Dass US-Präsident Donald Trump Universitäten schikaniert und der Wissenschaft massiv Mittel kürzt, hat auch Auswirkungen auf den Forschungsstandort Deutschland. Neben der leisen Hoffnung auf auswandernde US-Talente herrscht massive Sorge um Gelder und wissenschaftlichen Fortschritt.
Als junger Postdoc forschte Patrick Cramer Ende der 90er-Jahre an der Stanford University. Er erinnert sich gerne an diese Zeit, beruflich wie privat. Sein Sohn wurde damals dort geboren. Vergangene Woche war Cramer, heute 56 und Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, wieder in Stanford. Die Stimmung auf dem Campus sei eine ganz andere gewesen, erzählt er in einer Rede, die er am Ende seiner US-Reise auf einem Empfang der Deutschen Botschaft in Washington gehalten hat. "Viele Wissenschaftler, die ich traf, waren besorgt über die aktuelle Situation, einige fühlten sich sogar eingeschüchtert." Denselben Gefühlen sei er auch bei Kollegen in San Francisco und L.A. begegnet.
Besorgt und eingeschüchtert. Weil US-Präsident Donald Trump massiv an der Forschung spart, vor allem an jener, die er für verzichtbar hält: zu Klima, Demokratie, Armutskrankheiten. Weil er renommierte Universitäten wie Stanford, Harvard oder die Columbia University mit Ermittlungen schikaniert. Weil er ihnen mit Kürzungen droht, sollen sie nicht ihre Diversitätsprogramme einstellen oder pro-palästinensische Aktionen unterbinden.
"Bedrohungen für die Wissenschaft irgendwo sind Bedrohungen für die Wissenschaft überall", sagt Cramer in seiner Rede. Allein die Max-Planck-Gesellschaft kooperiere bei über 1.000 Projekten mit US-Institutionen. Ein Viertel ihrer Veröffentlichungen entstehe in Co-Autorenschaft mit US-Kollegen. Die Entwicklung in den USA trifft also auch den Forschungsstandort Deutschland.
Tuberkulose? Interessiert nicht mehr
Der Medizin-Professorin Claudia Denkinger von der Uni Heidelberg und ihrem internationalen Team von Infektionsmedizinern hat die US-Entwicklungsbehörde USAID zum Beispiel von einem Tag auf den anderen die Gelder gestrichen, wie sie der "Zeit" erzählte. Sie forschten an einer besseren Diagnostik für Tuberkulose – was nicht länger "im Einklang mit den Forschungsprioritäten der US-Regierung" steht, wie Denkinger einer E-Mail der USAID entnehmen musste.
Anderes Beispiel: die National Institutes of Health (NIH). Die Behörde für biomedizinische Forschung des US-Gesundheitsministeriums zählt mit einem Jahresbudget von rund 46 Milliarden Euro zu den größten Forschungsmittelgebern der Welt. Sie finanziert unter anderem klinische Studien, Datensammlungen und PubMed, das weltweit wichtigste Onlineportal für biomedizinische Literatur. Rund vier Milliarden Dollar sollen die NIH jetzt sparen. 1.200 von rund 20.000 Mitarbeitern wurden entlassen. Um an Konferenzen und wissenschaftlichen Treffen teilnehmen zu dürfen, brauchen Mitarbeiter künftig eine offizielle Genehmigung – selbst dann, wenn sie auf eigene Kosten und in ihrer Freizeit dorthin fahren, wie Reuters berichtet.
Ausschreibungen um Fördermittel gestoppt
An medizinischen Fakultäten in Deutschland Uni laufen nach Recherchen von "Süddeutscher Zeitung" und NDR aktuell mindestens 75 von den NIH finanzierte oder co-finanzierte Studien. Bereits bewilligte Fördergelder fließen derzeit noch, heißt es auf Nachfrage unserer Redaktion von der Berliner Charité und von den Universitätskliniken in Bonn, Freiburg und Tübingen. Nur: wie lange noch? Die Uni Tübingen teilt mit, im Verhältnis zum gesamten Drittmittelaufkommen machten die NIH-Projekte nur einen geringen Teil aus. "Aber sie sind mit hoher wissenschaftlicher Qualität und internationaler Sichtbarkeit verbunden, und die Bewerbung um NIH-Mittel ist sehr kompetitiv und genießt entsprechend hohes Ansehen."
Pendant zu den NIH für die nicht-medizinischen Disziplinen ist die National Science Foundation (NSF). Die Behörde musste 170 Jobs streichen, das entspricht etwa zehn Prozent der Belegschaft. Der "Washington Post" zufolge müssen Mitarbeiter Förderanträge nach Schlagworten wie "Frauen", "vielfältig" oder "Barrieren" durchsuchen – um jene gleich auszusortieren, die unter einen Präsidialerlass fallen könnten, wonach Vielfalt, Gleichheit und Inklusion nicht länger gefördert werden.
Laut "Science Insider" ist die Zahl der bewilligten Zuschüsse seit Trumps Amtsantritt um die Hälfte zurückgegangen. "Ein erheblicher Einschnitt", sagt Katja Becker, Präsidentin der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG), die eng mit der NSF zusammenarbeitet. Der Wegfall erfahrener Kolleginnen und Kollegen der NSF führe zu administrativen Problemen. Bewilligte Fördermittel würden zwar noch fließen. Doch dass Ausschreibungen im Bereich Mathematik, Cybersecurity und Chemie derzeit auf Eis liegen, besorgt sie. Ebenso, dass die NASA, deren Budget um ein Fünftel gekürzt wurde, ihr Erdbeobachtungsprogramm eingestellt hat. "Es sammelte seit den 80er-Jahren kontinuierlich Datensätze zur Veränderung unserer Atmosphäre und des Planeten. Genau das machte es so wertvoll." Becker befürchtet, dass es anderen wissenschaftlichen Datenbanken ähnlich ergehen könnte.
Werben um kluge US-Köpfe
Bei aller Besorgnis: Ein Vorteil könnte für Deutschland und Europa herausspringen, da sind sich DFG-Präsidentin Becker und Max-Planck-Präsident Cramer einig: Talentierte US-Forscher, die nicht länger in den USA arbeiten können oder wollen, könnten in die Bundesrepublik wechseln. Mehrere Dekane und Leiter von Forschungseinrichtungen berichteten der "SZ" gegenüber von zahlreichen Anfragen amerikanischer Wissenschaftler. Auch die Max-Planck-Gesellschaft bestätigt, dahingehende Gespräche geführt zu haben, es sei jedoch "noch nichts in trockenen Tüchern". Für das neu aufgelegte Postdoc-Programm rechne man mit erhöhten Bewerberzahlen, "nicht nur aus den USA, sondern auch von anderen internationalen Bewerbern, die sich aufgrund der Situation in den USA umorientieren".
Der Zeitpunkt von Cramers US-Reise war kein Zufall – und er hatte nicht nur frische Klamotten im Gepäck: In seiner Rede kündigte Cramer ein "Max-Planck-Transatlantik-Programm" an. Man wolle mit führenden US-Institutionen Kooperationsforschungszentren gründen, zusätzliche Postdoc-Stellen schaffen, US-Juniorwissenschaftler aufnehmen und "herausragende Wissenschaftler, die die USA verlassen müssen, für Direktorenpositionen in Betracht ziehen".
Becker hofft auf ein staatliches Programm zur Gewinnung ausländischer Forscher und bietet die Mitarbeit der DFG an. "So dramatisch die Entwicklungen in den USA sind, stellen sie gleichzeitig auch eine Chance dar, die Attraktivität des Forschungsstandorts Europa für internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu stärken."
Verwendete Quellen
- Antworten auf Anfragen an die Charité Berlin, die Universitätskliniken in Bonn, Tübingen und Freiburg, die Deutsche Forschungsgesellschaft und die Max-Planck-Gesellschaft
- Rede von Patrick Cramer vom 7. April 2025: "A new chapter in transatlantic partnership"
- dpa
- "Süddeutsche Zeitung" vom 2.4.25: "Die Heilung von Aids? Trump doch egal"
- "Die Zeit" vom 11.4.2025: "Da zerbricht etwas"
- "Reuters" vom 10.4.2025: "US NIH reverses conference travel ban for scientists"
- "Washington Post" vom 4. 2.2025: "Here are the words putting science in the crosshairs of Trump’s orders"
- "Science Insider" vom 31.3.2025: "NSF has awardet almost 50 fewer grants since trump took office"