• Angela Merkel hat am Mittwoch im Bundestag eine Regierungserklärung zur Entwicklung der Lage in Afghanistan abgegeben - und dabei Fehler eingestanden.
  • Zugleich zeigte sich die Bundeskanzlerin erschüttert über die Szenen, die sich seit Tagen am Flughafen der Hauptstadt Kabul abspielen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Fehleinschätzungen der internationalen Gemeinschaft bei der Entwicklung in Afghanistan nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte eingeräumt. Es sei unterschätzt worden, "wie umfassend und atemberaubend" schnell der Widerstand gegen die Taliban aufgegeben worden sei, sagte Merkel am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag zum Debakel beim Abzug der Bundeswehr und der westlichen Verbündeten aus Afghanistan.

Die gesamte internationale Koalition habe die Geschwindigkeit dieser Entwicklung "ganz offensichtlich unterschätzt". Die Kanzlerin zeigte sich erschüttert über die Lage in Afghanistan und erinnerte an das Elend der dort lebenden Menschen: "Die Entwicklungen der letzten Tage sind furchtbar, sie sind bitter." Für die Menschen in Afghanistan sei dies eine "einzige Tragödie", vor allem für diejenigen, die sich für eine freie Gesellschaft eingesetzt hätten.

Man werde Zeuge, mit welcher Verzweiflung Menschen auf den Flughafen von Kabul zu gelangen versuchten, um einen Platz in einem rettenden Flugzeug zu bekommen, bemerkte Merkel. Es spielten sich furchtbare menschliche Dramen ab, etwa wenn Eltern ihre Babys und Kleinkinder über die Mauern des Flughafens in die rettenden Hände verbündeter Soldaten zu legen versuchten oder wenn Menschen in Panik vor dem Flughafen zu Tode getreten würden.

Bundeskanzlerin schildert Dilemma bei Evakuierung afghanischer Ortskräfte

Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Ortskräfte-Evakuierung in Afghanistan beschrieb die CDU-Politikerin als schwieriges Dilemma. "Stellen wir uns für einen Moment vor, Deutschland hätte im Frühjahr nicht nur mit dem Abzug der Bundeswehr begonnen, sondern gleich auch mit dem Abzug von Mitarbeitern und Ortskräften deutscher Hilfsorganisationen", sagte sie.

"Manche hätten dies sicher als vorausschauende Vorsicht gewürdigt, andere dagegen als eine Haltung abgelehnt, mit der Menschen in Afghanistan im Stich gelassen und ihrem Schicksal überlassen werden." Beide Sichtweisen hätten ihre Berechtigung.

Die Bundesregierung habe damals sehr gute Gründe dafür gesehen, den Menschen in Afghanistan nach dem Abzug der Truppen wenigstens in der Entwicklungszusammenarbeit weiter zu helfen - "ganz konkrete Basishilfe von Geburtsstationen bis zur Wasser- und Stromversorgung".

Im Nachhinein sei es leicht, die Situation zu analysieren und zu bewerten. "Hinterher, im Nachhinein alles genau zu wissen und exakt vorherzusehen, das ist relativ mühelos", sagte Merkel. Doch die Entscheidung habe in der damaligen Situation getroffen werden müssen. Jetzt konzentriere man sich "mit ganzer Kraft" auf die Evakuierungsflüge.

Merkel versichert, Evakuierung "so lange wie möglich" fortzusetzen

Merkel versicherte, die Rettungsmission aus Afghanistan "so lange wie möglich" fortzusetzen. Sie machte aber keine Angaben dazu, wie lange die Evakuierungsflüge der Bundeswehr noch andauern. Aus Sicherheitskreisen hieß es zuvor, dass die Bundeswehr-Luftbrücke voraussichtlich schon am Freitag enden werde. Merkel betonte, das Ende der Luftbrücke dürfe nicht das Ende der Bemühungen sein, afghanischen Ortskräften zu helfen.

Merkel sagte, ihre Gedanken seien bei den Soldatinnen und Soldaten, die ihren Einsatz mit ihrem Leben bezahlt hätten, unter ihnen auch 59 Deutsche, sowie bei denen, die durch ihren Einsatz in Afghanistan bleibende Verletzungen an Leib und Seele davongetragen hätten. In persönlichen Worten erwähnte sie dabei auch einen ihrer früheren Personenschützer, der bei einem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr getötet worden war. (dpa/AFP/mf)

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