Niedrige Löhne für Gefangene sind verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Bei den entsprechenden Gesetzen muss nun bis 2025 nachgebessert werden.

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Häftlinge aus Bayern und Nordrhein-Westfalen haben sich vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen eine niedrige Entlohnung von Arbeit hinter Gittern gewandt.

Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger für Gefangene sind verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht gab am Dienstag zwei arbeitenden Häftlingen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen Recht, die gegen die Höhe ihrer Vergütung geklagt hatten. Die Bundesländer müssen die entsprechenden Gesetze bis spätestens Ende Juni 2025 neu regeln, sagte die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, in Karlsruhe.

Arbeit soll Resozialisierung der Häftlinge dienen

Das Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber dazu, die Resozialisierung der Gefangenen zu fördern. Arbeiten im Strafvollzug soll dabei helfen, auch später nach der Haftentlassung einen Job zu finden.

In den meisten Bundesländern herrscht für Strafgefangene deshalb Arbeitspflicht. Allerdings gilt für die Gefangenen kein Mindestlohn. 2020 verdienten sie laut König etwa zwischen 1,37 Euro und 2,30 Euro pro Stunde.

Das Verfassungsgericht habe das Gebot der Resozialisierung unter Rückgriff auf die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip entwickelt, sagte König, die auch Vizepräsidentin des höchsten deutschen Gerichts ist. Die Gesetzgeber müssten dafür ein schlüssiges und widerspruchsfreies Konzept entwickeln.

Wenn darin Arbeit als Behandlungsmaßnahme vorgesehen sei, müsse diese angemessene Anerkennung finden, führte König aus. "Diese braucht nicht allein in Geld gewährt zu werden, sondern kann sich auch aus einer monetären und einer nicht monetären Komponente zusammensetzen." Gemeint sind damit zum Beispiel sogenannte Freistellungstage, die auch für eine frühere Entlassung angespart werden können.

Fehlende Wertschätzung kann sich negativ auf Resozialisierung auswirken

Wie viel Bezahlung verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge, hänge vor allem von den beabsichtigten Zwecken im Resozialisierungskonzept ab, sagte König. Diese müssten tatsächlich erreicht werden können. "Mit anderen Worten: Die Erreichung der gesetzlich festgelegten Zwecke darf angesichts der geringen Entlohnung von Gefangenenarbeit nicht unrealistisch sein." Dabei müsse auch berücksichtigt werden, wie die Häftlinge selbst die Vergütung wahrnehmen, sagte König. Denn das Gefühl, in ihrer Tätigkeit nicht genügend wertgeschätzt zu werden, könne sich negativ auf die Resozialisierung auswirken.

Die Resozialisierungskonzepte in Bayern und NRW seien diesbezüglich nicht in sich schlüssig und widerspruchsfrei, befand der Senat. Er erklärte die Regeln für nicht mit der Verfassung vereinbar.

Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, ein bestimmtes Entlohnungsmodell vorzugeben, betonte König. Bei einer Neuregelung könne der Gesetzgeber auch einen Teil des Arbeitsentgelts für bestimmte Zwecke einbehalten oder die Gefangenen an den Kosten im Vollzug beteiligen - etwa durch einen Haftkostenbeitrag oder eine Stromkostenpauschale.

Über die Höhe von Gefangenenvergütung hatten die Karlsruher Verfassungsrichterinnen und -richter schon einmal geurteilt. 1998 hatten sie beanstandet, dass sie zu niedrig sei. Danach wurde die Berechnungsgrundlage von fünf auf neun Prozent des durchschnittlichen Arbeitsentgelts von allen gesetzlich Rentenversicherten angehoben. (AFP/dpa/tas/lko)

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