Im internationalen Vergleich hat Deutschland ein gut funktionierendes Gesundheitssystem. Allerdings wachsen Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit. Das geht aus einer Umfrage des Instituts Allensbach hervor. Langes Warten auf Termine und Medikamentenengpässe bereiten vielen Menschen Sorgen.
Alles ist eine Frage der Perspektive. Das gilt auch für die Gesundheitsversorgung in Deutschland.
Im Vergleich zu vielen anderen Staaten der Welt funktioniert das Gesundheitssystem hierzulande gut. Die Versorgung ist über die Krankenversicherung größtenteils kostenlos und von guter Qualität. Doch vielleicht gerade weil die Menschen einen hohen Standard gewohnt sind, sinkt das Vertrauen in ein leistungsfähiges System.
Das geht aus Zahlen hervor, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) erhoben hat. Der Umfrage zufolge sind 67 Prozent der Deutschen mit dem Gesundheitssystem zufrieden – also zwei von drei Bürgerinnen und Bürgern. Das ist zwar eine Zweidrittelmehrheit. Nur zwei Jahre zuvor lag die Zufriedenheit aber noch bei 81 Prozent.
Dem Allensbach-Institut zufolge beruht die repräsentative Bevölkerungsumfrage auf 1.003 Interviews im direkten Gespräch im Zeitraum vom 5. bis 19. Juli 2024.
Viele Befragte erfahren lange Wartezeiten
40 Prozent der Befragten geben an, sie hätten in den vergangenen zwei bis drei Jahren schlechtere Erfahrungen mit der ärztlichen Versorgung gemacht. 2019 lag dieser Anteil mit 18 Prozent noch deutlich niedriger. Nur 7 Prozent haben im aktuellen Zeitraum bessere Erfahrungen gemacht. Vor fünf Jahren waren es noch 20 Prozent. Die Zahl der Unzufriedenen wächst also.
Auch zu den Gründen gibt die Umfrage einen Hinweis: Erfahrungen mit Engpässen und Mangelsituationen würden das Vertrauen in das Gesundheitssystem untergraben, schreibt die Geschäftsführerin des Allensbach-Instituts, Renate Köcher, in der FAZ.
77 Prozent der Befragten haben demnach in den vergangenen Jahren persönlich oder bei einem Familienmitglied erlebt, dass man lange auf einen Termin bei einem Arzt oder einer Ärztin warten muss.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sprach schon vor einem Jahr gegenüber der "Rheinischen Post" von Wartezeiten von "30 Tagen und mehr". Bei manchen Fachdisziplinen wie Psychotherapie, Haut- oder Augenheilkunde sind diese in manchen Regionen erfahrungsgemäß aber noch deutlich länger.
Spürbarer Medikamenten- und Ärztemangel
In der Umfrage geht es noch um weitere Engpässe: 54 Prozent der Befragten erlebten, dass gewünschte oder gebrauchte Medikamente nicht verfügbar waren. Von Problemen, überhaupt bei einer Ärztin oder einem Arzt als neuer Patient aufgenommen zu werden, berichten 43 Prozent.
Der Mangel an Medizinerinnen und Medizinern wird zudem immer spürbarer. 38 Prozent der Befragten sagen in diesem Jahr: Es gibt einen Ärztemangel in ihrer Region. 2019 sahen diesen Mangel 24 Prozent der Befragten, 2011 waren es nur 13 Prozent. In Ostdeutschland ist der Ärztemangel offenbar besonders zu spüren: Da nehmen ihn 54 Prozent der Befragten wahr.
Misstrauen gegenüber Politik
Das Bundesgesundheitsministerium hat sich für diese Wahlperiode zahlreiche Reformprojekte vorgenommen. So soll zum Beispiel der Pflegeberuf attraktiver werden, in dem Pflegekräfte mehr Befugnisse bekommen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) arbeitet derzeit an einem knappen Dutzend Gesetzen – etwa zur Stärkung der Versorgung mit Apotheken und zur Digitalisierung des Gesundheitswesens. Sein größtes Vorhaben ist aber die Krankenhausreform. Damit will der Minister erreichen, dass die Klinikversorgung gerade im ländlichen Bereich erhalten bleibt, die einzelnen Häuser sich aber stärker spezialisieren. Lauterbach will so die Qualität der Behandlungen verbessern und gleichzeitig Kosten sparen.
Trotzdem herrscht bei vielen Menschen Misstrauen – gerade gegenüber der Politik. 48 Prozent der Befragten äußern sich in der Allensbach-Umfrage kritisch zur aktuellen Gesundheitspolitik. Vor zwei Jahren war der Anteil mit 33 Prozent noch deutlich geringer. (fab)
Verwendete Quelle
- Frankfurter Allgemeine Zeitung: Vertrauen ins Gesundheitssystem sinkt rapide
- Rheinische Post: Wo Kassenpatienten in NRW lange warten müssen
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