- Die ersten Antrittsbesuche, die die neue Außenministerin Annalena Baerbock absolviert hat, waren wohl eher Wohlfühltermine.
- Nach Paris und Brüssel dürfte das Treffen in Warschau allerdings heikel werden.
- Eine Reihe von Konfliktthemen stehen auf der Agenda.
Die neue deutsche Außenministerin
Die ersten Stationen ihrer Antrittsbesuche dürften für die amtierende Grünen-Chefin Baerbock eher Wohlfühltermine gewesen sein. In Paris beschwor sie am Donnerstag mit ihrem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian die deutsch-französische Freundschaft. In Brüssel tauschte sie sich mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg aus. Europa sei "Dreh- und Angelpunkt der deutschen Außenpolitik", sagte Baerbock.
Anschließend traf die erste Frau an der Spitze des Auswärtigen Amtes den US-Klimabeauftragten John Kerry, EU-Klimakommissar
Die wichtigsten Konfliktthemen in Warschau
Rechtsstaatlichkeit in der EU
Baerbock hatte schon zu Beginn ihrer Antrittsreise auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der EU gepocht. Voraussetzung für ein starkes und geeintes Europa sei, "dass wir als EU unsere Grundwerte ernst nehmen und die Regeln, die wir uns gemeinsam gegeben haben, auch durchsetzen". Ohne Ungarn und Polen zu nennen, ergänzte sie: "Gerade bei Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten können wir nicht zulassen, dass Europas Fundamente wegbröckeln."
In der EU gibt es seit Jahren Streit mit den Regierungen von Ungarn und Polen, weil sie sich ausweislich etlicher Gerichtsurteile nicht an EU-Recht halten. Kritiker werfen Warschau und Budapest vor, die Justiz entgegen der EU-Standards zu beeinflussen. So baut Polens nationalkonservative PiS-Regierung das Justizsystem um. Die EU-Kommission hat wegen der Reformen Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau eröffnet.
Die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2
Angesichts der Ukraine-Krise gerät auch die neue Ampel-Regierung wegen der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 immer stärker unter Druck. Warschau lehnt die Gasröhre strikt ab. Baerbock hatte im Wahlkampf in einem Interview gesagt: "Ich halte diese Pipeline nach wie vor für falsch, aus klimapolitischen Gründen, aber vor allem auch geostrategisch." Zwar steht auch die FDP dem Projekt skeptisch gegenüber, die SPD ist dagegen offener. Eine Zwickmühle für Baerbock.
Der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary, sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vor dem Besuch Baerbocks in Warschau: "Man darf dennoch gespannt sein, welchen Tonfall Annalena Baerbock in Polen anschlägt." Konfliktthemen seien reichlich vorhanden. "Ich bin gespannt, welche Zusagen die Nordstream-2-Gegnerin Baerbock ihrem polnischen Kollegen machen wird, oder ob ihre öffentlichen Aussagen dazu auf einmal vergessen sind."
Plakataktion mit Reparationsforderungen
Für Diskussionsstoff dürfte eine drastische Plakataktion in Warschau sorgen, mit der polnischen Reparationsforderungen für Kriegsschäden Nachdruck verliehen werden soll. Die Poster zeigen Ex-Kanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und den deutschen Botschafter in Warschau, Arndt Freytag von Loringhoven, in einer Reihe mit Adolf Hitler und dem NS-Propagandaminister Joseph Goebbels. Auf den Postern prangt neben den Logos rechtsnationaler Medien auch das Zeichen des polnischen Kulturministeriums. Eine regierungsnahe Stiftung hat das Projekt gefördert.
Das Auswärtige Amt in Berlin bezeichnete die Darstellungen als "diffamierend". Kurz vor dem Baerbock-Besuch war Verstimmung spürbar. Denn auch die nationalkonservative Regierungspartei PiS setzt erneut auf scharfe antideutsche Töne: Führende PiS-Vertreter unterstellen der neuen Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP, sie wolle aus der EU ein "Viertes Reich" machen.
Deutsche Minderheit in Polen
Insbesondere die rund 300.000 Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen seien Leidtragende der anti-deutschen Plakatkampagne und gerieten in diesem politischen Klima unter Druck von rechtspopulistischen Angriffen, kritisierte der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries.
Der Bundestagsabgeordnete teilte der dpa mit, er habe Baerbock in einem Brief auf die "zunehmend besorgniserregende Situation der deutschen Minderheit aufmerksam gemacht und sie gebeten, das Thema bei den anstehenden Regierungsgesprächen mit der gebotenen historischen Sensibilität, aber auch klar zu adressieren".
Die Deutschen wollten enge und freundschaftliche Beziehungen zu Polen pflegen, sagte de Vries. Wer wie Polen - beispielsweise in der Migrationskrise an der Grenze zu Belarus - Solidarität von den europäischen Partnern einfordere und zu Recht auch erhalte, dürfe aber im eigenen Land keine Diffamierungskampagnen gegen EU-Nachbarstaaten dulden. (dpa/ff)
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