Die Mietpreise in vielen Großstädten steigen nach wie vor, der Wohnraum ist knapp. Von den versprochenen 400.000 Wohnungen, die die Ampel jährlich bauen wollte, wird nur ein Teil fertig. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) will dennoch nicht aufgeben.

Ein Interview

"Ich will nicht nach Brandenburg. Suche Wohnung", steht auf einem Flugblatt, das im Berliner Stadtteil Charlottenburg an einer Wohnungstür klebt. Der Vorschlag von Bauministerin Klara Geywitz (SPD), aufs Land zu ziehen, um der Wohnungsnot in Städten zu entkommen, überzeugt den Urheber offensichtlich nicht.

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Nach wie vor ist Wohnraum in Städten wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt am Main knapp, die Mieten hoch. 400.000 Wohnungen wollte die Regierung jährlich bauen, um den Wohnungsmarkt zu entlasten. In Folge des Krieges in der Ukraine, von Rohstoffengpässen und steigenden Zinsen sind die Ampel und ihre Bauministerin weit entfernt von diesem Ziel. Im Interview erklärt Geywitz, wie sie dennoch für Entlastungen sorgen will – und wie sie jungen Familien und Menschen mit mittleren Einkommen beim Wohnen helfen will.

Frau Geywitz, Sie haben Menschen, die in Großstädten keine bezahlbare Wohnung finden, einen Umzug in kleinere oder mittlere Städte ans Herz gelegt. Das klingt nach einer Kapitulation: Die Politik schafft es nicht, für bezahlbare Mieten in Großstädten zu sorgen.

Klara Geywitz: Ich lege niemandem etwas ans Herz. Ich bin da sehr allergisch, weil ich in der DDR aufgewachsen bin, wo der Staat den Menschen vorschreiben wollte, wie sie zu leben haben. Ich zwinge niemanden, von der Großstadt aufs Land zu ziehen.

Sondern?

Ich schaffe Möglichkeiten. Ich bin Bauministerin in einem Land, in dem zwei Millionen Wohnungen leer stehen und wir gleichzeitig Wohnungsmangel in anderen Bereichen haben. Ich muss mir überlegen, wie Menschen von diesen Wohnungen etwas haben. Wir werden im November eine Leerstandstrategie auf den Weg bringen. Wir müssen es schaffen, mit den vielen leerstehenden Wohnungen zumindest einen Teil des Bedarfs an Wohnraum zu decken.

Wie kann das gelingen?

Manche Bundesländer sind schon sehr erfolgreich. In Brandenburg leben jetzt genauso viele Menschen wie vor der Wende, obwohl zwischenzeitlich sehr viele weggezogen sind. Neue Wohngebiete entstehen zum Beispiel rund um die Bahnhöfe, so dass die Pendelzeiten nach Berlin möglichst gering sind. Wichtig ist auch die Versorgung mit schnellem Internet – oder die Sanierung von Gebäuden. Leerstehender Wohnraum befindet sich nicht immer im besten Zustand.

Für viele Menschen ist ein Umzug aufs Land keine Option, weil sie nicht im Homeoffice arbeiten können. Etwa Polizistinnen und Polizisten oder Pflegekräfte.

In vielen Städten gibt es sowohl Wohnraum als auch Arbeitsplätze – in Chemnitz, Halle, Coburg zum Beispiel. Wir werden das auch im Rahmen der Leerstandstrategie betonen: Die Zeiten, in denen man wegen Jobmangel aus seiner Heimatregion wegziehen musste, sind vielerorts vorbei. Wir kümmern uns aber auch intensiv darum, dass die Krankenschwester und der Busfahrer in Berlin oder Hamburg eine Wohnung bekommen. Dafür geben wir 21,65 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau.

"Familien sollen die Möglichkeit bekommen, zum Beispiel in ihre alte Heimat zu ziehen."

Klara Geywitz

Kommt sozialer Wohnungsbau Krankenschwestern und Busfahren überhaupt zugute?

Ja. In Berlin zum Beispiel hat inzwischen die Hälfte der Bevölkerung Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Weil wir die Mittel aufgestockt haben und mehr gebaut werden wird, können bald wieder mehr Menschen eine Sozialwohnung beziehen.

Jungen Familien, die einen Altbau kaufen und sanieren, will die Bundesregierung mit dem Programm "Jung kauft Alt" unter die Arme greifen. Warum?

Wir starten unser neues Förderprogramm "Jung kauft Alt" am 3. September. Familien sollen die Möglichkeit bekommen, zum Beispiel in ihre alte Heimat zu ziehen. Es gibt bereits eine Wohneigentumsförderung für den Neubau. Wir wollen aber auch den Kauf und die Sanierung von Bestandsbauten unterstützen, weil das günstiger und ökologischer ist und Fläche spart.

Den günstigen Kredit können nur Familien mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von maximal 90.000 Euro beantragen. Wer bindet sich mit diesem Einkommen den Kauf und die teure Sanierung eines Hauses ans Bein?

Der Kredit lässt sich kombinieren mit anderen Sanierungsförderungen. Das ist ein sehr attraktives Angebot, weil wir den Hypothekenzins unter dem Marktniveau anbieten, also um bis zu zwei Prozent reduzieren. Eine Familie mit zwei Kindern könnte mit unserer Förderung zum Beispiel bis zu 18.000 Euro sparen. Viele Menschen würden sich gerne ein Haus kaufen, können aber die Raten wegen der gestiegenen Zinsen nicht bezahlen. Wir können dafür sorgen, dass man weniger Finanzierungskummer hat.

Die Ampelkoalition hat sich 2021 vorgenommen, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Das Ziel haben Sie nicht erreicht. Das ifo-Institut rechnet im Jahr 2026 nur mit 175.000 neuen Wohnungen. Steht in der Baukrise das Schlimmste erst bevor?

Nein. In den vergangenen Jahren wurden mehr Häuser fertig als im letzten Jahr der Großen Koalition. Derzeit befinden sich 390.000 Wohnungen im Bau, und wir haben sehr viel Geld in die Hand genommen, um bezahlbaren Wohnungsbau zu unterstützen. Im Bereich des seriellen und modularen Bauens tut sich extrem viel. Viele Firmen steigen in diesen Bereich ein.

Die Zahl der Genehmigungen für den Wohnungsbau ist allerdings eingebrochen.

Das stimmt, und das ist mit den gestiegenen Zinsen zu erklären. Das ist aber nur ein Indikator. Über 820.000 Wohnungen befinden sich im Bauüberhang: Sie sind schon genehmigt und geplant, aber noch nicht gebaut. 2023 haben diese Projekte bereits die Neubauzahlen stabilisiert – schon damals hatten viele Marktbeobachter mit einem Einbruch des Wohnungsbaus gerechnet, der dann nicht gekommen ist. Wir haben über Steuersenkungen und die Förderprogramme meines Hauses dafür gesorgt, dass es sich weiterhin lohnt, Wohnungen zu bauen.

Im September soll das Kabinett die Novelle des Baugesetzbuches auf den Weg bringen. Was erhoffen Sie sich davon?

Wir sorgen damit für zusätzliches Bauland. Es wird einfacher sein, zum Beispiel in einem großen Garten ein Haus für die Kinder oder Enkelkinder zu bauen. Außerdem machen wir die Nachverdichtung in größeren Städten einfacher und stärken gleichzeitig das Grün in der Stadt, damit die Quartiere lebenswert bleiben.

Wird einfacheres Bauen auch zu stabileren Mieten beitragen?

Zusätzliches Bauland nimmt Druck vom Markt. Natürlich liegen die Mieten in Neubauten aber häufig über dem Durchschnitt. Deswegen ist der soziale Wohnungsbau so wichtig. Genau wie das Mietrecht. Da warten wir allerdings immer noch auf wichtige Regelungen aus dem Bundesjustizministerium.

Die Ampelkoalition hat angekündigt, die Mietpreisbremse zu verlängern. Sie legt fest, dass eine Miete bei Neuvermietung maximal zehn Prozent über dem örtlichen Durchschnitt liegen darf. In vielen Städten sind die Mieten trotzdem förmlich explodiert. Offenbar funktioniert die Mietpreisbremse gar nicht.

Die Mietpreisbremse soll die Entwicklung am Mietmarkt dämpfen. Es handelt sich um eine Abwägung, einen zumutbaren Eingriff: Der Vermieter muss die Freiheit haben, sein Objekt so zu verwerten, wie er das möchte. Gleichzeitig muss es die Möglichkeit für den Vermieter geben, gestiegene Kosten abzubilden. Dazu kommt, dass wir einen gespaltenen Mietmarkt haben: Es gibt preisgebundene Wohnungen und Landeswohnungsgesellschaften, die ein anderes Mietenniveau haben als freifinanzierte. Bei Neubauten wird die Bremse ohnehin nicht angewendet.

Aktuell unterliegen Bauten, die in den vergangenen zehn Jahren fertiggestellt wurden, nicht der Bremse. Wäre es sinnvoll, das Instrument auch bei diesen Neubauten anzuwenden?

Ab wann ein Neubau ein Neubau ist, ist sicherlich Teil der Diskussion um den Gesetzentwurf. Für mich ist ein Haus, das 2014 gebaut wurde, kein Neubau mehr.

Die Mietpreisbremse sieht keine Sanktionen für Vermieter vor, die dagegen verstoßen. Bräuchte es Strafen?

Viele Bundesländer haben Zweckentfremdung-Verordnungen. Bei einem Verstoß, zum Beispiel wenn eine Mietwohnung in eine Airbnb-Wohnung umgewandelt wird oder bei längerem Leerstand, kann ein Bußgeld verhängt werden. Im Bereich der Mietpreisbremse kann man sein Recht beim Zivilgericht einklagen.

Klingt nach einem Aber.

Ein Mietvertrag ist ein Vertrag zwischen zwei Parteien. Hier sollte sich der Staat, wie bei anderen zivilrechtlichen Verträgen auch, nicht einmischen.

Warum?

Wir müssen sehr gut abwägen, was tatsächlich dafür sorgt, dass mehr Wohnraum auf den Mietmarkt kommt. Und wir müssen zwischen der sozialen Verantwortung des Eigentümers und seiner Freiheit, sein Eigentum ökonomisch zu verwerten, abwägen. In Deutschland gibt es sehr viele private Vermieter mit wenigen Wohnungen, die sozial orientiert und zu vernünftigen Mieten Wohnraum anbieten. Wenn es zu bürokratisch wird, überlegen die sich vielleicht, sich vom Mietmarkt zurückziehen.

Das Thema bezahlbare Mieten wird uns also noch eine Weile begleiten.

Der Bund macht Regeln für die ganze Bundesrepublik. Die Bedarfe sind aber regional sehr unterschiedlich. Ich war diese Woche in Greiz, in Thüringen. Dort stehen 15 Prozent der Wohnungen leer. Natürlich kann man die Vermieter dort keine Strafe zahlen lassen, wenn sie ihre Wohnungen nicht vermietet kriegen.

"Die B-Note, gerade die kommunikative Performance, überlagert die Erfolge – insbesondere bei den Herren der Regierung."

Klara Geywitz

Es hat lange gedauert, bis Justizminister Marco Buschmann (FDP) zumindest einen Entwurf für eine Verlängerung der Mietpreisbremse vorgelegt hat. Auch die Aufstellung des Haushalts hat sich gezogen. Kann die Ampel dieses Land noch gut durch die aktuellen Krisenzeiten lenken?

Wir haben uns auf einen Haushalt geeinigt, auch wenn der eine oder andere Ihrer Kollegen gesagt hat, das schaffen wir nicht. In der kommenden Woche werde ich voraussichtlich die Novelle des Baugesetzbuchs ins Kabinett einbringen – ein für ein Bauministerium sehr wichtiges Gesetz. Die Regierung hat die bisherigen Krisen gut gemeistert und es passiert unglaublich viel. Aber natürlich: Die B-Note, gerade die kommunikative Performance, überlagert die Erfolge – insbesondere bei den Herren der Regierung.

Was halten Sie von dem andauernden Gezanke in der Koalition?

Mir wäre es lieber, wenn wir Probleme intern diskutieren und nach außen die Lösung präsentieren.

Über die Gesprächspartnerin

  • Klara Geywitz wurde 1976 in Potsdam geboren, wo sie auch Abitur machte und Politikwissenschaft studierte. Sie war Kommunal- und Landespolitikerin in Brandenburg, bevor sie 2019 zusammen mit Olaf Scholz für den SPD-Bundesvorsitz kandidierte – die beiden belegten den zweiten Platz. Ebenfalls 2019 wurde sie stellvertretende SPD-Vorsitzende. 2021 übernahm sie in der Ampel-Koalition das neu geschaffene Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.
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