Die Zahl der unter Extremismusverdacht stehenden Bundeswehrangehörigen ist im vergangenen Jahr gesunken.
Der Militärische Abwehrdienst (MAD) zählte 241 neue Verdachtsfälle, deutlich weniger als die 688 im Jahr 2021, wie die Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle (KfE) im Bundesverteidigungsministerium am Freitag mitteilte. Am 31. Dezember 2022 waren beim MAD demnach 962 Verdachtsfälle in Bearbeitung - ein Jahr zuvor waren es 1452 gewesen.
Der größte Teil der neuen Fälle entfiel 2022 laut dem KfE-Jahresbericht auf mögliche Rechtsextremisten: Dies waren 163 Verdachtsfälle. Mit weitem Abstand folgte auf Platz zwei der Bereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" mit 32 Verdachtsfällen. Hier werden verschiedene extremistische Bestrebungen eingeordnet, etwa "im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie" oder in Form von "Sympathiebekundungen für Russland in einem antiwestlichen, insbesondere anti-amerikanischen Zusammenhang". Bis zum Jahr 2021 war dieser Bereich dem Rechtsextremismus zugeordnet und nicht einzeln ausgewiesen worden.
Der MAD prüfte 2022 außerdem 19 mögliche neue Fälle von Islamismus, elf mögliche "Reichsbürger/Selbstverwalter", neun Verdachtsfälle im Bereich Ausländerextremismus, sechs potenzielle Linksextremisten und einen möglichen Anhänger von Scientology. Die Zahlen beziehen sich auf sämtliche Geschäftsbereiche des Bundesverteidigungsministeriums.
Zu den Gründen für den Rückgang der Verdachtsfälle erklärte die KfE: "Die Gründe dafür sind vielschichtig." Bis 2021 waren auch sogenannte Prüfoperationen mitgezählt worden - dabei untersucht der MAD aber nur, ob er sich mit dem fraglichen Fall überhaupt näher beschäftigen soll. Solche Vorgänge werden nun gesondert dargestellt.
"Dieser Umstand allein ist jedoch nicht ausschlaggebend", betonte die KfE. Als weitere mögliche Gründe für den Rückgang werden unter anderem eine sinkende Zahl von internen Verdachtsmeldungen und "die Ertüchtigung der Extremismusabwehr" im MAD genannt.
"Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die rückläufige Entwicklung der Verdachtsfallzahlen mit der schrittweisen Aufhebung von coronabedingten staatlichen Beschränkungsmaßnahmen sowie mit einem im Zuge der Zeitenwende gewandelten gesamtgesellschaftlichen Fokus im Zusammenhang steht", heißt es im Jahresbericht weiter.
"Es bleibt abzuwarten, ob sich der Rückgang der Verdachtsfallzahlen, der bislang nur singulär und ausschließlich im Vorjahresvergleich zu konstatieren ist, zu einem Trend verstetigen wird", erklärte die KfE. Auch das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) mahnte zur Wachsamkeit. "Obwohl die Zahl von Verdachtsfällen in der Bundeswehr gesunken ist, wird das BMVg seine Anstrengungen im Kampf gegen den Extremismus nicht verringern, denn nach wie vor gefährden extremistische Bestrebungen die freiheitlich-demokratische Grundordnung", erklärte das Ressort von Boris Pistorius (SPD).
Es werde weiterhin eine "Null-Toleranz-Linie" verfolgt. "Oberste Priorität" bleibe es, "Extremisten und Extremistinnen von der Bundeswehr fernzuhalten oder sie schnellstmöglich aus dem Dienst zu entfernen", erklärte das Ministerium. © AFP
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