Dicke Luft im Inntal: Tirol sperrt wegen der hohen Verkehrsbelastung Landstraßen für den Ausweichverkehr. Das sorgt erneut für Spannungen mit den Nachbarn im Norden.
Urlaubsverkehr, Lastwagen, Stau, Lärm, Gestank. Wer durch Österreich auf der Strecke zwischen Deutschland und Italien über den Brenner unterwegs ist, kennt das: Die deutschen Grenzkontrollen bei der Einreise bei Kiefersfelden bringen Staus auf österreichischer Seite.
Die Drosselung des Lastwagenverkehrs durch Blockabfertigungen und Fahrverbote der Tiroler wiederum sorgen teils - wie um Pfingsten - für Lkw-Staus von 30 Kilometern und mehr auf bayerischer Seite.
Hinzu kommen der Streit um die Maut und um den Schienenausbau im bayerischen Inntal. Kurzum: Beim Verkehr herrscht zwischen den Nachbarn dicke Luft.
Nun sperrt Tirol an Wochenenden bestimmte Landstraßen für "Navi-Ausweicher", die Staus auf der Autobahn umfahren wollen. So schlimm sei es manchmal mit dem Verkehr, dass Rettungsfahrzeuge stecken blieben.
"Niemand will sich vorstellen was los ist, wenn die Rettung dringend gebraucht wird und niemand mehr durchkommt", sagt Florian Kurzthaler, Sprecher des Landes Tirol. Einmal habe die Feuerwehr tatsächlich nicht schnell genug zum Brand eines Heuschobers gelangen können.
Die ersten Fahrverbote gab es am Fronleichnamstag - größere Probleme blieben da aus. Am Wochenende folgt mit dem Pfingst-Rückreiseverkehr der erste Härtetest.
Straßensperren in Tirol sind "reine Schikane"
Das Verbot gilt erst einmal nur für die Ausfahrten bei Innsbruck und soll die dortigen Ortschaften entlasten. Eine direkte Folge für den Verkehr in Bayern ist vorerst nicht zu erwarten. Ausdehnungen seien aber nicht auszuschließen, hieß es bei der Landesregierung.
Die Emotionen schlugen sofort hoch. "Reine Schikane" nannte Bayerns Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) die Maßnahme. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter warf den Deutschen im Gegenzug vor, die Beleidigten zu spielen, weil sie gerade bei der Pkw-Maut eine Niederlage einstecken mussten.
Wien hatte unterstützt von den Niederlanden gegen die Maut geklagt, und der Europäische Gerichtshof erklärte vor wenigen Tagen das Prestigeprojekt der CSU in der Berliner Koalition für rechtswidrig.
Im oberbayerischen Kiefersfelden, das selbst unter Ausweichverkehr stöhnt, gibt es Verständnis für Platters neuen Schritt. "Er setzt die Verkehrsbelastung im Inntal wieder mal auf die politische Agenda - und da hat er meine Sympathie", sagt Bürgermeister Hajo Gruber.
"Das Inntal ist hochsensibler Alpenbereich" - und gerade in der Tallage stauten sich die Abgase. "Was jetzt im Moment stattfindet, ist zu viel." Seine Gemeinde leide vor allem unter den Ausweichlern wegen der deutschen Grenzkontrollen - deren Ende er dringend anmahnt.
Verkehr nimmt stetig zu
Die Brennerroute und damit die Inntalstrecke gilt als kostengünstige Nord-Südverbindung über die Alpen. Der Verkehr nimmt stetig zu. 2018 fuhren knapp 2,5 Millionen Lkw an der Zählstelle in Schönberg vorbei, nach rund 2,25 Millionen im Vorjahr. In diesem Jahr waren es bis Mai über eine Million Lkw, laut Land Tirol wieder knapp 1,7 Prozent mehr.
Durch das Inntal rollt zudem österreichischer Ost-West-Verkehr: Von Wien über Salzburg und das deutsche Inntaldreieck nach Innsbruck. In Österreich gibt es keine schnellere Verbindung.
Das Verkehrsthema schwelt seit langem. Harsche Worte gab es beim Brenner-Gipfel im italienischen Bozen vor einem Jahr. Die Teilnehmer der drei betroffenen Länder unterzeichneten eine Absichtserklärung zur weiteren Verlagerung von Gütern auf die Schiene - doch Platter unterschrieb nicht: Das Papier beinhalte substanziell nichts Neues. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) warf ihm schlechten Stil vor - war aber selbst gar nicht zu dem Treffen angereist.
Platter hatte damals für die Brennerstrecke Obergrenzen für Lastwagen verlangt - und einheitlich hohe Mautgebühren von München nach Verona. Die Blockabfertigungen rechtfertigte er stets als Notmaßnahme zum Schutz der Bevölkerung.
Tirol will aber auch Druck machen: Bayern komme mit dem Schienenausbau zum künftigen Brenner Basistunnel mit einer neuen zweigleisigen Trasse nicht voran, kritisierte Platter mehrfach.
Die Österreicher wollen mit dem Tunnel künftig mehr Güter per Bahn transportieren. Doch die Schiene als Lösung aller Probleme ist nicht in greifbarer Nähe - und keineswegs unumstritten. Gegen eine neue Trasse im bayerischen Inntal gibt es massiven Protest von Anwohnern, die nicht noch mehr Verkehr vor der Haustüre wollen - auch nicht in Form ratternder Güter- oder Personenzüge.
Umweltschützer mahnen ein grundlegendes Umdenken an. Regionale Liefer- und Produktionsketten müssten gefördert werden. Der Transport von Gütern etwa zur billigeren Verarbeitung in andere Länder und dann womöglich wieder retour müsse endlich aufhören. (jwo/dpa) © dpa
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