• In der Ampel-Koalition regt sich Widerstand gegen die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verordnete Gasumlage.
  • Die Grüne Jugend fordert stattdessen einen Preisdeckel. SPD und FDP pochen auf strengere Voraussetzungen für Unternehmen.
  • Die oppositionelle CDU will die Umlage im Bundestag stoppen.

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Die Gasumlage soll Import-Unternehmen vor der Pleite bewahren und damit auch die Energieversorgung sicherstellen. Doch das Instrument stößt auf immer mehr Kritik – auch innerhalb der regierenden Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP.

Gasumlage ist aus Sicht von Habeck alternativlos

Vom Herbst an sollen alle Gaskundinnen und -kunden eine Abgabe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Für eine Familie in einem Einfamilienhaus mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden könnten dadurch Mehrkosten von 484 Euro im Jahr entstehen. Das Geld fließt an Gas-Importeure. Diese sind wegen der stark gestiegenen Importpreise für Gas zum Teil in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Gründe sind der russische Krieg in der Ukraine, die Sanktionen des Westens und die daraufhin gedrosselten Gaslieferungen aus Russland.

Aus Sicht von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist die Umlage die "gerechteste" Art, die Kosten in der Gesellschaft zu verteilen. "Die Alternative wäre der Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes gewesen", sagte er in der vergangenen Woche.

Sarah-Lee Heinrich: "Das kann man den Menschen nicht erklären"

Widerspruch erhält der Grünen-Politiker jetzt auch aus den eigenen Reihen. "Die Regierung sollte das Wohl der Menschen und nicht das Recht auf Gewinne in den Mittelpunkt stellen", sagte die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, dem "Spiegel" (Bezahlinhalt). "Die Gasumlage war von Anfang an der falsche Weg."

Heinrich fordert die Einführung einer Übergewinnsteuer und eines Gaspreisdeckels. "Es kann nicht sein, dass die Gesellschaft jetzt die Verluste tragen soll, während viele Unternehmen in dieser Krise Übergewinne gemacht haben. Das kann man den Menschen, die nicht wissen, wie sie durch den Winter kommen sollen, überhaupt nicht erklären", sagte sie.

Nicht alle Profiteure sind in wirtschaftlichen Schwierigkeiten – Kritik von SPD und FDP

Nachbesserungen an der Umlage fordert auch die mitregierende FDP. "Es sollten damit ausschließlich Unternehmen unterstützt werden, die sich in einer marktgefährdenden Schieflage befinden", sagte der Bundestagsabgeordnete und Energieexperte Michael Kruse der "Rheinischen Post" vom Donnerstag. "Minister Habeck wäre gut beraten, an dieser Stelle nachzuschärfen und die Grundlage für die Umlage anzupassen".

Anspruch auf Geld aus der Umlage haben zwölf Unternehmen angemeldet. RWE hat gleichzeitig erklärt, vorerst auf eine Zahlung zu verzichten. Die Ansprüche belaufen sich auf insgesamt rund 34 Milliarden Euro. Ein Großteil entfällt auf die angeschlagenen Gasimporteure Uniper und Sefe (ehemals Gazprom Germania). Es gibt aber auch Unternehmen auf der Liste, die derzeit nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind.

Beschlossene Energiesparregeln: Städtebund hält einige für kaum überprüfbar

Die beschlossenen Energiesparregeln der Bundesregierung sehen unter anderem vor, dass "in beheizten Geschäftsräumen des Einzelhandels" das "dauerhafte Offenhalten von Ladentüren und Eingangssystemen, bei deren Öffnung ein Verlust von Heizwärme auftritt", untersagt sei - "sofern das Offenhalten nicht für die Funktion des Ein- oder Ausganges als Fluchtweg erforderlich ist". Die Kommunen sehen sich jedoch nach Darstellung des Städtebundes kaum in der Lage, die Einhaltung der Regeln komplett auf Einhaltung zu überprüfen. Teaserbild: IMAGO /xblickwinkel/C.xKaiserx

Auch SPD-Chefin Saskia Esken sieht Bundeswirtschaftsminister Habeck daher in der Pflicht. Er müsse "dafür sorgen, dass Leistungen aus der Gasumlage der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Konzerne gerecht werden", sagte sie der Zeitung.

Die Umlage sei dazu gedacht, die Lasten durch den höheren Aufwand für die Gasbeschaffung fair zu verteilen. "Konzerne, die in anderen Sparten mehr als gutes Geld verdienen, können und müssen sich aber selbst helfen", mahnte Esken.

CDU will Rücknahme im Bundestag beantragen

Auch die CDU hat die Uneinigkeit in der Koalition offenbar entdeckt – und will diese nun nutzen. "Diese Gasumlage gehört abgeschafft", sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja am Mittwoch in Berlin nach Beratungen von Präsidium und Bundesvorstand. Die Unionsfraktion werde in der nächsten Bundestagswoche beantragen, sie zurückzunehmen. Dies könne der Bundestag nach dem Energiesicherungsgesetz beschließen.

Czaja sagte: "Wir halten die Gasumlage für handwerklich extrem schlecht gemacht, sie ist zudem unsozial, und sie erreicht nicht die richtigen Unternehmen, die man damit entlasten will." Zwar stimme die CDU zu, dass der Uniper-Konzern gestützt werden müsse. "Aber nun sollen 3,5 Milliarden Euro aus der Gasumlage an Unternehmen gehen, die im ersten Halbjahr fast durchgängig hohe Gewinne gemacht haben."

Auch Habeck fordert Unternehmen jetzt zum Verzicht auf

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte die Umlage. Der Grünen-Politiker machte am Mittwoch deutlich, dass sie der Versorgungssicherheit diene. "Dass das eine schmerzhafte Operation ist, mit Zumutungen verbunden, ist unstrittig." Die sozialpolitischen "Unwuchten" müssten durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden. Diejenigen, die sich die hohen Energiekosten und die Umlage nicht leisten könnten, müssten finanziell so unterstützt werden, dass sie durch Energie nicht in Armut gedrängt werden.

Am Donnerstag klang Habeck dann allerdings schon etwas anders. Er verwies noch einmal auf RWE, das die Gasumlage nicht in Anspruch nehmen will. "Es wäre auch vernünftig, wenn Unternehmen, die gute Gewinne machen, das tun", sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag in Gelsenkirchen am Rande einer Werksbesichtigung.

Wegen der Rechtsgleichheit sehe das Gesetz vor, dass alle Unternehmen ihren russischen Gasanspruch geltend machen könnten. "Wir sehen aber natürlich auch, wie viel Trittbrettfahrer es jetzt gibt." Namen nannte Habeck nicht. Auf die Frage, ob es bereits Hinweise von Unternehmen gebe zu verzichten, sagte er: "Es gibt Gespräche mit einigen Unternehmen." (afp/dpa/fab)

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