• Eine Initiative hat laut eigenen Angaben deutschlandweit Tausende Plakate aufgehängt, die mit alarmistischen Slogans vor einer Regierungsbeteiligung der Grünen warnen.
  • Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, spricht von einer "rechten Schmutzkampagne" mit "dubioser Finanzierung".
  • Klar ist: Hinter der Aktion steckt ein altbekannter Tarnverein mit großer Nähe zur AfD.

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Drei verwelkte Sonnenblumen, drei Schlagwörter, ein grüner Hintergrund – fertig ist das Anti-Grünen-Plakat. Bundesweit hat eine rechte Initiative Plakate mit alarmistischen Slogans wie "Klimasozialismus", "Ökoterror" oder "LGBTQ-Propaganda" aufhängen lassen, um damit vor einer Regierungsbeteiligung der Grünen zu warnen.

Laut eigenen Angaben will man mehrere Tausend Großflächen-Poster in 50 Städten aufgehängt haben. Sehr viel Aufwand, um Wahlkampf gegen die Partei zu machen, deren Spitzenkandidatin Annalena Baerbock weiterhin Chancen auf die Kanzlerschaft hat.

Kein Logo, kein Parteisymbol – auf den ersten Blick ist nicht offensichtlich, wer hinter der Aktion steckt, die der Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner in einer Rundmail an Parteianhänger als "rechte Schmutzkampagne" bezeichnet. Kellner zufolge hat die Aktion "mit Sicherheit viel Geld gekostet", er schreibt von "AfD-nahen Akteuren" mit "dubioser Finanzierung".

Auf den Plakaten selbst wird, wie auf der dazugehörigen Webseite, auf die Conservare Communication GmbH mit Sitz in Hamburg verwiesen. Das Unternehmen wird im Internet als Finanzier der Kampagne angegeben, es gibt auch das AfD-Unterstützer-Blatt "Deutschland-Kurier" heraus.

Geschäftsführer der Conservare Communication GmbH, Sprecher der aktuellen Anti-Grünen-Kampagne sowie Chefredakteur des "Deutschland-Kurier" ist dieselbe Person: David Bendels.

Ominöser Tarnverein mit zahlreichen AfD-Verbindungen

Bendels ist kein Unbekannter: Das Ex-CSU-Mitglied macht seit Jahren mit seinem "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten" kostspielige Werbekampagnen für die AfD, on- wie offline. Beobachter zählen den Verein mit Sitz in Stuttgart zu den größten finanziellen Unterstützern der AfD.

Der Verein sei "politisch ungebunden", sagte Bendels dazu 2017 in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Und: "Es gibt keine Verbindungen zwischen dem 'Deutschland-Kurier' und der AfD."

Laut Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" unterhält die AfD allerdings sehr wohl enge Kontakte zu dem Verein. Dieser hatte etwa in mehreren Wahlkämpfen Plakate und Broschüren produziert, die zur Wahl der AfD aufriefen.

Von Bendels existieren auch zahlreiche Fotos, die ihn mit AfD-Größen wie Alice Weidel, Alexander Gauland oder Björn Höcke sowie bei Veranstaltungen der Partei zeigen, darunter auch im Bundestag.

Zur aktuellen Aktion sagte Bendels der Deutschen Presse-Agentur (dpa), es handele sich um eine "zugespitzte 'Anti-Grünen'-Kampagne". "Wir hoffen, dass wir vielen Wahlberechtigten verdeutlichen können, dass von den Grünen eine massive Gefahr für Deutschland ausgeht." Die Kampagne stehe laut ihm "in keinerlei Zusammenhang mit der AfD", auch sein Verein habe damit nichts zu tun.

AfD-Sprecher Peter Rohling sagte der dpa auf Anfrage, es gebe "keinerlei Verbindung zwischen der AfD und der in Rede stehenden Anti-Grünen-Kampagne". Die Partei trete für Positionen ein, die jenen der Grünen diametral entgegenstünden. "Deshalb warnen wir auch vor einer Wahl der Grünen in die nächste Bundesregierung. Eine Negativ-Kampagne Dritter benötigen wir nicht dazu."

Woher kommt das Geld?

Woher kommt aber das Geld für die vielen Kampagnen von Bendels? Auf der inzwischen abgeschalteten Webseite seines Vereins stand: "Die Aktionen des Vereins werden durch die Spenden der vielen Tausend Unterstützer finanziert." Aus Sicht der Transparenzorganisation LobbyControl stehen hinter der Organisation und seinen Aktivitäten allerdings vielmehr wenige finanzkräftige anonyme Großspender.

Das Problem: "Die indirekte Wahlwerbung über den Verein umgeht die Transparenzregeln des Parteienrechts. Bis heute bleiben die Finanziers im Dunkeln", erklärt LobbyControl. "Die einzige Konstante ist die Schweizer PR-Agentur Goal AG, die eine zentrale Rolle bei den Aktivitäten des Vereins spielt."

Seit einem Bericht der ZDF-Sendung "Frontal21" und des Recherchenetzwerks Correctiv im März haben sich die Hinweise verdichtet, dass der Schweizer Milliardär Henning Conle AfD-Politiker unterstützte – verdeckt über die Goal AG.

Rechtlich haben die Grünen keine Handhabe

Die Goal AG wiederum soll etwa AfD-Chef Jörg Meuthen im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2016 mit einer rund 90.000 Euro teuren Werbekampagne unterstützt haben. Die Staatsanwaltschaft Berlin sah laut "Spiegel" einen Anfangsverdacht auf eine Straftat wegen der Annahme illegaler Parteispenden.

Seit Anfang Juli prüft das EU-Parlament die Aufhebung von Meuthens Abgeordnetenimmunität, wegen der Annahme anonymer Spenden hatte die Bundestagsverwaltung gegen die AfD bereits im Oktober 2019 ein Bußgeld in Höhe von 269.400 Euro verhängt.

Im aktuellen Fall könnten die Grünen rechtlich nichts gegen die gegen sie gerichtete Kampagne tun, betont Bundesgeschäftsführer Kellner. Inhaltlich sind die Plakate von der Meinungsfreiheit gedeckt, die verdeckte Anti-Wahlwerbung nutzt zudem eine Lücke in den Transparenzvorschriften für Parteien. Während Parteispender ab einer Spende in Höhe von mehr als 10.000 Euro offengelegt werden müssen, können die Finanziers von Vereinen verborgen bleiben.

Verwendete Quellen:

  • LobbyControl: "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten"
  • Süddeutsche Zeitung: "Neue Verbindungen zwischen AfD und dubiosem Unterstützerverein entdeckt"
  • Deutschlandfunk: "'Keine Verbindung zur AfD'"
  • Der Spiegel: "Staatsanwaltschaft beantragt Aufhebung der Immunität von AfD-Chef Meuthen"
  • Correctiv: "Der Schattenmann"
  • E-Mail von Michael Kellner an Parteianhänger
  • Meldungen der Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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