Laut einem Bericht der "Washington Post" sollen US-Diplomaten von Moskau aus gezielt drangsaliert werden. Die Geheimdienste nutzen verschiedene Mittel, um Menschen einzuschüchtern oder an Informationen zu kommen. Sicherheitsexperte Jörg H. Trauboth erklärt, was das Ziel der Geheimdienste ist.
Herr Trauboth, in der "Washington Post" war zu lesen, Moskau drangsaliere US-Diplomaten. Da ist die Rede von nächtlich verschobenen Möbeln, aufgeschlitzten Reifen und bis in die Schule verfolgten Kindern. Wie realistisch ist das?
Jörg. H. Trauboth: Die gemeldeten, gezielten Drangsalierungen und Schikanierungen von Diplomaten und deren Familien in Moskau sind eine durchaus vorstellbare Kampagne der russischen Geheim- und Sicherheitsdienste.
Wie effektiv sind solche Maßnahmen und was wird damit bezweckt?
Es ist ein schmutziger psychologischer Krieg, der in den Privatbereich getragen wird. Einbrüche, Nachstellungen, Verunglimpfungen und Störungen des Alltagsfriedens führen zur erheblichen Verunsicherung und Verängstigungen der Betroffenen. Das ist das vordergründige Ziel.
Welchen Hintergrund haben diese Aktionen?
Die politische Botschaft als Resultat der westlichen Wirtschaftssanktionen und der Präsenz westlicher Truppen an der Ostgrenze dürfte sein: Passt auf, wir sind ganz nah bei euch, und wir entscheiden darüber, ob ihr euch in unserem Land wohlfühlt.
Sie stehen im Einklang mit den provozierenden Annäherungen russischer Kampfflugzeuge an NATO-Flugzeuge oder dem Durchqueren russischer Langstreckenbomber von Lufträumen ohne Transponder-Signal nahe an westlichen nationalen Grenzen.
Inwiefern tut er das?
Putin ist mit seinen Machtdemonstrationen allgegenwärtig wie nie zuvor - zu Land, Wasser, in der Luft und nun verstärkt im Privatbereich der Diplomaten. Der ehemalige KGB-Offizier agiert dabei nie zufällig, sondern konzeptorientiert, gestützt auf eine umfassende Propaganda mit westlicher Couleur.
Was bezweckt er damit?
Die Töne seiner Partitur in diesem "grauen Krieg" sind nicht wirklich gefährlich, aber durchaus wirkungsvoll: Die Annexion der Krim tritt in den Hintergrund. Der Wunsch unter westlichen Politikern, zu normalen Beziehungen zurückzukommen, wächst.
Welche Vorgehensweisen und Methoden gibt es generell bei der Geheimdienstarbeit?
Die sogenannten "Nachrichtendienstlichen Mittel" variieren von Geheimdienst zu Geheimdienst. In Deutschland sind sie vergleichsweise überschaubar und reichen vom Einsatz geheimer Informanten, Agenten, Doppelagenten, Mithören und Aufzeichnen bis hin zum Einloggen in das Internet, einschließlich der sozialen Netzwerke. Damit tauchen sie tief in die Privatsphäre der Menschen ein. Wir wissen, dass auch in Deutschland hierfür speziell entwickelte Software eingesetzt wird.
Wie sieht es rechtlich aus? Ist das überhaupt erlaubt?
Verglichen mit anderen Staaten sind die Mittel der Informationsbeschaffung eher überschaubar und enden im Zweifelsfall an gesetzlichen Hürden wie dem Artikel 10 des Grundgesetzes (Anm. d. Red.: Unverletzlichkeit von Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis).
Was bedeutet "verglichen mit anderen Staaten"? Wie läuft es bei denen?
Andere Geheimdienste gehen da weniger zimperlich vor. Als bestätigte Methoden der CIA zu Verhörtechniken zählen zum Beispiel Schläge in den Unterleib und in das Gesicht, Aufmerksamkeit erzwingen durch Heranziehen des Kopfes und Finger-Druck auf die Augen, Einsperren in engen Boxen mit Einsatz von Käfern, Manipulation von Nahrungsmittel, Nacktheit in allen Variationen, eiskaltes Wasser über nackte Menschen schütten, Schlafentzug, vor die Wand werfen (Walling) und Waterboarding. Letzteres hat Präsident Barack Obama nach seinem Amtsantritt 2009 beendet.
Hat es in der Vergangenheit ähnliche Methoden wie die aktuellen gegen die US-Diplomaten gegeben?
Man muss zwischen Verhör- und Bestrafungsaktionen unterscheiden. Der Übergang ist oft fließend. Die schlimmsten Foltermethoden stammen zum Beispiel bereits aus der Antike und dem Mittelalter. Sie werden heute von Terror-Organisationen oder diktatorischen Systemen eingesetzt.
Welche Methoden sind das?
Dazu zählen Pfählungen oder das Zersägen des kopfüber aufgehängten Leibes. Im Regime von Saddam Hussein wurden Laugen eingesetzt, in die der lebende Mensch reingeworfen wurde. Das wird ebenso als Bestrafungsritual vom Islamischen Staat eingesetzt.
Solche Grausamkeiten gehören aber nicht zur üblichen Geheimdienstarbeit?
Nein. Es führen auch weiche Methoden zum Ziel der Informationsbeschaffung. Sehr bewährt ist der Einsatz von Romeo-Agenten, die ausgebildet werden, um eine Liebesbeziehung mit einer definierten Person einzugehen. Höchst erfolgreich eingesetzt durch die STASI gegen Mitarbeiterinnen in deutschen Sicherheitsbehörden und in der NATO.
Welche Kriterien spielen dabei eine Rolle?
Dabei wurden gezielt vereinsamte Frauen ausgesucht, die als anfällig für eine Liebesbeziehung galten und Umgang mit Papieren der höchsten Geheimdienststufen hatten.
Ich konnte selbst 1992 als NATO-Offizier erleben, wie eine Sekretärin mit jahrelangem Zugang zu wichtigen Dokumenten als Romeo-Frau aufflog. Überhaupt sind Sex-Einsätze keine James Bond-Erfindung, sondern bei allen Nachrichtendiensten an der Tagesordnung. Entweder, um Informationen während des Sexes zu beschaffen oder um anschließend das Opfer zu erpressen.
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