- In einer "Ad-hoc-Stellungnahme zur Coronavirus-Pandemie" rät die Leopoldina zu einem harten Lockdown.
- Viel spricht dafür, dass die Corona-Zügel nach Weihnachten wieder angezogen werden, auch über Ladenschließungen wird diskutiert.
- Ob Bund und Länder das auch gemeinsam beschließen, ist noch nicht ausgemacht.
Angesichts anhaltend hoher Neuinfektionen fordert die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Corona-Maßnahmen drastisch zu verschärfen.
Die Schulpflicht sollte bereits ab nächster Woche bis zu den Weihnachtsferien aufgehoben werden und Kontakte "auf das absolute Mindestmaß reduziert" werden, heißt es in einer Pressemitteilung vom Dienstag.
"Ab dem 24. Dezember 2020 bis mindestens zum 10. Januar 2021 sollte in ganz Deutschland das öffentliche Leben weitgehend ruhen und ein harter Lockdown gelten."
Hierfür sollten alle Geschäfte bis auf die des täglichen Bedarfs geschlossen, die Weihnachtsferien in den Bildungseinrichtungen verlängert und das Homeoffice, wenn möglich, gestattet werden.
Drosten und Wieler gehören zu den Unterzeichnern
28 Wissenschaftler haben die Stellungnahme unterzeichnet, darunter neben den Virologen
Außerdem hat auch Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, an dem Papier mitgewirkt. Wirtschaftlichen Sachverstand brachte unter anderen Clemens Fuest, der Chef des ifo-Instituts, ein. Die Leopoldina begründet ihre Forderungen mit der hohen Zahl an täglichen Todesfällen und der derzeit enormen Belastung des medizinischen Personals in Krankenhäusern.
Sie fordert ein zweistufiges Vorgehen. Ab dem 14. Dezember 2020 sollte gelten:
- Die Kontakte im beruflichen wie privaten Kontext müssen auf das absolut notwendige Mindestmaß reduziert werden.
- Homeoffice muss wo immer möglich die Regel sein.
- Die allgemeine Schulpflicht sollte bereits ab diesem Zeitpunkt bis zum Beginn der Weihnachtsferien in den jeweiligen Bundesländern aufgehoben werden.
- Alle Gruppenaktivitäten im Bereich von Sport und Kultur müssen eingestellt werden.
- Wo immer möglich, sollten digitale Möglichkeiten anstelle von Präsenzangeboten genutzt werden.
Ab dem 24. Dezember 2020 bis mindestens zum 10. Januar 2021 sollte in ganz Deutschland das öffentliche Leben weitgehend ruhen, das heißt ein verschärfter Lockdown eingeführt werden. Hierfür sollten zusätzlich ...
- ... alle Geschäfte bis auf diejenigen des täglichen Bedarfs in diesem Zeitraum schließen.
- ... die Weihnachtsferien in den Bildungseinrichtungen bis zum 10. Januar 2021 verlängert werden.
- ... Urlaubsreisen und größere Zusammenkünfte während der gesamten Zeit vollständig unterbleiben.
- ... soziale Kontakte außerhalb des eigenen Haushalts auf ein Minimum reduziert werden.
Ob Bundesregierung und Ministerpräsidenten diese Forderungen aufgreifen und sich vor Weihnachten dazu noch einmal zusammensetzen, ist unklar. Am Dienstagmorgen kündigte der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im RBB allerdings eine Schalte an diesem Donnerstag an.
Nicht alle Länder-Regierungschefs halten das für notwendig. Bislang ist eine neue Ministerpräsidentenkonferenz für den 4. Januar geplant.
Corona-Pandemie: Merkel und Spahn sprechen sich für härtere Maßnahmen aus
Bundesgesundheitsminister
Der Minister schloss nicht aus, dass es auch einen erneuten Lockdown im Einzelhandel gibt. "Wir müssen das abhängig machen von den nächsten Tagen, ob es uns gelingt, die Zahlen runterzubringen."
Bayerischer Landkreis Regen mit Inzidenzwert 570
Die Politik ist besorgt, weil nach fünf Wochen Teil-Lockdown kein Absinken der Zahl der Neuinfektionen in Sicht ist. Vom Ziel, die Zahl auf unter 50 pro 100.000 Einwohnern über sieben Tage zu bringen, ist Deutschland weit entfernt. Aktuell unterschreitet kein Bundesland die Marke.
Im niederbayerischen Landkreis Regen, der am Montag einen Inzidenzwert von fast 570 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen aufwies, bekommen Schüler aller Jahrgangsstufen ab Mittwoch Distanzunterricht.
Die "Bild"-Zeitung berichtete, es solle nach den Feiertagen bis zum Jahresbeginn harte Maßnahmen geben. Im Gespräch sei, zwischen 27. Dezember und 3. oder 10. Januar nur Supermärkte geöffnet zu lassen. Nach dpa-Informationen gibt es noch keine konkreten Maßnahmen, die ausdiskutiert sind.
Bund und Länder hatten eigentlich vereinbart, bei Familientreffen vom 23. Dezember bis längstens 1. Januar zehn Personen plus Kinder zuzulassen. Ansonsten dürfen maximal fünf Leute aus zwei Hausständen zusammen sein. Bayern und Baden-Württemberg haben die Lockerung bereits auf 23. bis 26. beziehungsweise 27. Dezember beschränkt. In Berlin sind über die gesamten Feiertage maximal fünf Leute erlaubt.
Die Regierungen in Bayern, im Saarland und in Baden-Württemberg drangen wie Merkel auf eine rasche zusätzliche Besprechung der Ministerpräsidenten. Die Regierungschefs aus Berlin, Bremen, Niedersachsen und Thüringen äußerten Zweifel, ob das nötig ist. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Wir haben in der Ministerpräsidentenkonferenz Regelungen bis zum 10. Januar 2021 festgelegt." Jeder wisse, was zu tun sei.
Mehrere Landeskabinette, darunter auch jene in Erfurt und Dresden, tagen am Dienstag. Für Sachsen berichtete die "Bild"-Zeitung am Montagabend unter Berufung auf Regierungskreise, es werde diskutiert, Geschäfte vom kommenden Montag an (14. Dezember) zu schließen. Nur lebensnotwendige Läden sollen - wie im Frühjahr - offen bleiben. Welche das neben Lebensmittel-Geschäften genau sind, sei noch unklar.
Auch die in Chemnitz erscheinende "Freie Presse" berichtete am Montagabend online, dass die verschärften Maßnahmen kommende Woche beginnen und bis zum 10. Januar dauern sollen. Der genaue Start sei unklar, schreibt das Blatt, der 14. Dezember gelte als möglicher Termin. Sachsens Regierungssprecher Ralph Schreiber äußerte sich am Abend dazu nicht und verwies auf Kabinettssitzungen am Dienstag und Freitag.
Weltärztebundpräsident Montgomery: Brauchen harte Ausgangsbeschränkungen
Forderungen nach härteren Maßnahmen kommen auch aus der Ärzteschaft und von Kommunen. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte der "Rheinischen Post" (Dienstag): "Wir brauchen überall in Deutschland, wo die Infektionszahlen hoch sind, bis Weihnachten harte Ausgangsbeschränkungen, bei denen die Menschen nur noch aus triftigem Grund das Haus verlassen dürfen."
Man müsse von dem hohen Plateau extrem hoher Infektionszahlen herunterkommen, sonst drohe den Intensivstationen kurz nach dem Jahreswechsel der Kollaps.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, plädierte für die Zeit nach Weihnachten für schärfere Corona-Regeln. Die angestrebten Lockerungen über Silvester nannte er in der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag) "illusorisch".
Lauterbach: Je früher die harten Einschränkungen, desto besser
FDP-Vize Wolfgang Kubicki zweifelt hingegen an der Wirksamkeit eines zweiwöchigen Lockdowns. Zugleich warnte er in der "Passauer Neuen Presse", ein drei- oder vierwöchiger Lockdown "würde das Vertrauen der Bevölkerung weiter erschüttern".
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach mahnte Bund und Länder, sich schnell zu beraten. "Je früher die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten Beschlüsse trifft, um ernsthaft wieder die Kontrolle über die Lage zu bekommen, desto besser", sagte Lauterbach der "Passauer Neuen Presse". "Wir müssen für die Zeit nach Weihnachten einen härteren Shutdown verhängen", forderte der SPD-Politiker.
Das bayerische Kabinett hatte bereits am Sonntag schärfere Maßnahmen beschlossen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der "Bild" (Montag): "Bayern hat hier bereits wichtige Entscheidungen getroffen, denen die anderen Bundesländer folgen sollten."
Bundesfinanzminister Olaf Scholz verteidigte grundsätzlich die Bund-Länder-Runden. Die Diskussionen würden helfen, "ziemlich wohl abgewogene Entscheidungen" zu treffen, sagte der SPD-Politiker am Montagabend in der ARD-Sendung "hart aber fair". "Ich kenne Länder um uns herum, da macht das einer mit sich ab. Und das geht mal gut und mal schlecht", machte der Vizekanzler deutlich. (hub/dpa)
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