strecken gegen einen nachfolgenden Zug, auf eingleisigen Strecken sowohl gegen einen nachfolgenden und einen entgegenkommenden Zug.
Begünstigt wird das Unglück zudem durch eine Eigentümlichkeit des Fahrplans: In ihm ist nicht eindeutig vorgeschrieben, an welchem Bahnhof sich die Züge zu begegnen haben, sondern er sieht formal eine Kreuzung auf freier Strecke vor. Diese so genannte Luftkreuzung soll den Fahrdienstleitern gestatten, den Ort, an diem sich die Züge kreuzen, je nach aktuellem Zuglauf flexibel wählen zu können.
Doch das "Zugmeldeverfahren" - die fernmündliche Absprache zur Koordination des Zugverkehrs zwischen zwei Fahrdienstleitern - wird nicht vorschriftsmäßig durchgeführt. Wie eine Auswertung der Sprachspeicher im Stellwerk später ergab, reden die Fahrdienstleiter von Warngau und Schaftlach im entscheidenden Moment vor dem Unglück aneinander vorbei: Jeder will seinen Zug anbieten, und jeder ist der Meinung, der Gesprächspartner habe die Annahme bestätigt.
2. Februar 1990: Rüsselsheim (Hessen) – Zusammenstoß zweier S-Bahnen - 17 Tote, 80 Verletzte
In der Nähe von Rüsselsheim ereignet sich eines der schwersten Zugunglücke im Rhein-Main-Gebiet: Eine S-Bahn aus Frankfurt am Main stößt mit einer aus Wiesbaden kommenden S-Bahn zusammen und entgleist. Dabei sterben 17 Menschen, über 80 werden zum Teil schwer verletzt.
Ein Triebfahrzeugführer hatte bei der Ausfahrt ein Halt zeigendes Signal übersehen. Aufgrund der langen Beschleunigungsstrecke bis zum Signal reichte der hinter dem Signal freigehaltene Durchrutschweg nicht mehr aus, um die Kollision zu verhindern.
15. November 1992: Northeim (Niedersachsen) - Zusammenstoß mit einem entgleisten Zug - 11 Tote, 52 Verletzte
Im niedersächsischen Northeim führt eine Verkettung mehrerer Unfälle zu einer Tragödie: Von einem Güterzug fällt zunächst ein Puffer ab, der den Zug zum Entgleisen bringt. Einer der Güterwagen löst sich, rollt auf das Gleis des Schnellzuges und kommt dort zum Stehen. Der herannahende Schnellzug München-Kopenhagen rast trotz der Notbremsung des Lokführers in das stehende Hindernis. Elf Menschen sterben, 52 wurden verletzt.
Zwölf Minuten später sind die ersten Retter am Unfallort. In den eingedrückten Waggons wimmern Verletzte. Zwei Waggons sind auf die Bundesstraße 241 gestürzt. Bis zu 500 Helfer bemühen sich, die Opfer aus den teilweise völlig zerfetzten Waggons zu befreien.
Spätere Untersuchungen ergeben: Hätte der Fernschnellzug nach Kopenhagen den Northeimer Bahnhof nur 30 Sekunden später passiert, wäre die Katastrophe zu verhindern gewesen. Der Schnellzug hätte dann noch an einem Signal gestoppt werden können.
3. Juni 1998: Eschede (Niedersachsen) – ICE entgleist - 101 Tote, 88 Verletzte
Am 3. Juni 1998 entgleist auf der Bahnstrecke Hannover–Hamburg bei Eschede (Niedersachsen) der ICE 884 "Wilhelm Conrad Röntgen". 101 Menschen verlieren ihr Leben, 88 werden schwer verletzt. Eschede ist das schwerste Zugunglück in der deutschen Nachkriegsgeschichte und in der Geschichte aller Hochgeschwindigkeitszüge weltweit.
Die Tragödie von Eschede wird durch einen Radreifen ausgelöst: Am 3. Juni 1998 um 10:55 Uhr wickelt er sich bei einer Geschwindigkeit von über 200km/h ab, bohrt sich durch den Boden des ersten Wagens und bleibt stecken. Drei Minuten später reißt der Radreifen an zwei aufeinanderfolgenden Weichen ein Weichenstück aus dem Boden, das sich ebenfalls in den Zug bohrt. Gleichzeitig wird die zweite Weiche umgestellt.
Durch die Umstellung der Weiche wird der Wagen 3 des ICE auf ein Nebengleis gelenkt, entgleist und schlägt gegen einen Brückenpfeiler. Die rund 200 Tonnen schwere Brücke bricht über der zweiten Hälfte des fünften Wagens zusammen und zerquetscht ihn. Der Speisewagen, in dem sich das Bord-Restaurant befindet, wird durch herabstürzende Teile auf 15 cm zusammengepresst.
Die folgenden Waggons werden im Zick-Zack auf engstem Raum zusammengeschoben: Wagen 6, Wagen 7, der Servicewagen, der Speisewagen und die drei Wagen 10 bis 12 werden schwer beschädigt. Der hintere ICE-Triebkopf entgleist und rast in den Trümmerberg.
Der ICE 884 "Wilhelm Conrad Röntgen" entgleiste bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h. Die meisten Opfer waren aufgrund der abrupten Abbremsung von 200 auf 0 km/h sofort tot: Die Kräfte, die auf die Passagiere wirkten, entsprechen einem ungebremsten Sturz aus 160 m Höhe.
Rund 1.200 Helfer des Rettungsdienst, der Feuerwehr, des Technischem Hilfswerk und der Polizei und der Bundeswehr sowie 37 Unfallchirurgen kommen in Eschede zum Einsatz.
Der Unfall hatte weitreichende Konsequenzen:
Die Bahn gründete einen Hilfsfonds und leistete bis 2008 nach eigenen Angaben 32 Millionen Euro an Entschädigungsleistungen. Innerhalb weniger Wochen tauschte das Unternehmen alle gummigefederten Räder durch Vollstahlräder aus. Räder mit Radreifen werden von der Bahn bis heute nicht mehr eingesetzt.Das gesamte Bahnnetz in Deutschland wurde auf Weichen untersucht, die vor kritischen Engstellen liegen. Bei Neubauten wird darauf geachtet, vor Brücken und ähnlichen Objekten keine Weichen mehr einzubauen.
Die auffälligste Veränderung an vielen ICE 1 ist die große Zahl zusätzlicher Notausstiegfenster, die durch eine mit einem roten Punkt markierte Sollbruchstelle leicht von innen und außen eingeschlagen werden können.
6. Februar 2000: Brühl (Nordrhein-Westfalen) – D-Zug entgleist - 9 Tote, 150 Verletzte
Um 00:12 Uhr wechselt der D-Zug 203 von Amsterdam in Richtung Basel kurz nach Verlassen des Kölner Hauptbahnhofs wegen einer Baustelle auf das Gegengleis.
Obwohl hier nur eine Geschwindigkeit von 40 km/h erlaubt ist, fährt der Zug mit 122 km/h über die Weiche Nr. 48 im Bahnhof Brühl. Der Zug entgleist. Die Lok rast in ein angrenzendes Wohnhaus, die ersten Waggons stürzen einen Abhang hinunter. Neun Menschen sterben, 52 werden schwer verletzt.
Im Bahnhof werden danach die das Unglück auslösenden Weichen und Gleise entfernt. Insgesamt setzen die Feuerwehren, die Hilfsorganisationen und das THW 847 Helfer ein. Die Polizei und der Bundesgrenzschutz stellen 300 Beamte vor Ort zur Hilfeleistung ab.
11. Juni 2003: Schrozberg (Baden-Württemberg) – Frontalzusammenstoß zweier Regionalzüge - 6 Tote, 25 Verletzte
Auf der Taubertalbahn stoßen um 12:15 Uhr auf einem eingleisigen Streckenabschnitt zwischen Niederstetten und Schrozberg der RegionalExpress 19533 von Aschaffenburg nach Crailsheim und der Gegenzug RegionalExpress 19534 frontal zusammen. Sechs Menschen sterben, 25 werden verletzt.
Unfallauslöser ist die technische Störung eines Eisenbahnsignals. Die Störung wird vom Fahrdienstleiter in Niederstetten fälschlicherweise für eine Störung an einem Bahnübergang gehalten. Deswegen wird der Verkehr im Zugmeldeverfahren abgewickelt. In dessen Verlauf lässt der Fahrdienstleiter in Schrozberg den Zug 19534 zu früh auf den Streckenabschnitt Schrozberg–Niederstetten fahren, obwohl dort bereits der RE 19533 aus Richtung Aschaffenburg naht.
Der Fahrdienstleiter in Schrozberg erkennt im Ferngespräch mit seinem Kollegen in Niederstetten noch, dass sich die Züge auf Kollisionskurs befinden. Er kann die Züge aber nicht mehr warnen - diese Strecke ist nicht mit Zugfunk ausgerüstet.
22. September 2006: Lathen (Niedersachsen) – Auffahrunfall - 23 Tote, 11 Verletzte
Auf der Transrapid-Versuchsstrecke im Emsland fährt gegen 9:30 Uhr ein mit 31 Fahrgästen besetzter Zug mit ca. 180 km/h auf einen mit zwei Mitarbeitern besetzten Werkstattwagen zur Streckenreinigung auf. 23 Menschen werden getötet, 11 schwer verletzt.
Der Werkstattwagen sowie der vordere Teil der Magnetschwebebahn wurden durch den Aufprall völlig zerstört. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, dass menschliches Versagen zu diesem Unglück geführt habe. Der Unfallzug wurde zwischen dem 6. und 8. November geborgen. Seit dem Unfall von 2006 ruht der Versuchsbetrieb.
29. Januar 2011: Hordorf (Sachsen-Anhalt) - Zusammenstoß eines Personalzuges mit einem Güterzug - 10 Tote, 23 Verletzte
Ein Personenzug des HarzElbeExpress (HEX) stößt um 22:24 Uhr auf einem einen eingleisigen Streckenabschnitt mit einem Güterzug zusammen. Der Unfall ereignet sich kurz vor der Haltestelle Hordorf. Zehn Menschen sterben, 23 werden zum Teil schwer verletzt.
Die Ursache für den Zusammenstoß ist unbekannt, allerdings wird menschliches Versagen nicht ausgeschlossen. Gegen den Güterzugführer wird ermittelt, da er offenbar zwei Lichtsignale nicht beachtet hat. Zum Zeitpunkt des Unfalls hat zudem dichter Nebel die Sicht beeinträchtigt.
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