Singapur (dpa) - Graffiti sprühen, wo es strengstens verboten ist: Singapur macht mit zwei Leipzigern deshalb jetzt kurzen Prozess. Höchstens ein paar Stunden soll die Verhandlung am Donnerstag dauern. Den jungen Männern drohen als Strafe Stockschläge auf den nackten Po.
Vielleicht war es eine Mutprobe, was zwei Leipziger da in Singapur versucht haben: den strengen Stadtstaat in Asien austricksen, der alles reglementiert und so viel verbietet. Sie sprühten vergangenen November bei Nacht und Nebel Graffiti auf einen U-Bahnwagen und hauten ab ins Nachbarland. Doch blieben die Singapurer ihnen auf der Spur: sie ließen die beiden in Malaysia verhaften und blieben unerbittlich: Anklage, Untersuchungshaft, und, wenn die beiden Pech haben, bald die Prügelstrafe.
Was den 21 und 22 Jahre alten Männern jetzt durch den Kopf geht, ist schwer zu sagen. Die beiden hätten ihm strikte Anweisung gegeben, nicht über ihren Gemütszustand zu reden, sagte Anwalt Christopher Bridges. Das Gesetz gegen Vandalismus hat ein einziges Schlupfloch: wenn die Farbe leicht abwaschbar war, könnte bei Ersttätern auf die Prügelstrafe verzichtet werden. Graffiti-Spray gilt als eher schlecht abwaschbar. Ein Schweizer erfuhr 2010 auch keine Gnade: fünf Monate Haft und drei Schläge bekam er für exakt das gleiche Vergehen.
Prügelstrafe als "angemessene Abschreckung"
Was den beiden blüht, hat der Bangladescher Forhad Mridha vor kurzem so geschildert: Mit einem Stock aus Peddigrohr haut der Vollstrecker auf den nackten Po. Vor Mitgefangenen und Gefängnispersonal müssen die Verurteilten dafür die Hose runterlassen. "Eine Woche hat es höllisch weg getan", sagte der Mann, der bestraft wurde, weil er nach Ablauf seines Visums in Singapur geblieben war.
Von Rauschgifthandel bis Unruhestiftung: Singapur hält die Prügelstrafe bis heute für eine angemessene Abschreckung für alle Art von Vergehen. Den Leipzigern wird Vandalismus vorgeworfen, dafür gibt es seit 1966 Stockschläge. "Leider haben wir eine Gesellschaft, die nur zwei Sachen versteht: Zuckerbrot und Peitsche", sagte der damalige Regierungschef Lee Kuan Yew damals. Die Begeisterung, den Staat mit Gesetzesverstößen herauszufordern, lasse sicher schnell nach: "Man bekleckert sich kaum mit Ruhm, wenn man so etwas Beschämendes wie die Prügelstrafe über sich ergehen lassen muss."
Ob die Abschreckung funktioniert, bezweifelt Jack Lee, Jurist an der Singapore Management-Universität. Es gebe keine Studien dazu, ob die Androhung der Prügelstrafe Leute zurückhält. "Gefasst, verurteilt und geprügelt zu werden - daran denken Leute doch gar nicht, die Vandalen doch gar nicht, wenn sie etwas Illegales machen", sagt er.
Umfragen, wie die Singapurer die Prügelstrafe sehen, gibt es nicht. Das ganze ist kein Thema in dem reichen Stadtstaat. Es gehört zum Alltag. Eliteschulen wie die Ango-Chinese School brüsten sich mit ihren harten Strafen: "Schwere Strafe für Schulschwänzer oder aufmüpfige Missetäter: etwa Stockschläge", steht auf ihrer Webseite. "Disziplin ist das Wichtigste", beschied 2010 der für Schulen zuständige Direktor im Bildungsministerium, Wong Siew Hoong. "Wo nötig, wird körperliche Züchtigung angewendet."
Der reiche Unternehmer Ho Kwon Ping findet, Singapur könne die Zügel mal langsam locker lassen. "Das war vielleicht im letzten Jahrhundert die Norm, aber in der Ersten Welt, in der wir ja wohl angekommen sind und zu der wir weiter gehören wollen, gilt (die Prügelstrafe) als grausame und verhältnismäßige Strafe", schreibt er in der "Straits Times" zum bevorstehenden 50. Jahrestag der Unabhängigkeit. Er ist dafür, die Strafe auszusetzen. "An diesem Meilenstein unserer nationalen Reise sollten wir den moralischen Mut haben, die Nachhaltigkeit alter Ideen in Frage zu stellen und nach einer höheren Ebene der menschlichen Entwicklung streben."
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