Andrea Nahles soll die einst so starke Volkspartei SPD wieder auf Kurs bringen. Mit Thomas Walde spricht sie im Sommerinterview darüber, wie das gelingen kann. Dabei zeigt sich die SPD-Vorsitzende selbstbewusst und kampfeslustig. Eine wirklich neue Vision für ihre Partei kann sie aber nicht vermitteln.
Eines war schon vor dem Interview mit
Darüber haben Thomas Walde und Andrea Nahes gesprochen:
Rechtspopulismus
Laut einer selbst in Auftrag gegebenen Studie hält die SPD Parteien wie der AfD kaum etwas entgegen. Walde fragt Nahles direkt: "Warum machen Sie es Rechtspopulisten leicht?" Nahles sieht hier tatsächlich ein Defizit ihrer Partei und will deutlicher machen, "um welche Werte" es geht. Dazu gehöre auch, den vielen Anti-Europäern etwas entgegen zu halten.
Auf ihre Aussage angesprochen, wer Schutz brauche, sei willkommen, Deutschland könne aber nicht alle bei sich aufnehmen, wehrt sich Nahles gegen die Kritik aus den eigenen Reihen: "Ich greife keine rechte Rhetorik auf, wenn ich einfach nur eine Wahrheit ausspreche. Darüber hinaus ist der Unterschied, dass wir Sozialdemokraten niemals Politik auf dem Rücken der Schwächsten machen würden. Wir brauchen Klarheit ohne Ressentiments."
Einwanderungsgesetz
20 Jahre habe die SPD für das Einwanderungsgesetz gekämpft und nun sei es "endlich möglich, das zu verabreden", erklärt Nahles, denn "Fachkräftemangel gehört zu den großen Risiken unserer Gesellschaft." Gleichzeitig müsse man das Asylrecht verteidigen.
Dann geht es um den sogenannten Spurwechsel: Dieser bezeichnet die Möglichkeit, dass geduldete Asylbewerber, die sich integriert haben, bleiben können. Walde will wissen, ob die SPD in diesem Wunsch standhaft bleiben werde. Nahles Antwort: "Ich bin ausdrücklich der Meinung, dass zurzeit die falschen Leute abgeschoben werden. Nämlich gut integrierte Menschen, die in Arbeit oder Ausbildung sind. Denen sollten wir eine Chance geben. Das nennt sich 'Spurwechsel' und da werden wir hart bleiben."
Die SPD habe hier ein Vier-Milliarden-Programm aufgelegt, um den Leuten "Arbeit anzubieten. Nicht Jobs, nicht Maßnahmen, sondern Arbeit." In puncto Verbesserung der Hartz-Gesetze sieht Nahles durchaus Bedarf einer Evaluation.
Die Debatte um Hartz-IV, die laut Walde "wie ein Mühlstein um dem Hals der SPD" hänge, müsse man beenden, indem "wir einen Vorschlag machen, wie wir unseren Sozialstaat besser und gerechter machen", so Nahles.
SPD
Bei diesem Thema kam es Thomas Walde auf manche Widersprüchlichkeit innerhalb der SPD an. Bei den Ankerzentren beispielsweise sei die Bundespartei dafür, die SPD-regierten Länder würden diese aber nicht umsetzen. Bei Diesel-Fahrzeugen fordere die SPD-Umweltministerin eine Nachrüstung, für Niedersachsens Ministerpräsident Weil sei das hingegen keine Lösung.
Nahles Antwort hierzu: "Ich glaube, dass es sehr legitim ist, wenn ein niedersächsischer Ministerpräsident mit einem großen Automobilhersteller seine Position deutlich macht. Ich sage Ihnen: Die Mehrheit der SPD hat da eine klare Auffassung, dass wir uns freiwillige Nachrüstungen von den Unternehmen wünschen, denn wie sollen wir sonst die Probleme, die wir angerichtet bekommen haben durch diesen Skandal, lösen?"
So schlug sich Andrea Nahles
Nahles präsentierte sich kampfeslustig ("Sie gestatten mir in diesem Interview kaum, über Inhalte zu reden") und gleichsam selbstkritisch, gerade wenn es um die Fehler der SPD in den vergangenen Monaten oder um Gegenwind aus der eigenen Partei ging. So zum Beispiel bei der Kritik der Berliner SPD zu Nahles Aussage, man könne nicht alle aufnehmen: "Damit bin ich nicht zufrieden."
Gleichzeitig zeigte sich Nahles standfest in ihren Überzeugungen, auch wenn die zum Beispiel den Ergebnissen der Kommission widersprachen, die die Fehler der SPD analysiert hat: "Die haben irgendwelche Analysen gemacht, die muss ich ja nicht alle teilen."
So schlug sich Thomas Walde
Was Walde bei Gauland so gut gelang, nämlich an den richtigen Stellen hartnäckig nachzufragen, blieb diesmal nicht gänzlich, aber manchmal auf der Strecke. Bei Nahles Ausführungen zum Vier-Milliarden-Paket hätte Walde Nahles gerne näher ausführen lassen können, wie genau diese Investition denn aussehen soll. Der Staat als Arbeitgeber? Doch wieder nur Eingliederungsprogramme? Subventionierung von Arbeitsplätzen für eine bestimmte Zeit? So blieb Nahles Aussage nur ein Versprechen.
Ein anderes Mal konnte sich Nahles unbemerkt vom eigentlichen Thema, nämlich dem widersprüchlichen Verhalten der SPD in puncto Ankerzentren, zu einem ganz anderen Thema davonstehlen.
Das Fazit des Sommerinterviews
Das Sommerinterview mit Andrea Nahles war weder ein hartnäckiger Schlagabtausch noch ein belangloses Geplauder. Stattdessen konnte die SPD-Chefin erklären, dass im Politikalltag eben nicht immer das hinten rauskommt, was man vorne (an Gesetzesentwürfen) reingeschoben hat.
Gleichzeitig konnte Walde Andrea Nahles auf handfeste Aussagen wie zum Beispiel beim Spurwechsel festnageln. Andere Aussagen fielen eher en passant, zum Beispiel, als Nahles während des Gesprächs über den Zustand der SPD offenbarte, dass sie bei Diesel-Nachrüstungen nur eine freiwillige Lösung im Visier hat.
Die Profildarstellung der SPD, die Nahles im Interview betrieb, kam selbstkritisch und selbstbewusst zugleich daher. Einen wirklichen Neuanfang, eine echte Vision für eine neue SPD konnte Nahles aber trotzdem nicht versprühen: "Wir sind die Partei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer."
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