Markus Söder zeigt der Vorsitzenden der großen Schwesterpartei, wie man's macht. Die Delegierten beim CDU-Parteitag sind begeistert. Annegret Kramp-Karrenbauer muss sie regelrecht bremsen. Mutiert der bayerische Ministerpräsident zum nächsten Friedrich Merz?
Aufatmen kann
Söder kristallisiert sich als möglicher nächster Gegner heraus
Möglich, dass Kramp-Karrenbauers gefährlichster Kontrahent im Kampf ums Kanzleramt nach diesem Wochenende Söder heißt - und nicht mehr
Und selbst in den Reihen jener, die eigentlich von Anfang an auf Seiten der Vorsitzenden und ihren Kanzler-Ambitionen stehen, ist Anerkennung für den Bayern zu hören. Der habe zwar vielleicht nicht seine Bewerbung fürs mächtigste Amt im Land abgegeben. Auf jeden Fall aber habe er eine "Ich zeige Euch mal, wer es kann"-Rede hingelegt.
Freude am Regieren statt Zaudern und Zögern, Sacharbeit statt Personalquerelen, selbst eine Prise Außenpolitik - Söder reißt die von Wahlklatschen und Umfragedesaster frustrierte CDU mit einem Gute-Laune-Auftritt mit. "Lasst uns nicht so kleinmütig sein", ruft er selbstbewusst in den Saal.
Prioritäten setzen - und außerdem: Mit sozialen Fragen mache man keinen Wahlkampf, ätzt der Bayer Richtung derer, die in der CDU eine Debatte über den mühsam mit der SPD erzielten Kompromiss über die Grundrente angezettelt haben. So viele gute Ratschläge werden AKK ganz schön laut in den Ohren geklungen haben.
Söders Performance als Gegenentwurf zu AKK
Söders Performance ist auch ein Gegenbild zur CDU-Chefin vom Vortag. Etliche Längen hatten Delegierte ihrer Parteitagsrede attestiert. Häufig wird in der Partei auch kritisiert, Kramp-Karrenbauer wirke bei ihren Auftritten viel zu missmutig. Kein Wunder eigentlich, dass Söder gute Laune verbreiten kann: Nach dem Machtkampf mit Horst Seehofer um Ministerpräsidentenamt und Parteispitze hat er das Schlimmste erstmal hinter sich.
Den Delegierten kommt Söders forscher Auftritt gerade recht. Gleich am Anfang lobt er, die CDU habe ihrer Vorsitzenden immerhin kein Scherbengericht bereitet. Das wäre aber auch ein schlechtes Zeichen gewesen für die Regierungsfähigkeit der Union, ruft er und schmeichelt: Die CDU sei stärkste politische Kraft in Deutschland.
Lässig lehnt Söder am Rednerpult. "Feind, das ist für mich die AfD", ruft er. Die AfD wolle zurück in die 1930er Jahre. Sie sei nicht eine besonders konservative Partei, sondern in Wirklichkeit die NPD. "Und die bekämpft man. Klare Linie, klare Kante, AfD ist Feind."
Auch die Grünen bekommen ihr Fett weg, schließlich seien sie inzwischen die größten Rivalen der Union im Kampf um die Macht im Land. Nicht Schwarz und Grün sei bis zur Bundestagswahl deshalb die Frage, sondern Schwarz oder Grün - das gefällt den CDU-Delegierten, die schwarz-grünen Träumereien sehr skeptisch gegenüber stehen.
Der aktuelle Koalitionspartner SPD kommt bei Söder fast nur noch am Rande vor - als abschreckendes Beispiel für die Urwahl. Bei den Sozialdemokraten sei "Dauerdepression" zu besichtigen. Die Menschen werde nur begeistern, wer Optimismus und Lust an Neuem zeige.
Söder, ein großer Klartext-Fan
Weil Söder gerade mit Schwung beim Klartext ist, hat er auch keine Lust, bei der K-Frage herumzuschwurbeln. Es sei zwar wichtig, darüber nachzudenken, wer Kanzlerkandidatin oder -kandidat werden könne. "Aber die Kernfrage ist, nicht nur zu überlegen, wann wir Kandidaten aufstellen. Sondern die entscheidende Frage ist: Wer steht am Ende da. Denn mir ist am Ende egal, wer Kandidat war. Ich will, dass 2021 ... der Kanzler oder die Kanzlerin von der Union gestellt wird. Das ist die entscheidende Frage." Im übrigen habe die CSU bei der Kandidatenfrage auch noch ein Wörtchen mitzureden.
AKK wird das kaum gerne gehört haben - auch wenn sie selbst in der CSU nicht glauben, dass Söder schon bei der nächsten Bundestagswahl als Kanzlerkandidat antreten will.
Am Ende hat Kramp-Karrenbauer alle Mühe, die Begeisterung ihrer CDU für Söder im Zaum zu halten. Die Delegierten stehen auf. Johlen und rhythmisches Klatschen erfüllt die Halle. Söder verneigt sich, winkt, geht zu den Plätzen auf dem Podium, wo auch AKK sitzt. Er schüttelt Hände. Die Delegierten wollen gar nicht aufhören mit ihren Beifallsbekundungen.
Dann wirkt es, als werde es Kramp-Karrenbauer zu bunt, als wolle sie die Ovationen endlich beenden. Sie geht zum Rednerpult, holt Söder zu sich, spricht vom "verdienten Applaus". Aber die Delegierten klatschen einfach weiter. Beide gehen zur Präsidiumsbank, setzen sich - und zehn Sekunden später ist im Saal wieder Ruhe eingekehrt. Knapp drei Minuten Beifall sind es trotzdem.
Im Anschluss kommt auch Kanzlerin Angela Merkel von der anderen Seite der Bühne dazu. Die beiden mächtigen Frauen der CDU rahmen Söder ein. Ein paar Minuten tauschen sich die drei für alle sichtbar noch aus. Um 12.20 Uhr verlässt der CSU-Chef den Saal. Kramp-Karrenbauer begleitet ihn nicht hinaus. "War ein cooler Auftritt" ruft der Sitzungsleiter, der junge schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, Söder noch hinterher. (dpa/Jörg Blank/Ruppert Mayr/mgb)
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