Die AfD wirkt wegen ihrer baden-württembergischen Krise und dem Führungsstreit um die Richtlinienkompetenz sehr angeschlagen. Sie droht am Ringen um ein klares Profil zu zerbrechen. Wie dieses aussehen könnte und wer die Zukunftsfiguren der Partei sind – Antworten eines Parteienforschers.
Das Profil der Alternative für Deutschland (AfD) schärft sich. Bisher war die AfD ein Sammelbecken für Systemkritiker und EU-Skeptiker, aber eben auch für Rechtspopulisten und Fremdenfeinde. Angesichts der jüngsten Auseinandersetzungen in der Führungsspitze wirkt es, als wolle die Partei endgültig greifbar positionieren. Die Gemengelage ist schwer zu durchschauen. Unsere Redaktion bietet Antworten auf die aktuell wichtigsten Fragen.
Wie könnte das Profil der AfD letztlich aussehen?
Die innerparteiliche Streitigkeiten kämen nicht überraschend, erklärt Parteienforscher Prof. Dr. Werner Patzelt von der TU Dresden, "weil jede junge Partei echte und Möchtegern-Alphatiere hat, die sich erst in eine Rangordnung hineinfinden müssen". Es gebe außerdem stets inhaltliche Streitigkeiten.
"Überraschend ist aber, dass eigentlich vernünftige Leute wie
Dieser sorge für die fallenden Umfragewerte. "Und natürlich ringt die AfD um ihr Profil", sagt er. "Unbedingt muss sie eine klar nicht-antisemitische Partei sein, wenn sie politisch Erfolg haben will. Andererseits sind in der Anhängerschaft, und offensichtlich auch unter den Mitgliedern, eine Menge Leute, die anscheinend antisemitische Ansichten haben und die unser politisches System für schlecht halten."
Die Führung der AfD stünde deshalb vor der schwierigen Aufgabe, "einerseits eine vernünftige Partei sein zu wollen, andererseits etliche nicht-vernünftige Mitglieder und noch mehr nicht-vernünftige Wähler zu haben." Wie könnte das Profil letztlich also aussehen? Patzelt: "Sich von der stets der AfD zugeschriebenen Fremdenfeindlichkeit zu distanzieren, ist offenkundig die Absicht."
Wird die AfD noch radikaler oder politisch milder?
Was im Bundesparteiprogramm stünde, sei nicht radikal, sondern umfasse viele alte CDU-Positionen, schildert Patzelt. "Teil der AfD-Familienpolitik ist, dass geschlechtsverschiedene Eltern zwei bis drei Kinder ohne Armutsrisiko bekommen können sollen. Eine Anschlussposition ist, dass man bei so vielen Kindern viel weniger Einwanderung braucht. Ist das schon fremdenfeindlich?", fragt er.
Zum Parteiprogramm gehöre die Vorstellung, dass sich Demokratie am verlässlichsten im Rahmen des Nationalstaats verwirklichen lasse, sagt er. Diese Ansicht habe unlängst die Briten zum Brexit gebracht. "Bei der AfD mündet sie in die de Gaulle'sche Vision eines "Europa der Vaterländer".
Wenn man die Positionen der AfD also nach und nach durchgeht, findet sich nichts Radikales, sondern erkennt man im Wesentlichen Vorstellungen, die noch vor 25, 30 Jahren normale bundesdeutsche Positionen waren." Fazit: Löst sich die AfD vom antisemitischen und fremdenfeindlichen Charakter einiger Mitglieder stünde sie deutlich gemäßigter da.
Verschwindet die Fremdenfeindlichkeit aus der AfD?
Patzelt beschwichtigt. Es gebe zwar eine starke Ablehnung der "durchaus fehlerhaften" Einwanderungspolitik unseres Landes, meint er. Diese kritisiere mittlerweile aber etwa auch der Grünen-Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, als großen Fehler.
"Manche in der AfD drücken sich eben populistischer, plakativer, polemischer aus als Palmer. Ich jedenfalls sehe nicht, dass Leute wie Meuthen oder Petry schlicht fremdenfeindlich wären", sagt er. "Für einen Teil der Wähler und der Anhängerschaft der AfD gilt das aber."
Die AfD sei de facto die einzige Partei, die sich klar am rechten Rand des demokratischen Spektrums positioniere. "Deswegen muss es niemanden wundern, dass Rechte die AfD wählen." Ergo: Fremdenfeindliche Mitglieder dürfte es in der AfD sehr wohl weitergeben.
Petry, Gauland, Meuthen - wer sind die Zukunftsfiguren der AfD?
"Wenn die AfD nicht bald zu einer klaren Hackordnung und einmütigen Führung findet, wird sie ohnehin keine sonderliche Zukunft haben", erzählt der Parteienforscher. "Die Umfragen weisen derzeit nach unten, weil die Wähler keinen zerstrittenen Haufen haben wollen."
Besonders büßen müsse Parteichefin Petry den offen ausgetragenen Zwist. "Petry hat sich durch ihr ungeschicktes Agieren in der baden-württembergischen Krise etliche neue Gegner gemacht", sagt er. "Wenn hier jemand den Kürzeren zieht, dann vermutlich sie."
Alexander Gauland (AfD-Vize, d. Red.) gehöre zum Rückgrat der AfD, könne die Partei gemeinsam mit Meuthen auf Kurs halten. Meuthen selbst wirke derzeit wie der starke Mann. Doch auch er habe Schade genommen, erklärt Patzelt. "Die Wunden in Baden-Württemberg sind nicht verheilt, der innerparteiliche Streit geht weiter."
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