- Die Union hat Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten gekürt.
- Große Teile der CDU wären allerdings lieber mit CSU-Chef Markus Söder in den Bundestagswahlkampf gezogen.
- Wir haben uns an der Parteibasis umgehört, wie groß der Groll ist und inwiefern die Partei nach dem offen ausgetragenen Streit geeinigt auftritt.
Holger Brantin ist unterwegs. Der Wind bläst in den Hörer, als die Redaktion ihn am Handy erreicht. Immer wieder ist der 57-Jährige kaum zu verstehen.
Klar und deutlich ist hingegen die Position des Kreisvorsitzenden der CDU Aachen zum Kanzlerkandidaten der Union, zu Armin Laschet: Der Heimatverband Laschets steht geschlossen hinter dem CDU-Chef. Natürlich.
Warum Armin Laschet der richtige Mann ist
"Laschet ist teamfähig und gerade deshalb in der Zeit nach der Corona-Pandemie der richtige Mann", sagt Brantin. Er betont: "Wir brauchen in einer Krise keine One-Man-Show, sondern gemeinsam von allen demokratischen Parteien getragene Entscheidungen."
Ein kleiner Seitenhieb auf Söder, der sich nach Tagen des Streits am Ende durchrang, den Weg für den unpopuläreren Laschet freizumachen? Fakt ist: Seit Söder vor etwas mehr als zwei Wochen im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur einlenkte, lässt er nicht locker, sich beim Parteivolk einzuschmeicheln.
Dass politische oder personelle Entscheidungen "unabhängig von der Basis und den Erwartungen der Menschen gemacht werden können", sei nicht mehr "zeitgemäß", sagte Söder. Und: Er sei "mit dem Ergebnis mehr im Reinen als Teile der CDU-Basis".
Doch ist das so? Hegen viele Mitglieder noch immer Groll? Und wie geeint tritt die Parteibasis nach dem Konflikt auf, bei dem sich große Teile der Union auch außerhalb Bayerns für Söder aussprachen und nur knapp ein Riss durch die CDU verhindert werden konnte?
Söders "Macherimage" kam in Sachsen-Anhalt gut an
Um ein Stimmungsbild einzuholen, hat unsere Redaktion mit drei Kreisvorsitzenden gesprochen: Neben Brantin mit dem Chef der Magdeburger CDU, Tobias Krull. Der steckt dieser Tage mit Landtags- und Bundestagswahl in einem doppelten Wahlkampf, seine Mitstreiter hatten mehrheitlich Söder favorisiert. Und wir haben mit dem CSU-Kreisvorsitzenden von Dingolfing-Landau, Max Straubinger, telefoniert, um zu erfahren, inwiefern die Basis der bayerischen Schwesterpartei hinter der Entscheidung steht.
"Söders Auftreten, seine durchaus kantigen Schlagzeilen, sein Macherimage kamen hier gut an", sagt Krull, der seit 2010 der CDU Magdeburg vorsteht und für die Partei in Sachsen-Anhalts Landtag sitzt. "Einzelne zeigen sich nun enttäuscht – sagen aber auch: 'Wenigstens ist es jetzt geklärt.'"
Aus Sicht von Krull ist der innerparteiliche Streit allerdings noch nicht beendet, "noch spüre ich ein paar Nachwehen", sagt er. "Wir sind nur erfolgreich, wenn wir nach außen geschlossen auftreten. Daran müssen sich alle Mitglieder von CDU und CSU orientieren."
"Wir brauchen keinen Liveticker aus dem Bundesvorstand"
Krull kritisiert, dass die Kanzlerkandidatur erst so spät geklärt wurde. Noch dazu in einem Verfahren, das auf einen Showdown zwischen den beiden Parteichefs hinauslief. Allerdings sieht auch Krull – mit Blick auf die SPD und deren Nachfolgesuche nach dem Abgang von Andrea Nahles – eine Befragung der Parteibasis kritisch. "Die Partei lebt von den Prozessen – aber wir brauchen keinen Liveticker aus dem Bundesvorstand."
Wie viele seiner ostdeutschen Parteikollegen ist auch Krull ein Fan von Friedrich Merz. "Er ist jemand, der gut mobilisieren kann. Dass Laschet ihn nun ins Team geholt hat, kann sich positiv auf die Wahl auswirken", glaubt der 44-Jährige.
Er hofft vor der Landtagswahl am 6. Juni auf mehr Unterstützung aus der Parteispitze: "
Was die CSU-Basis über Laschet denkt – und über Söder
Auf der Karte jedes Christdemokraten dürfte Bayern sein. Kommt doch von dort Laschet-Herausforderer Söder – und beständig viele Stimmen für die Union bei den bundesweiten Wahlen.
Max Straubinger, der seit beinahe drei Jahrzehnten den niederbayerischen Kreisverband Dingolfing-Landau anführt und fast ebenso lange im Bundestag sitzt (in den er auch 2021 wieder als Direktkandidat einziehen will), sieht die Stimmung an der Basis auch nach der Entscheidung für Laschet – und damit gegen Söder – nicht getrübt. "Die Alltagsprobleme, mit denen die Menschen zumal in der Coronakrise zu kämpfen haben, drücken die Stimmung und nicht die Wahl des Kanzlerkandidaten."
"Die CSU-Basis ist mit dem Ergebnis im Reinen, ich vernehme keinen Unmut", sagt Straubinger. "Die Sache ist entschieden und gut." Straubinger wolle nun "natürlich" für Laschet werben.
"Falls gewünscht, würde ich auch einen Laschet-Aufsteller aufbauen", erklärt der 66-Jährige. Viel hält er davon allerdings nicht. Er selbst habe nie Aufsteller verwendet, "weder damals bei Edmund Stoiber noch von mir selbst. Bei uns wird der Wahlkampf etwas bodenständiger geführt."
Vielleicht auch deshalb spüre der 66-Jährige aufkeimende Kritik an CSU-Chef Söder. "Vor allem wegen dessen Nachlaufen der Grünen", sagt Straubinger. "Bei uns ist beileibe nicht alles himmelhochjauchzend."
Wie viel Rückhalt genießt Laschet in der Union?
Zurück nach Aachen, zu Holger Brantin. Er ist erst seit drei Jahren Kreisvorsitzender, aber bereits seit 1983 in der CDU. Auch er sieht die Partei noch nicht geeint, jedes Mitglied müsse hinter der Entscheidung stehen, fordert er. "Ich glaube, dass wir auf dem Weg dahin sind."
Laschet habe aus Brantins Sicht einen "starken Rückhalt in der Union". Die Stärke des CDU-Chefs sei es, Leute zusammenzubringen. Der Aachener CDU-Chef verweist auf die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung: Seit 2017 arbeite diese mit nur einem Sitz Mehrheit "geräuschlos". Ein ganz anderes Level dürfte allerdings eine Zusammenarbeit im Bund mit den Grünen werden, da wird von "Kohle-König" Laschet (O-Ton Grüne Jugend) mehr Integrationsarbeit nötig sein.
Gleiches gilt für Laschets neuen Wahlkampfhelfer: Dass der CDU-Chef seinen ehemaligen Konkurrenten Merz mit ins Team geholt hat, "war richtig", sagt Brantin. "Seine Fähigkeiten werden gebraucht.
Wenn der Wahlkampf erst richtig angelaufen ist, werde rückwirkend der Streit um die Kanzlerkandidatur keine große Rolle spielen, ist sich Brantin sicher. "Es war ein Prozess mit zwei sehr guten Kandidaten, der ausgestanden werden musste. Mit zehn Tagen lief das doch relativ schnell." Bis zur Bundestagswahl sind es noch 142 Tage. Und die CDU hat noch kein Programm vorgelegt.
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