Der juristische Schlagabtausch zwischen der AfD und dem Verfassungsschutz nimmt kein Ende. Dabei zeigen die Anwälte der Partei Interesse an den Ermittlungsmethoden des Nachrichtendienstes und überraschen mit einer interessanten Strategie: AfD-Mitglieder mit Migrationshintergrund werden als Zeugen befragt.
Im Berufungsverfahren um die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Nach zwei Tagen, die angefüllt waren mit kleinteiligen Erörterungen und zahlreichen Anträgen der Partei, entschied der Vorsitzende Richter, Gerald Buck, am Mittwochabend, die Sitzung zu schließen und die Verhandlung zu einem späteren, noch bekanntzugebenden Termin fortsetzen zu lassen.
Am zweiten Verhandlungstag versuchten Anwälte der Partei, dem Verfassungsschutz Details zu seinen Methoden der Informationsbeschaffung zu entlocken. Sie stellten außerdem einen Antrag, die Verhandlung zu unterbrechen und frühestens in sechs Wochen fortzusetzen. Um den Vorwurf des Verfassungsschutzes, die AfD unterscheide zwischen einem ethnisch definierten deutschen Volk und einem rechtlich definierten Staatsvolk, schlug Roman Reusch, Mitglied des AfD-Bundesvorstandes, vor, AfD-Mitglieder mit Migrationshintergrund als Zeugen zu befragen.
Es geht um die Herabwürdigung von Migranten zu "Menschen zweiter Klasse"
Der Anwalt des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Wolfgang Roth, hielt der AfD entgegen, Vertreter der Partei hätten Menschen mit Migrationshintergrund zu Menschen zweiter Klasse herabgewürdigt und über eine vermeintliche Zerstörung oder Auslöschung des deutschen Volkes gesprochen. Er zitierte unter anderem Ausführungen des Thüringer AfD-Landeschefs
Reusch sagte, dies seien "Haarspaltereien", die von AfD-Mitgliedern mit niedrigem Bildungsniveau womöglich gar nicht verstanden würden. Er wies die Einschätzung des Verfassungsschutzes zurück als "Unterstellungen, die aus kleinen Sachverhaltsschnipseln irgendwie zusammengebastelt werden".
Roth warf der AfD zudem vor, Anträge "ins Blaue hinein" zu stellen mit dem Ziel der "Prozessverschleppung". Die Anwälte der AfD, Michael Fengler und Christian Conrad, wiesen dies zurück. Auch der Vorsitzende Richter betonte nach mehreren ausführlichen, nahezu wortgleichen Anträgen der AfD zur Benennung von Zeugen, ihm sei an einer effizienten Prozessführung gelegen.
AfD will mehr über Informanten wissen
Am Mittwoch ging es unter anderem um den Einsatz von virtuellen Agenten, also Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, die in sozialen Netzwerken mit einer anderen Identität unterwegs sind, und sogenannten V-Leuten – Informanten aus dem Umfeld der Partei. Das BfV hatte am Dienstagabend erklärt, "dass nur zwei der einigen Tausend Belege", die dem Gericht dazu vorgelegt worden seien, "Äußerungen oder Verhaltensweisen von menschlichen Quellen des Verfassungsschutzes beinhalten".
Das Bundesamt habe zudem kritisch geprüft, ob während der Bearbeitung der AfD als Verdachtsfall und hinsichtlich ihrer Nachwuchsorganisation während der Bearbeitung der Jungen Alternative als Verdachtsfall und als erwiesen extremistische Bestrebung Mitglieder von Landes- oder Bundesvorständen als Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes eingesetzt wurden, von denen eine "steuernde Einflussnahme" hätte ausgehen können. Eine solche Einflussnahme sei im relevanten Zeitraum nicht gegeben gewesen.
Verfassungsschutz schließt "Fremdsteuerung" aus
Am Mittwoch betonte der Verfassungsschutz dann auf Nachfrage, seine Belege zur AfD stammten hauptsächlich aus Reden und Social-Media-Posts von Mandatsträgern und Funktionären. Dass Mitarbeiter oder Informanten des Bundesamtes oder der Landesbehörden für Verfassungsschutz diese provoziert haben könnten, sei auszuschließen. Der Anwalt des BfV warf der Gegenseite vor, sie habe bei ihren Nachfragen zu möglicher Einflussnahme von Informanten keine Anhaltspunkte vorgetragen, die auf eine "Fremdsteuerung" oder "Manipulation" hindeuten könnten.
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In dem Berufungsverfahren, das am Dienstag begonnen hatte, klärt der 5. Senat, ob das Urteil aus der Vorinstanz am Verwaltungsgericht Köln Bestand hat. Das BfV mit Sitz in Köln hatte die Partei sowie die Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Die Richter in Köln hatten diese Sicht im Jahr 2022 bestätigt. Entsprechend dürfen Partei und JA seitdem mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Das OVG muss jetzt klären, ob die Einschätzung laut dem Bundesverfassungsschutzgesetz rechtens ist.
Beim Einsatz von V-Leuten ist man, was Parteien angeht, inzwischen sehr zurückhaltend und vorsichtig. Denn das erste von zwei erfolglosen Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische NPD, die sich heute Die Heimat nennt, war 2003 wegen der zahlreichen V-Leute, die der Verfassungsschutz auch in der Führungsriege der Partei hatte, eingestellt worden.
Vorstandsmitglied Reusch hat aussagewillige AfD-Mitglieder mitgebracht
Das Gericht ging auf den Vorschlag von Reusch ein und hörte sich Schilderungen von drei AfD-Mitgliedern aus dem Landesverband Hessen mit Migrationshintergrund zu ihren Erfahrungen mit der Partei an. Der hessische Landesvorsitzende Robert Lambrou wurde in Münster geboren und hat einen griechischen Vater. Ebenfalls äußerte sich eine in Nigeria geborene Frau sowie ein Mann aus dem Iran, der seit 1995 in Deutschland lebt.
Roth bedankte sich für die Aussagen, verwies aber darauf, dass die Schilderungen nichts an den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ändern würden.(dpa/jst)
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