- Die Corona-Pandemie ist nicht der Zeitpunkt, eine Amtsübergabe zu zelebrieren oder sich langsam einzufinden.
- Olaf Scholz agiert de facto schon seit Wochen als Kanzler. Die verfrühte Amtsübergabe schien die Ampel lange verpatzt zu haben.
- Dass die künftige Bundesregierung bei der Corona-Bekämpfung bisher keinen klareren Kurs gefunden hat, dürfte auch an internen Spannungen liegen.
Am Vorabend hat er sich bereits wie ein Bundeskanzler an die Bürger gewandt: Einsam saß
Die Szenen zeigen die Zwiegespaltenheit, in der die alte und die wohl neue Bundesregierung gerade sind, vor dem Hintergrund einer sich dramatisch zuspitzenden Krise, die täglich Hunderte Leben fordert. Sie deuten aber auch darauf hin, dass man sich vielleicht im letzten Moment doch nochmal zusammengerauft hat. "Es wird hier entschieden gehandelt – und was mir besonders wichtig ist: einvernehmlich", sagt Scholz. Haben er und seine Ampel-Regierung den Fehlstart nochmal abgewendet?
Fest steht: Die Corona-Pandemie ist nicht der Zeitpunkt, eine Amtsübergabe zu zelebrieren oder sich langsam einzufinden. Im Grunde muss Scholz hinter den Kulissen schon seit Wochen als Kanzler agieren, bevor er Kanzler ist - und das im Zusammenspiel mit der amtierenden
Diese verfrühte Amtsübergabe schien die Ampel lange verpatzt zu haben. So drückten SPD, Grüne und FDP durch, dass der Status der epidemischen Lage nationaler Tragweite beendet wurde - eine wichtige Grundlage harter Corona-Maßnahmen. Zugleich schrieben sie zwar 3G am Arbeitsplatz, in Bussen und Bahnen vor - und damit schärfere Regeln als zuvor. Doch die Länder beschwerten sich laut, ihnen würden Instrumente wie Ausgangssperren und Lockdown-Maßnahmen genommen. Allerdings nutzten lange nicht alle den vollen Maßnahmenkatalog aus.
Hängen blieb in der Öffentlichkeit, die Ampel-Regierung habe die Corona-Pandemie quasi für beendet erklärt. Dass das zumindest kommunikativ schief lief, dürfte inzwischen auch SPD, Grünen und FDP klar sein. Jetzt soll der Bundestag nachbessern und Ländern wie Regionen die Möglichkeit zurückgeben, bei hoher Infektionsrate Gaststätten zu schließen und Hotelübernachtungen zu beschränken. Im Grunde wird weitgehend das zurückgenommen, was die Ampel gerade erst beschlossen hat. Dazu kommen ein geplanter Impf-Turbo, Beschränkungen für Ungeimpfte und strenge Regeln für die Silvesterparty.
Auch FDP-Fraktion diskutiert Impfpflicht - Lindner wohl dafür
Dass die wohl künftige Bundesregierung bei der Corona-Bekämpfung bisher keinen klareren Kurs gefunden hat, dürfte auch an internen Spannungen liegen. Die FDP hatte pauschale Corona-Beschränkungen besonders scharf kritisiert. Jetzt muss sie einsehen, dass es gerade vielleicht nicht ohne geht. Im Sommer hatte Parteichef
Allerdings machte er dazu eine Ansage: "Wir müssen im Sommer bei den steigenden, aber noch nicht bedrohlichen Zahlen die logistischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir im Herbst nicht wieder in einen neuen Lockdown kommen." Bloß: Das Argument, die alte Bundesregierung aus CDU und SPD habe die Weichen für Herbst und Winter schlecht gestellt, ist bald verbraucht.
Nun galoppieren die Corona-Zahlen und Deutschland steht beim Impfen schlecht da. Jetzt diskutiert deshalb auch die FDP-Fraktion eine Impfpflicht für Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen - und es kommen Forderungen nach einer allgemeinen Impfpflicht sogar aus ihren Reihen. Lindner selbst lässt erkennen, dass er wohl dafür stimmen würde. Von Corona-Skeptikern wird die FDP seitdem als Umfaller und Wahlbetrüger beschimpft.
Noch-Kanzlerin Merkel und Bald-Kanzler Scholz machen keinen Hehl daraus, wie sie die Impfpflicht-Frage für sich entschieden haben: Sie sind beide dafür. Wobei Merkel nicht mehr im Bundestag sitzt und daher nicht mit abstimmen wird.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) lobt die Kanzlerin nach ihrer wohl letzten Konferenz mit den Ministerpräsidenten: Bei ihr habe der Schutz der Bürger immer an erster Stelle gestanden - und sie habe immer den Schulterschluss mit den Ländern gesucht. Ein Wink mit dem Zaunpfahl an Scholz? Der hatte aber schon vorher ganz im Merkel-Ton versprochen: "Ich bin froh, dass in dieser schwierigen Lage der Schulterschluss funktioniert, dass die Parteipolitik in den Hintergrund tritt und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in den Vordergrund des gemeinsamen politischen Bestrebens - so soll es die nächste Zeit auch weiter sein." © dpa
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