Führt der Zuzug von Flüchtlingen in einer Gemeinde zu mehr kultureller Offenheit oder verstärken sich ablehnende Einstellungen dadurch eher? Weder noch, stellt eine Studie fest. Die Forscher haben sich bei ihrer Untersuchung auf kleinere Orte im Osten beschränkt.
Die Aufnahme von Asylbewerbern in ostdeutschen Dörfern und Kleinstädten hat ausländerfeindliche Einstellungen in diesen Gemeinden insgesamt weder verstärkt noch reduziert.
Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam aus Mannheim, Berlin und New York, das Gemeinden, in denen Asylbewerber untergebracht wurden, mit solchen verglichen hat, in denen in den Jahren 2015 und 2016 keine Ausländer ankamen. In allen Ortschaften, die untersucht wurden, hatten zuvor kaum Migranten gelebt.
Die in den ländlichen Gemeinden im Osten weit verbreiteten und seit 2015 noch stärkeren Vorbehalte gegen Migration "scheinen sich also weniger auf die Situation vor Ort, als vielmehr auf die Gesellschaft als Ganzes zu beziehen", erklärt Johanna Gereke vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung.
Auch auf das Wahlverhalten hat sich der Zuzug in den 236 untersuchten Ortschaften nicht stark ausgewirkt.
Die Forscher stellten lediglich in fünf Gemeinden, in denen eine im Vergleich zur ursprünglichen Wohnbevölkerung eine relativ hohe Zahl von Flüchtlingen (200-600 Schutzsuchende pro 1.000 Einwohner) untergebracht worden war, eine etwas größere Unterstützung für die AfD fest als in Gemeinden, die weniger oder gar keine Flüchtlinge aufgenommen hatten.
Die im Herbst 2015 von Frauke Petry und Jörg Meuthen geführte populistische Partei hatte sich 2015 klar gegen Asyl-Zuwanderung positioniert.
Flüchtlinge stoßen in vielen Gemeinden auf "feindseliges Klima"
Und noch etwas fiel den Wissenschaftlern auf: Bei Menschen mit politisch eher rechten, zuwanderungsfeindlichen Einstellungen wirkte sich die Anwesenheit von Flüchtlingen vor Ort etwas mäßigend aus.
Umgekehrt seien Menschen mit eher linken, zuwanderungsfreundlichen Einstellungen nach der Ansiedlung von Flüchtlingen in ihrer Gemeinde in Bezug auf Migration etwas kritischer geworden. In der Summe änderten sich die Einstellungen aber nicht.
Wichtig ist bei der Betrachtung der Daten, die von den Forschern gesammelt wurden, jedoch, dass hier nur kleinere Ortschaften im Osten betrachtet wurden. In größeren Städten und in Ortschaften, wo, wie in vielen Regionen der alten Bundesrepublik vor der Asylzuwanderung schon viele ausländische Studenten und Arbeitsmigranten lebten, mag das anders sein.
Flüchtlinge, die in ländlichen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen angesiedelt wurden, stießen dort insgesamt auf ein "feindseliges Klima", stellten die Forscher fest, die für ihre Studie 1.320 Menschen befragt hatten.
Großteil der Befragten für Entscheidungen durch "das Volk"
Von den Teilnehmern der Befragung unterstützen 36 Prozent die Aussage, dass "Ausländer nur nach Deutschland kommen, um den Sozialstaat auszunutzen".
Nach Angaben der Forscher sprachen sich rund 60 Prozent der Bewohner der untersuchten Ortschaften dafür aus, den Zuzug von Menschen, die vor Krieg sowie vor Verfolgung aus politischen oder religiösen Motiven fliehen, zu begrenzen.
77 Prozent der Befragten unterstützen die Forderung, "das Volk" solle in wichtigen Fragen entscheiden, nicht Politiker. Genauso groß war demnach aber auch der Anteil derjenigen, die insgesamt mit dem deutschen demokratischen System zufrieden sind. Die Befragung fand zwischen März und Juni 2018 statt.
In den Jahren 2015 und 2016 hatte Deutschland insgesamt mehr als 1,1 Millionen Asylsuchende aufgenommen. Die sogenannte Flüchtlingskrise verschaffte der durch Flügelkämpfe damals geschwächten AfD Auftrieb, vor allem im Osten. 2017 zog sie mit 12,6 Prozent der Stimmen als drittstärkste Kraft erstmals in den Bundestag ein. (dpa/ank)
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