Wetter-Achterbahn in Europa mit Orkanen und Lawinen, minus 60 Grad in den USA: Normal kommt einem das nicht mehr vor. Doch der Klimaforscher Gerhard Wotawa hat Erklärungen dafür - und kündigt an, dass es erst mal so weitergeht.
Verheerende Orkanstürme, gewaltige Schneemassen und mildes Frühlingswetter mitten im Winter – der Januar 2018 ist einer der extremsten seit vielen Jahren.
In den Bergregionen liegt so viel Schnee wie seit 19 Jahren nicht, im Flachland halten Orkanstürme Mitteleuropa in Atem. Allesamt Zeichen der Klimaerwärmung oder normal auftretende Wetterphänomene?
Gerhard Wotawa, Obmann des Climate Change Center Austria (CCCA) und Experte der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien, erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion die Phänomene.
Schneestürme wechseln sich derzeit mit Orkanen und Starkregen ab. Wieso ist das Wetter in Zentraleuropa derzeit so extrem wechselhaft?
Gerhard Wotawa: Dass es derzeit fast täglich wechselndes Wetter gibt, ist keinesfalls ungewöhnlich.
Das Wetter in West- und Nordwesteuropa wird maßgeblich vom Islandtief, einem Tiefdruckgebiet, bestimmt. In manchen Jahren ist es stärker, in anderen wiederum schwächer ausgeprägt.
Diesen Winter ist es ganz klar sehr dominant und stark ausgeprägt – deshalb haben wir auch diese extremen Wetterphänome, die durch atlantische Luftmassen beherrscht werden.
Was sind die Folgen?
An einem Tag ist es kalt, am nächsten warm, einmal schneit es, einmal fällt Regen.
Der Januar 2017 war da deutlich ruhiger. Da hatten wir in weiten Teilen Europas stabiles und kaltes Winterwetter ohne große Ausreißer.
Generell kann man sagen, dass Winter wie dieses Jahr alle zehn bis zwölf Jahre auftreten, wobei es auch vorkommen kann, dass das Islandtief zwei Winter hintereinander so intensive Auswirkungen zeigt.
Wieso liegt in den Bergen meterhoher Schnee, wo im Flachland keine einzige Flocke fällt?
Auch das ist eine Folge des Islandtiefs. Die Temperaturen schwanken so massiv, dass der Schnee in den Tälern als Regen fällt.
Wenn es einmal schneit, bleibt der Schnee im Tal selten liegen, da die Temperaturen nicht tief genug sind. Wenn sie knapp über null Grad liegen wie dieser Tage oftmals, herrscht im Flachland maximal Schneeregen vor.
1999 gab es im Tiroler Ort Galtür eine Lawinenkatastrophe. Noch vor wenigen Tagen lag dort, und in vielen anderen Regionen Österreichs und der Schweiz, die Lawinenwarnstufe auf der höchsten Stufe 5. Ist die aktuelle Situation mit damals zu vergleichen?
Nicht unbedingt. Es hat zum einen damit zu tun, dass man in den betreffenden Regionen sicherlich aus den Geschehnissen von damals gelernt hat und dieses Jahr schnell die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen wurden.
Doch die aktuelle Situation ist durchaus gefährlich. Da zu den massiven Schneefällen starke Winde, die zu Schneeverwehungen führen, und mildere Temperaturen hinzu kommen, sammelt sich der Schnee in den Alpen akkumulativ.
In Folge ist die Lawinengefahr hoch und es können große Mengen Schnee ins Tal abgehen.
Eine Wetter-Achterbahn in Europa, minus 60 Grad in den USA – sind das alles Zeichen der Klimaerwärmung?
Nicht unbedingt. Schon immer hat es in Europa so wechselhafte Winter gegeben, das zeigen alte Wetteraufzeichnungen aus den vorigen Jahrhunderten, und auch das Wettergeschehen in Nordamerika ist deutlich vom Atlantik bestimmt.
Fest steht allerdings deutlich: Durch den gestiegenen CO2-Ausstoss steigen die jährlichen Durchschnittstemperaturen weiter an, und es gelangt immer mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre.
Schon jetzt ist der Wert so hoch wie zuletzt vor zwei bis drei Millionen Jahren. Das ist ein Grund, warum die weltweiten CO2-Emissionen unbedingt verringert werden müssen. Derzeit können die Modelle nämlich noch nicht klar zeigen, welche Auswirkung das zukünftig auf unser Klima haben wird.
Klar ist: Durch die erhöhte Temperatur wird sich auch die Labilität der Atmosphäre weiter erhöhen.
Wie wird sich der Winter dieses Jahr noch entwickeln?
Langzeitprognosen sind beim Wetter natürlich immer schwer zu erstellen. Derzeit sieht es allerdings so aus, als ob es die kommenden 14 Tage in Mitteleuropa weiterhin so turbulent zugehen wird wie zuletzt. Eine Beruhigung ist aktuell noch nicht in Sicht.
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