Die Temperaturen in Deutschland steigen im Sommer immer häufiger über die Marke von 30 Grad. Amtsärzte schlagen deshalb Alarm und raten dringend zu Anpassungen im Arbeitsleben – darunter Hitzepausen, Luftduschen und eine Mittagsruhe nach dem Vorbild südlicher Länder.
Früh aufstehen und in den kühlen Morgenstunden arbeiten, mittags dann eine längere Pause, um den heißen Temperaturen zu entgehen und auszuruhen. In südlichen Ländern ist diese Arbeitsweise längst gang und gäbe. Doch würde dieses System auch in Deutschland Sinn machen? Experten sind von der Wirksamkeit der Siesta überzeugt und plädieren angesichts der immer weiter steigenden Sommertemperaturen auch für eine Einführung in die deutsche Arbeitswelt – zumindest zeitweise.
"Wir sollten uns bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags Siesta machen, ist ein Konzept, das wir in den Sommermonaten übernehmen sollten", erklärt der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nießen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Flexibilität des Arbeitgebers gefragt - nicht nur bei den Arbeitszeiten
"Bei starker Hitze sind Menschen nicht so leistungsfähig wie sonst. Schlechter Schlaf bei fehlender Abkühlung in der Nacht führt zusätzlich zu Konzentrationsproblemen." Komplexe Arbeitsanforderungen sollte man daher lieber in die frühen Morgenstunden verschieben, ergänzte der Mediziner.
"Zudem braucht es ausreichend Ventilatoren und leichtere Kleidung, auch wenn die Kleiderordnung im Büro das nicht erlaubt."
Wichtig sei auch, grundsätzlich viel mehr zu trinken und leichtes Essen in mehreren kleineren Portionen zu sich zu nehmen. "Ein kaltes Fußbad unter dem Schreibtisch wäre eine weitere Möglichkeit, um im Homeoffice für Abkühlung zu sorgen", sagte Nießen.
Luftduschen und Hitzepausen bei hohen Temperaturen
Das DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel forderte die Arbeitgeber derweil auf, während der Sommermonate regelmäßig Hitze-Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen, um Arbeitsschutz während hoher Temperaturen zu gewährleisten. "Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten vor Hitze schützen – Arbeit bei Hitze ist für Beschäftigte belastend und gefährdet im schlimmsten Fall ihre Gesundheit", so Piel. "Gefährdungsbeurteilungen sind Grundlage für passgenauen Schutz."
Diese seien immer noch kein Standard in Betrieben. Piel sprach von einem "Versäumnis der Arbeitgeber, das angesichts des Klimawandels und der extrem heißen Sommer vollkommen inakzeptabel ist". Sie forderte zudem, Büroräume mit Temperaturen von mehr als 35 Grad zu schließen, sofern der Arbeitgeber keine Hilfsmittel wie Luftduschen anbietet.
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Als Luftdusche bezeichnet man eine auf eine begrenzte Fläche gerichteten Luftstrom. Im Arbeitsalltag wäre dies beispielweise eine Kabine oder Schleuse, die die Mitarbeitenden einzeln betreten und hinter sich verschließen. Anschließend wird ein Ventilator eingeschaltet und reine Zuluft mit hoher Geschwindigkeit und starkem Impuls ausgeblasen. Dadurch wird in kürzester Zeit eine starke Abkühlung erreicht.
DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel plädiert weiterhin dafür, "Wärmequellen wie Drucker und Kopierer aus Arbeitsräumen zu entfernen". Auch das Thema Sonnenschutz im Büro würde nach wie vor häufig vernachlässigt, hier würden Jalousien eine besonders wichtige Rolle spielen. Generell müsse der Arbeitgeber bei Temperaturen über 26 Grad für Abkühlung und Entlastung sorgen: "Klettert das Thermometer auf über 30 Grad, müssen Arbeitgeber Belastungen verringern."
Lauterbach unterstützt Siesta-Vorschlag
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unterstützt die Forderung, in Deutschland eine Siesta nach südeuropäischem Vorbild einzuführen. "Siesta in der Hitze ist sicherlich kein schlechter Vorschlag", schrieb er am Dienstag auf Twitter. "Das sollten aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst aushandeln." Medizinisch sei eine solche Maßnahme "sicher für viele Berufe sinnvoll".
Fest steht: Der Klimawandel hat schon jetzt Einfluss auf Arbeitsleben und Leistungsfähigkeit. Ob Arbeitnehmende in Zukunft mittags Siesta halten werden und vor allem dürfen, steht aktuell zwar noch nicht fest – doch dass dringender Handlungsbedarf besteht, steht außer Frage. (AFP/dpa/lag)
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