Mit einer Feier der Superlative erinnert Frankreich an das Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. Frankreichs Staatschef Macron und Kanzlerin Merkel üben den Schulterschluss - und ein ganz wichtiger Gast kommt gar nicht zum Friedensforum.
Beim Gedenken an das Ende des verheerenden Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren haben Deutschland und Frankreich eindringlich vor dem erstarkenden Nationalismus und Gefahren für den Weltfrieden gewarnt. «Die alten Dämonen steigen wieder auf - bereit, ihr Werk von Chaos und Tod zu vollenden», sagte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bei einer großen Feier mit rund 70 Staats- und Regierungschefs im Schatten der Pariser Triumphbogens.
«Patriotismus ist genau das Gegenteil von Nationalismus.» Auf der Tribüne saßen bei regnerischem Wetter auch die Präsidenten Russlands und der USA,
Dabei habe der Krieg vor 100 Jahren gezeigt, wohin Isolationismus führen könne. Es würden zunehmend Eigeninteressen verfolgt, die im schlimmsten Fall zu gewaltsamen Ausbrüchen führen könnten. Laut Beobachtern waren ihre Bemerkungen wohl auch auf Trump gemünzt, der am dem Friedensforum in der Halle de la Villette im Osten der Hauptstadt aber nicht teilnahm.
Trump besuchte unterdessen einen US-Soldatenfriedhof westlich von Paris. Er wolle den tapferen Amerikanern Anerkennung zollen, die ihr Leben gelassen haben.
«Es war ein brutaler Krieg», sagte Trump. «Millionen amerikanische und französische Soldaten und Alliierte kämpften mit herausragendem Können und Mut in einem der blutigsten Konflikte in der Geschichte der Menschheit.»
Der Weltkrieg gilt als ein Wendepunkt der neueren Geschichte. Große Mächte wie das Deutsche Reich zerbrachen. Es starben fast neun Millionen Soldaten und mehr als sechs Millionen Zivilisten.
Rund 10 000 Sicherheitskräfte schützten die Gedenkfeier in Paris und das Friedensforum. Etwa 1000 Menschen demonstrierten laut Medien auf den Straßen der Hauptstadt gegen Trump, von Zwischenfällen wurde zunächst nichts bekannt. Allerdings gelang es der Frauen-Aktivistengruppe Femen an einem anderen Ort kurzzeitig, den Konvoi Trumps zu stören, indem mehrere Mitglieder mit nackten Oberkörpern auf die Straße liefen.
Macron blickte in seiner emotionalen Rede länger auf den blutigen Konflikt zurück, der von 1914 bis 1918 dauerte. «In diesen vier Jahren hat sich Europa fast umgebracht», resümierte er.
Ungeachtet der insgesamt harmonischen Atmosphäre bei der Gedenkfeier am äußersten Ende der Prachtstraße Champs-Élysées goss Macron neues Öl ins Feuer. Er forderte in einem Interview mit dem US-Sender CNN, dass Europa bei der Verteidigung eigenständiger werden und sich dabei nicht von US-Waffen abhängig machen solle. «Was ich nicht sehen möchte, sind europäische Länder, die ihr Verteidigungsbudget steigern, um (US-) amerikanische oder andere Waffen zu kaufen (...).»
Er fügte hinzu: «Wenn wir unser Budget steigern, geht es darum, unsere Eigenständigkeit aufzubauen.» Trump hatte bei seiner Ankunft in Paris am Freitag Macron heftig kritisiert. Anstoß war die von Macron ins Spiel gebrachte europäische Armee gewesen. Macron betonte nun in dem Interview, er arbeite mit Trump gut zusammen, obwohl es Meinungsunterschiede gebe, beispielsweise in der Klimapolitik.
Nicht nur Mahnung, sondern auch Ansporn
Merkel sagte mit Blick auf die heutige Weltlage: «Kein Staat, keine Religion, keine Bevölkerungsgruppe und kein einzelner Mensch darf von uns abgeschrieben werden.» So gelte es weiter, an einer politischen Lösung in Syrien zu arbeiten.
Und im Jemen ereigne sich derzeit wohl eine große menschliche Katastrophe, die deswegen nicht so präsent sei, weil es wenig Bilder davon gebe. Sie erinnerte daran, dass im vergangenen Jahr mehr als 220 gewaltsame Konflikte weltweit ausgetragen wurden und dass an die 70 Millionen Menschen auf der Flucht gewesen seien.
Macron rief in einem flammenden Appell eindringlich auf, für Frieden und eine bessere Welt zu kämpfen. Als konkrete Bedrohungen nannte er die Klimaerwärmung, Armut, Hunger oder die Ungleichheiten. Macron saß bei der Gedenkfeier neben Merkel, die wiederum neben Trump platziert war.
Als letzter Gast kam schließlich Putin, der sich neben Brigitte Macron setzte.
Anlässlich des Jahrestages läuteten um 11.00 Uhr in Frankreich die Glocken. Die Gemeinden in Frankreich waren dazu aufgerufen worden.
Das letzte Mal, dass sich in Paris so viele Staats- und Regierungschefs zu einer Gedenkveranstaltung versammelt haben, war nach dem islamistischen Anschlag auf das Satire-Magazin «Charlie Hebdo» im Januar 2015 gewesen. Sie waren damals zu einem Trauermarsch in die französische Hauptstadt gekommen - Millionen Menschen protestierten in den Pariser Straßen gegen Terror.
Mit einer Geste der Versöhnung und Einigkeit hatten Merkel und Macron am Samstag der Opfer des Ersten Weltkriegs gedacht. Merkel bedankte sich bei Macron für die Einladung nach Compiègne an die Stätte des Waffenstillstands von 1918.
Es sei das erste Mal seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland, dass ein Bundeskanzler mit dem französischen Präsidenten an diesem Ort gewesen sei, sagte sie in Paris. Das sei eine «symbolische Geste». «Insofern ist dieser Tag nicht nur Mahnung, sondern er ist auch Ansporn.» (br/dpa)
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