AfD-Chef Tino Chrupalla war am Sonntag (7.) im Sommerinterview der "ARD" zu Gast. Darin sprach er über die Maßnahmen, die die AfD in den ersten 100 Tagen ihrer Regierung plant. Was würde sie sofort umsetzen? Chrupalla konzentrierte sich vor allem auf ein Thema: Migration. Manche Vorschläge entlarvte Moderator Preis jedoch sofort.

Eine Kritik
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Die Wiederwahl als Parteichef auf dem Bundesparteitag am vergangenen Wochenende ist geglückt: Mit rund 83 Prozent der Stimmen wurde Tino Chrupalla im Amt bestätigt, Alice Weidel kam auf knapp 80 Prozent.

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Der AfD-Chef ging also mit ordentlich Rückenwind ins Sommerinterview: bei der Europawahl wurde die AfD bundesweit zweitstärkste Kraft, bei Umfragen im Osten des Landes landet sie auf Platz 1. Im ARD-Sommerinterview von "Bericht aus Berlin" war Moderator Markus Preiß daher besonders an zwei Fragen interessiert: Welche Lösungen hätte die AfD anzubieten? Und: Was entgegnet die Partei auf den Vorwurf, eine massive Bedrohung für die Demokratie zu sein?

Restriktivere Grenzkontrollen

Den Auftakt machte das Thema Migration. Preis rechnete Chrupalla vor: "Thüringen hat im vergangenen Jahr 8.048 Asylbewerber aufgenommen. Wie viele wären es, wenn Sie regieren würden?"
Chrupalla entgegnete, die Fluchtgründe Krieg und Vertreibung würden derzeit ad Absurdum geführt. "Unser Ziel muss es natürlich sein, dass es so wenige Asylanträge wie möglich sind – wenn es geht, nur die Zahl null", so der Parteichef. Dafür müsse man Fluchtgründe bekämpfen und auch mit Diplomatie vorgehen.

Preis wollte wissen: "Wie geht das, wenn man thüringische Landesregierung ist?" Chrupalla packte sein Programm der ersten 100 Tage aus. Dazu würden restriktive Grenzkontrollen zählen, so Chrupalla. "Aber Thüringen hat gar keine Außengrenzen", wandte Preiß ein und deckte damit auf, dass die Forderung ins Leere läuft. Daraufhin meinte Chrupalla: "Ich rede ja auch von Sachsen." Thüringen könne aber auch den Verteilungsschlüssel zurückweisen.

Druck auf Bundesregierung

Preiß lieferte an dieser Stelle eine wichtige Einordnung und entlarvte: Thüringen würde derzeit nur 2,4 Prozent der deutschen Asylerstanträge bearbeiten. Chrupalla verriet, was wirklich hinter der Forderung steckt: "Das würden wir nicht mehr mitmachen. Ich denke, es ist wichtig, dass die ersten Bundesländer aus diesem Verteilschlüssel auch ausscheren, um auch Druck auf eine Bundesregierung zu machen, damit diese Politik endlich geändert wird."

Um Vorfälle wie in Mannheim oder Bad Oeynhausen zu verhindern, müssten 250.000 bis 300.000 Menschen ohne Bleiberecht in Deutschland abgeschoben werden. Thüringen wolle dafür selbst Abschiebeflüge organisieren, es brauche Rückführabkommen und Asylzentren in Drittstaaten.

Sicherheitsinteressen Russlands

Preiß leitete zum Themenbereich Ukraine-Krieg über und fragte: "Sie fordern Frieden. Können Sie uns und Ihren möglichen Wählern erklären: Wie genau stellen Sie das an?"

Chrupalla erklärte, die Kriegsparteien müssten an einen Tisch gebracht werden. Außerdem müsse die Ukraine erklären, nicht NATO- und auch nicht EU-Mitglied werden zu wollen. "Das wären zum Beispiel Dinge, wo man auch auf das Sicherheitsinteresse Russlands eingehen müsste", meinte der AfD-Chef. Russland müsse sich im Gegenzug aus den besetzten Gebieten zurückziehen, man müsse aber auch Moskaus Sicherheitsinteressen verstehen.

Preiß wollte wissen: "Woher nehmen Sie das Vertrauen, dass man mit Wladimir Putin eine verlässliche Absprache noch treffen kann?" Chrupalla blieb eine klare Antwort schuldig: "Am Ende ist Wladimir Putin der aktuelle Präsident Russlands – ob uns das nun passt oder nicht. Und es wird der einzige Gesprächspartner sein", sagte er.

Kanzlerkandidatur: Weidel oder Chrupalla?

Auch beim Thema Wehrpflicht wollte sich Chrupalla nicht ganz eindeutig festlegen: "Ich finde die Diskussion aktuell schwierig", meinte er. Er befürworte ein Deutschland-Jahr, welches in der Vergangenheit auch bereits von der CDU gefordert wurde. "Das heißt, dass man natürlich auch wählen kann: Wehrpflicht oder zum Beispiel auch Zivildienst", so Chrupalla.

Preiß versuchte ihn sodann mit der Frage nach der Kanzlerkandidatur aus der Reserve zu locken. Weidel war wenige Stimmen hinter Chrupalla gelandet. Chrupalla aber wollte kein schlechtes Haar an Weidel lassen. Auch sie wäre eine gute Kanzlerkandidatin, meinte er.

Ist die AfD ein Wolf im Schafspelz?

"Dieser Parteitag hat zwei Parteichefs der AfD bestätigt mit 80 Prozent. Das gab es in unserer Partei noch nie", betonte er. Die AfD werde Personaldiskussionen im nächsten Frühjahr führen und dann einen Kanzlerkandidaten oder eine Kandidatin aufstellen. "Wenn wir zweitstärkste Kraft in den Umfragen sind, müssen wir den Frontalangriff auf diese Regierung natürlich bei diesen Bundestagswahlen führen. Und wir wollen natürlich nach der Kommunalpolitik, nach der Landespolitik auch irgendwann im Bund regieren, ganz klar", so Chrupalla.

Preiß konfrontierte ihn daraufhin mit der Ablehnung vieler Deutscher vor der AfD. "73 Prozent der Deutschen sagen, die AfD ist eine Gefahr für die Demokratie. Herr Chrupalla, ist die AfD ein Wolf im Schafspelz?", fragte er.

Chrupalla: "Davor haben viele Angst"


Chrupalla meinte: "Am Ende hat man doch nur Angst, dass die AfD regiert und sich endlich was zum Guten in diesem Land verändert." Mit der AfD werde sich einiges ändern, vor allem in den ersten Tagen, in denen sie regiert. "Das werden wir auch den Wählern beweisen. Und davor haben viele Angst. Das glaube ich", sagte er.

Chrupalla hatte dann noch die Chance, darzulegen, was das genau bedeutet. Dabei konzentrierte er sich vor allem auf das meistbespielte Thema der AfD: Migration. "Eine rigorose Migrationspolitik, die zu sofortigen Grenzkontrollen führen würde. Abschiebungen würden stattfinden – ganz klar – für diejenigen, die in Deutschland nichts zu suchen haben. Kriminelle Asylbewerber oder auch Migranten würden abgeschoben werden", sagte er.

Sofortige Maßnahmen der AfD

Auch eine Kehrtwende in der Energiepolitik zähle dazu. Die AfD würde sofort Kernkraftwerke wieder einsetzen und die Kernkraftforschung wieder in Gang bringen. "Damit wir das Energieangebot ausweiten", sagte er. Außerdem würde die AfD wieder russisches Gas in die Leitungen bringen und die Corona-Politik aufarbeiten.

Preiß schloss das Interview mit den Gerichtsurteilen, die die AfD als Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einordnen. Die AfD nehme die Urteile und Bewertungen ernst, versicherte Chrupalla. Dennoch werde die "Verhältnismäßigkeit oft überschritten, weil man über Dinge tagelang vor Gericht diskutiert", sagte er.

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