Köln, Hamburg, Stuttgart: In mehreren deutschen Städten hat es massive sexuelle Übergriffe auf Frauen gegeben. Das Ausmaß der Vorfälle schockiert die Bevölkerung und die Polizei. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, rechnet damit, dass es auch in Zukunft solche Delikte geben wird.
In der Silvesternacht sind in Köln Dutzende Frauen ausgeraubt und massiv sexuell belästigt worden. Die Angriffe sollen von etwa 1.000 Männern, die offenbar aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum stammen, in Gruppen verübt worden sein.
Wie heute mehrere Medien übereinstimmend berichten, soll es auch in Hamburg und Stuttgart zu ähnlichen Vorfällen gekommen sein - offenbar in kleinerem Ausmaß. Die Polizei ist schockiert und spricht von einer neuen Dimension der Gewalt.
"Das konnte man nicht hervorsehen"
"Wir kennen solche Übergriffe aus dem Ausland wie etwa vom ägyptischen Tahrir-Platz", sagt Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), unserer Redaktion.
Einzelne solcher Szenen seien der Polizei zwar bereits bekannt, neu sei allerdings die Dimension. Die Polizei in Köln sei von dem Ausmaß überrascht worden. "Das konnte man nicht vorhersehen, die Polizei konnte deshalb darauf nicht vorbereitet sein", erklärt Wendt.
Bei den 1.000 Männern habe es sich nicht um eine einheitlich agierende Gruppe gehandelt, gibt Wendt zu bedenken.
Der Chef der DPolG zeigt sich pessimistisch: "Ich bin leider davon überzeugt, dass uns das in Zukunft noch weiter begleiten wird." Es gehöre zur Wahrheit dazu, dass man sage, dass sich unter den Flüchtlingen nicht nur Schutzsuchende sondern auch Kriminelle befänden.
"Die Täter fühlen sich offenbar stark genug, um sich in Masse so zu verhalten", sagt Wendt.
Er befürchtet, dass es in keinem Fall zu einer Verurteilung kommen werde, da die Identifizierung der Täter schwer sein werde. "Es waren einfach zu viele Männer", gibt er zu bedenken. Die Videoaufnahmen seien nicht aussagefähig genug, da auf den Bildern kaum etwas zu erkennen sei.
Vertrauen in Rechtsstaat erschüttert
Einige der mutmaßlichen Täter seien zuvor schon durch Strafdelikte der Polizei bekannt gewesen. Passiert aber sei nichts. "Es wird keine Ausweisungen geben, denn Strafverfahren haben keine Auswirkungen auf Asylverfahren", erklärt Wendt weiter. Bei beiden Verfahren handelt es sich um getrennte Prozesse, für die unterschiedliche Zuständigkeiten gelten.
Das alles würde das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat immer mehr erschüttern. Zu merken sei das unter anderem an den privaten Waffenkäufen. Immer mehr Menschen würden sich mit frei verkäuflichen Verteidigungsmitteln wie Pfefferspray und Schreckschusspistolen ausstatten.
Der Vertrauensverlust würde vor allem extremen Bewegungen und Parteien wie der AfD in die Karten spielen. Ein "Konjunkturprogramm für extremistische Strömungen", mahnt der Chef der Polizeigewerkschaft.
"Wir brauchen deshalb einen starken Rechtsstaat und angemessene Strafen." Um sexuelle Übergriffe wie in Köln, Hamburg und Stuttgart zu verhindern, müsse die Polizei massiv Präsenz zeigen.
In Köln wird heute über Möglichkeiten zum Schutz von Frauen diskutiert. Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat ein Krisentreffen angesetzt. Eventuell soll die Video-Überwachung im Hauptbahnhof ausgeweitet werden.
Zu wenig Bundespolizisten
Wendt ist überrascht, dass jetzt von Videoüberwachung gesprochen wird. "Wie das im Karneval funktionieren soll, ist mir schleierhaft", sagt Wendt. Auch Platzverbote würden eher nichts bringen.
Wendt sei zwar sehr dafür, allerdings hält er dies gerade für Karneval in Köln für wenig praktikabel. "Das würde im Prinzip für die ganze Stadt gelten, da überall gefeiert wird."
Generell helfe nur massive Polizeipräsenz. Allerdings gebe es da ein großes Problem: Die Bundespolizei, die für die Sicherung der Bahnhöfe zuständig ist, sei in den letzten Jahren massiv ausgedünnt worden. Bundesweit fehlen 3.600 Beamte.
Im Gespräch mit unserer Redaktion beklagten Vertreter der Polizei bereits im November, dass Bundespolizisten aufgrund der Flüchtlingskrise mancherorts Aufgaben nicht mehr wahrnehmen könnten. "In Bahnhöfen sind sie teilweise nicht präsent", sagt Wendt.
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