Der Trendbegriff "Talahon", nominiert als Jugendwort des Jahres, spiegelt das Klischee von jungen migrantischen Männern wider. Sie tragen Markenklamotten und fallen durch aggressives Verhalten auf. Die "Neue Rechte" hat den Begriff längst für rassistische Hetze vereinnahmt, weshalb bereits über eine Streichung nachgedacht wird.

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Sogenannte Talahons sorgen aktuell in den sozialen Medien für Aufregung und teils rassistische Diskussionen über Migration und Jugendkultur. Jetzt ist der Begriff für das Jugendwort des Jahres nominiert und bekommt noch einmal mehr Aufmerksamkeit. Wieso kann das Wort problematisch sein?

Daher kommt der Begriff "Talahon"

Zunächst einmal: Der Begriff soll laut dem Langenscheidt Verlag, der das Jugendwort einmal im Jahr kürt, aus dem Arabischen kommen. "Tahal lahon" steht für "Komm her" und wird im Kontext des Jugendworts für Menschen mit stereotypen Merkmalen oder Verhalten genutzt.

Junge Männer, oft mit Migrationshintergrund, tragen gefälschte Luxuskleidung und laufen mit Bauchtasche, Trainingshose und Goldkettchen durch die Innenstadt. Sie treten aggressiv auf. Einige provozieren mit überholten Frauenbildern. So zumindest das Klischee, und so inszenieren sich die selbsternannten Talahons - vor teilweise mehreren Millionen Followern - auf Tiktok oder Instagram.

Viele Social-Media-Nutzer, die dem Trend folgen, spielen jedoch ironisch mit diesen Vorurteilen und bieten humorvolle Erklärvideos an, wie sich ein echter Talahon zu verhalten hat.

Manche fühlen sich damit stark und da spielen teilweise sicherlich Themen wie Frauenverachtung mit, was problematisch ist.

Gabriele Rohmann, Co-Leiterin des Archivs für Jugendkulturen

Es gibt aber auch Videoclips, in denen sich Jugendliche selbstbewusst als Talahon präsentieren und sich damit die Eigenschaften eines Talahon zuschreiben.

"Manche fühlen sich damit stark und da spielen teilweise sicherlich Themen wie Frauenverachtung mit, was problematisch ist", sagt Sozialwissenschaftlerin Gabriele Rohmann, Co-Leiterin des Archivs der Jugendkulturen in Berlin, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Diesen Jugendlichen muss man natürlich die Grenzen zeigen und sagen: "Stopp. Das geht so nicht" und mit ihnen dazu arbeiten, diese Haltungen und dieses Verhalten zu hinterfragen und abzulegen."

Rassistische Kommentare unter Videos - "ganz gefährliche Geschichte"

Der Trend liefert außerdem Stoff für rechtspopulistische oder rassistische Kommentare. Rohmann warnt vor Pauschalisierung. Man müsse den Einzelfall betrachten und genau hinschauen. "Das ist eigentlich das Gleiche wie beim Gangster-Rap, der schnell sehr gerne pauschal verurteilt wird, obwohl es dort auch alle möglichen Nuancen und Deutungsmuster gibt."

Die Prozesse der Stigmatisierung sind laut der Expertin schon lange im Gang. "Die 'Neue Rechte' fokussiert sich darauf, dass diese Jugendlichen aus ihrer Sicht ein Synonym für gescheiterte Integration sind und generell alles eine Katastrophe ist." Die Klischees und Vorurteile gebe es schon seit vielen Jahren, etwa wenn man auf die Diskussion rund um die Silvesternacht 2015 in Köln schaue.

Mit "Neue Rechte" wird eine Szene beschrieben, die Vorstellungen von einem ethnisch homogenen Staat mit autoritären Zügen vertritt und sich gleichzeitig von Rechten absetzt, die sich auf den Nationalsozialismus berufen.

Menschen dieser Szene und den dazugehörigen Parteien nutzten solche Trends, um die eigenen Diskurse zu stärken. "Das ist eine ganz gefährliche Geschichte, weil diese Stigmatisierung zum einen keine Berechtigung hat", so Rohmann.

"Zum anderen führt sie dazu, dass sich wiederum junge Menschen mit Migrationsgeschichte oder vermeintlicher Migrationsgeschichte von den Rechten ausgegrenzt fühlen, das teilweise wieder aufgreifen und teils gegebenenfalls aggressiv reagieren können."

Langenscheidt: Jugendsprache hat schon immer auch kontroverse Wörter

Auch der Langenscheidt Verlag verfolgt laut eigenen Angaben die Diskussion. Jugendliche hätten "Talahon" für die Auswahlliste des Jugendworts oft eingereicht. Es zeige, wie schnell und dynamisch sich Jugendsprache sowie deren Bedeutung und Nutzung entwickeln könne. Sie habe schon immer positive, negative und auch kontroverse Wörter.

"Die Deutung und Nutzung des Wortes ist noch nicht eindeutig oder abgeschlossen, weshalb wir es für ein gutes Beispiel lebendiger Jugendsprache erachten, auch wenn die Nutzung ambivalent und nicht immer in einem positiven Sinne ist", teilt der Verlag mit. Sollte sich die Nutzung in Zukunft klar in Richtung Stigmatisierung und Diffamierung entwickeln, behalte er sich eine Streichung vor. Eine Streichung zum jetzigen Zeitpunkt würde dem Vorwurf der Zensur Vorschub leisten. Man habe sich entschieden, die erwartbare Debatte zu unterstützen. Das Jugendwort solle ein Spiegel der Zeit sein, hieß es weiter.

Aus insgesamt zehn Kandidaten kann man aktuell über die Top 3 abstimmen. Bis zum 8. Oktober wird dann unter den Finalisten gewählt. Das Siegerwort soll danach auf der Frankfurter Buchmesse verkündet werden. (dpa/ bearbeitet von lla)

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