Ein Autoclub soll Unternehmen und Verbänden "VIP-Meetings" mit der Leitung des Verkehrsministeriums angeboten haben – gegen Geld. Das legen Recherchen des ZDF-Magazins Frontal nahe. Das Ministerium reagiert.

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HVO100 heißt ein alternativer Dieselkraftstoff, der seit Ende Mai 2024 auf dem deutschen Markt ist. Er wird aus Pflanzen- und Speiseabfällen produziert und soll den CO2-Ausstoß von Fahrzeugen um bis zu 90 Prozent reduzieren. Der Verein "Mobil in Deutschland" macht kräftig Werbung für den Kraftstoff – und griff dabei offenbar auch zu fragwürdigen Methoden.

Das legen jedenfalls Recherchen des ZDF-Magazins Frontal nahe. Der Verein hat demnach im Oktober 2023 die Kampagne "HVO100 goes Germany" gestartet und Oliver Luksic als Schirmherr gewonnen. Der FDP-Politiker Luksic ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium.

Dem Frontal-Bericht zufolge buhlte der Verein um Geldgeber aus Industrie und Verbänden. Ein Angebot: eine "Premium-Kooperation" für 9.900 Euro im Jahr. Die Gegenleistung für den Betrag: die "Möglichkeit, sich bei einem exklusiven VIP-Meeting mit Minister oder Staatssekretär vorzustellen und auszutauschen".

Unternehmen konnten also Geld bezahlen und bekamen dafür einen Gesprächstermin mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP)? Dieser Eindruck entsteht zumindest.

Lobbycontrol: "Peinlich und unangemessen"

Wie brisant ist der Fall einzuschätzen? Einerseits muss festgehalten werden, dass das eingenommene Geld nicht in den Taschen der Politiker landete. Das war bei der sogenannten "Rent-a-Rüttgers"-Affäre noch anders: 2010 kam heraus, dass die CDU in Nordrhein-Westfalen Sponsoren gegen Geld Gesprächstermine mit dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers angeboten hatte.

Auch Schirmherrschaften von Politikerinnen und Politikern sind generell üblich. Der Verband Lobbycontrol kritisiert die aktuellen Vorgänge trotzdem: "Problematisch ist, wenn der Eindruck gekaufter Termine entsteht. Der Fall zeigt, wie sehr Lobbyverbände gemeinsame Sache machen mit FDP-Spitzenpolitikern", sagt die Politikwissenschaftlerin Christina Deckwirth von Lobbycontrol im Gespräch mit unserer Redaktion.

Zudem sei die Kampagne irreführend, findet sie: Es komme nicht klar heraus, dass es eigentlich darum geht, das Ende des Verbrennungsmotors zu verhindern. Auch dass ein Staatssekretär so deutlich Werbung macht für das Produkt HVO100, findet Deckwirth fragwürdig: "Das wirkt peinlich und unangemessen."

Ministerium setzt Schirmherrschaft aus

Dem ZDF-Bericht zufolge soll es auch innerhalb des Bundesverkehrsministeriums Bedenken hinsichtlich der Schirmherrschaft gegeben haben. Das Ministerium reagierte am Dienstag auf die Vorwürfe mit einer Stellungnahme. Staatssekretär Luksic hat demnach die Schirmherrschaft der Kampagne von "Mobil in Deutschland" ausgesetzt – und den Verein "schriftlich aufgefordert, die Vorwürfe umfassend aufzuklären". Bis auf Weiteres sei es dem Verein untersagt, mit dem Logo des Ministeriums zu werben.

Vorwürfen einer unrechtmäßigen Einflussnahme durch Lobbygruppen trete man aber entgegen, so das Ministerium. "Die Übernahme von Schirmherrschaften ist grundsätzlich nicht mit Gegenleistungen verbunden", heißt es. Von den Vorwürfen gegen den Verein "Mobil in Deutschland" habe man erst durch die ZDF-Recherchen erfahren.

Verwendete Quellen

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