• Haiti ist bitterarm, politisch instabil - und wurde schon 2010 von einem schweren Erdbeben erschüttert.
  • Nun reißt ein neues Beben mindestens 724 Menschen in den Tod.
  • Die Ausmaße der "humanitären Notlage" sind noch unklar.

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Nach dem schweren Erdbeben im Süden Haitis ist die Zahl der Todesopfer auf mindestens 724 gestiegen. Dies gab der Leiter von Haitis Zivilschutzbehörde, Jerry Chandler, am Sonntag bei einer Pressekonferenz bekannt. Zudem seien 2.800 Menschen verletzt worden.

Hilfsangebote aus dem Ausland

Die internationale Gemeinschaft kündigt Hilfe an. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drückte den den Menschen ihr "tief empfundenes Beileid" aus. "Mein besonderes Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer und all jenen, die ihr Hab und Gut verloren haben. Den Verletzten wünsche ich eine schnelle Genesung", hieß es in einer Mitteilung am Sonntag.

UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, er habe mit großer Betroffenheit von den tragischen Verlusten an Menschenleben und Verletzungen erfahren. Die Vereinten Nationen unterstützten die Bemühungen der Regierung, den von dem Erdbeben Betroffenen zu helfen. Auch Papst Franziskus äußerte Anteilnahme: "Ich möchte meine Nähe zu diesen liebenswerten Einwohnern zum Ausdruck bringen, die so hart von dem Erdbeben getroffen wurden", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche nach dem traditionellen Angelus-Gebet am Sonntag in Rom.

Das Beben ereignete sich am Samstagmorgen rund zwölf Kilometer von der Gemeinde Saint-Louis-du-Sud in einer Tiefe von rund zehn Kilometern. Viele Gebäude wurden zerstört, wie auf Fotos und Videos in sozialen Netzwerken zu sehen war. Berichten zufolge wurden Menschen unter Trümmern begraben, Krankenhäuser waren überlastet. Rettungskräfte und Zivilisten suchten darunter verzweifelt nach Überlebenden.

Tropensturm "Grace" nähert sich Haiti

Das ganze Ausmaß der Zerstörung wird sich wohl erst in den kommenden Tagen zeigen. Dabei droht bereits die nächste Gefahr: Der Zivilschutz wies darauf hin, dass der Tropensturm "Grace" sich Haiti bereits näherte. Der Sturm könnte das gebeutelte Land nochmals stark treffen.

Die Ereignisse wecken Erinnerungen an das verheerende Erdbeben im Jahr 2010: Damals waren mehr als 220.000 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 300.000 wurden verletzt, über eine Million Menschen verloren ihr Zuhause.

"Die Straßen sind erfüllt von Schreien"

"Die Straßen sind erfüllt von Schreien. Die Menschen sind auf der Suche nach Angehörigen, Ressourcen, medizinischer Hilfe, Wasser", sagte Abiade Lozama, Leiter der Episkopalkirche in der besonders betroffenen Stadt Les Cayes der "New York Times". Es werde Tage dauern, die genauen Schäden zu beurteilen, sagte die Leiterin der Kinderhilfsorganisation Save the Children in Haiti, Leila Bourahla, dem Blatt und fügte hinzu: "Es ist klar, dass es sich um eine massive humanitäre Notlage handelt."

Die Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO) schickte ein Expertenteam. Such- und Rettungsarbeiten des Internationalen Roten Kreuzes konzentrierten sich auf die Gegend um die besonders betroffenen Städte Jérémie und Les Cayes. Die Organisation sandte ebenfalls Notfallspezialisten.

Einmonatiger Notstand ausgerufen

Interims-Premierminister Ariel Henry besuchte nach eigenen Angaben das Department Grand' Anse und überflog Les Cayes, um sich ein Bild vom Ausmaß der Schäden zu machen. Er rief einen einmonatigen Notstand aus. Unter anderem die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Kolumbien, Argentinien, Chile, Mexiko, Kanada und die USA boten Hilfe an. "Die Vereinigten Staaten bleiben dem haitianischen Volk ein enger und beständiger Freund, und wir werden auch nach dieser Tragödie da sein", erklärte US-Präsident Joe Biden.

Japans Tennis-Star Naomi Osaka will ihr Preisgeld vom WTA-Turnier in Cincinnati für die Betroffenen des Erdbebens spenden. "Es schmerzt, die vielen Schäden für Haiti zu sehen. Es fühlt sich an, als bekämen wir keine Atempause", schrieb die Weltranglisten-Zweite bei Twitter. Osakas Vater stammt aus Haiti.

Weiterhin starke Nachbeben

Die Bundesregierung rief dazu auf, die betroffenen Gebiete im Südwesten des Inselstaates zu meiden. "Es muss mit zahlreichen Toten und Verletzten sowie starken Schäden an Gebäuden und Infrastruktur gerechnet werden. Es kommt weiterhin zu starken Nachbeben", warnte das Auswärtige Amt.

Haiti wird immer wieder von schweren Erdbeben erschüttert. "Das Land liegt am Rande einer großen tektonischen Platte, der Karibischen Platte", sagte Marco Bohnhoff vom Geoforschungszentrum Potsdam der Deutschen Presse-Agentur. "Das Problem ist, dass das Beben fast bis an die Oberfläche gereicht hat", sagt er. Im Mittel versetzte das Erdbeben die Karibische Platte um etwa 1,5 Meter - "hauptsächlich zur Seite, aber mit einer vertikalen Komponente".

Die durch Erdbeben angerichteten Schäden hängen auch von der Bevölkerungsdichte ab. Das Zentrum des ähnlich starken, verheerenden Erdbebens von 2010 lag unter der Hauptstadt Port-au-Prince - einem Ballungsraum mit mehr als zwei Millionen Einwohnern. Beim aktuellen Beben ist als große Stadt Les Cayes mit schätzungsweise rund 90.000 Einwohnern in etwa 35 Kilometern Entfernung zum Epizentrum betroffen. (ash/dpa)

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