- Die noch Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) strebt in Berlin eine Koalition unter Führung der CDU an.
- Die Berliner Juso-Vorsitzende Sinem Taşan-Funke erklärt, warum sie gegen das Bündnis ist – und wie sie es stoppen will.
Nach der Wahlschlappe im Februar hat die Regierende Bürgermeisterin und Spitzenkandidatin der SPD, Franziska Giffey, angekündigt mit der CDU koalieren zu wollen. Die Grünen hätten zu wenig Kompromissbereitschaft gezeigt und die Linke sei zu fragil als Koalitionspartner, so heißt es aus der SPD.
Schnell rührte sich Widerstand bei den Berliner Jusos, der Jugendorganisation der SPD. Am vergangenen Wochenende erklärten sie bei einer Konferenz fast geschlossen, gegen die Koalition aus CDU und SPD Widerstand leisten zu wollen und kündigten eine groß angelegte Kampagne an. Die Berliner Juso-Vorsitzende Sinem Taşan-Funke erklärt im Interview ihre Beweggründe für die Opposition gegen die Koalition mit der CDU.
Was war Ihre erste Reaktion als Sie gehört haben, dass Franziska Giffey mit der CDU koalieren möchte?
Sinem Taşan-Funke: Ehrlich gesagt war ich ziemlich schockiert. Vorher hatte ich im Landesvorstand die klare Stimmung wahrgenommen, dass wir versuchen die rot-grün-rote Koalition fortzuführen, und Schwarz-Rot vor allem eine weitere Verhandlungsoption sein soll, aber nicht die Priorität.
Intern hat Franziska Giffey angegeben, die Grünen würden keine ernsthafte Verhandlungsbasis anbieten und die Linke sei aufgrund interner Streitigkeiten unzuverlässig.
Ich halte es für unklug, im Nachhinein derartige Kommunikation über Sondierungen zu betreiben. Das ist geeignet, Brücken im linken Lager abzureißen. Ich habe aber den Eindruck, dass sich alle drei Koalitionspartner im Rahmen und im Nachgang der Verhandlungen nicht mit Ruhm bekleckert haben. Wäre es nach inhaltlichen Schnittmengen gegangen, hätte Rot-Grün-Rot wieder zusammenfinden müssen.
Nach Umfragen ist Rot-Grün-Rot mit Abstand die unbeliebteste Landesregierung in Deutschland. Warum möchten Sie das fortsetzen?
Es gibt auch Nachwahl-Befragungen, in der SPD-Wählerinnen und -Wähler klar angeben, dass es die Regierungskoalition ist, die sie gerne fortgesetzt wissen würden. Ich persönlich hätte es gerne fortgesetzt, weil es wichtige, zukunftsweisende Projekte gibt, die man in dieser Koalition hätte umsetzen können.
Zum Beispiel?
Die Situation von Auszubildenden hätte massiv verbessert werden können. Die Ausbildungsumlage hätte auf den Weg gebracht werden können. Die lag bereits in der Schublade und wir hätten das sofort zusammen umsetzen können.
Also geht es um pragmatische gemeinsame Politik?
Die Stärke eines rot-grün-roten Bündnisses liegt meines Erachtens nicht nur in gemeinsamen Projekten. Sie liegt darin, dass wegen der inhaltlichen Nähe zueinander die gemeinsame Reaktion auf Krisen gut und schnell funktioniert. Wir haben in der rot-grün-roten Landesregierung gerade zu Zeiten der Energiekrise gemeinsam wichtige Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger durchgesetzt und waren damit im Bund Vorreiter. Mit der CDU hätte das wohl eher nicht so funktioniert.
Sinem Taşan-Funke zur Vornamen-Debatte: "Das ist rassistische Stimmungsmache"
Befürworter der Koalition mit der CDU erklären, dass mit einer schwarz-roten Regierung endlich Vorhaben umgesetzt werden könnten, die mit Rot-Grün-Rot nicht möglich waren. Beispielsweise die Digitalisierung der Verwaltung und der U-Bahn-Ausbau.
Die Digitalisierung der Verwaltung hat ja unter Rot-Grün-Rot schon begonnen. Aber natürlich müssen wir da jetzt endlich den Turbo anwerfen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein
Ein weiteres wichtiges Thema in Berlin ist der Wohnungsmangel. Nun soll mit der CDU wieder mehr gebaut werden, die Grünen und die Linke hatten das oft blockiert, heißt es. Könnte Schwarz-Rot also sozialer werden als die vorherige Regierung?
Nicht Bauen an sich, sondern bezahlbares Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit. Ich sehe nicht, dass die CDU sich in den letzten Jahren glaubwürdig hinter dieses Anliegen gestellt hätte. Sie hat große Parteispenden bekommen von der Immobilien-Lobby und sich sowohl im Land als auch im Bund gegen regulative Maßnahmen gestellt, um die Mieten zu begrenzen. Bauen alleine wird nicht reichen, das haben wir als SPD immer gesagt. Man muss auch bereit sein, den Markt zu regulieren. Der Volksentscheid "Deutsche Wohnen Enteignen" muss auch verantwortungsvoll umgesetzt werden. Ich sehe nicht, dass die CDU Berlin daran ein Interesse hat.
Inwiefern spielen die Äußerungen der CDU zu den Ausschreitungen zu Silvester eine Rolle bei Ihrer ablehnenden Haltung?
Insbesondere die Vornamen-Abfrage uns gezeigt, wie die CDU auf Berlin blickt. Sie hat das Signal gesendet: Wenn Deutsche kriminell werden und Ali oder Mohammed heißen, dann wird das Problem auf den Migrationshintergrund geschoben. Das führt zu Stigmatisierung von bestimmten Gruppen. Das ist aus meiner Sicht rassistische Stimmungsmache, die wir von den Unions-Wahlkämpfen aus Hessen und Bayern gut kennen. Ich kann mir nicht vorstellen, diese Art des Wahlkampfes durch Bildung einer schwarz-roten-Koalition auch noch zu quittieren.
Die "taz" hat berichtet, dass der SPD-Generalsekretär und ehemalige Juso-Chef
Das ist vor allem eine gute Zeitungsgeschichte, wahr ist sie aber nicht.
Welchen Weg wollen die Jusos gehen, um Schwarz-Rot zu verhindern?
Wir wollen, dass sich die SPD-Mitglieder klar gegen eine Koalition mit der CDU aussprechen und den Mitgliederentscheid gewinnen. Wir werden bis zum Stichtag alles dagegen tun und parteiintern ein Fest der Demokratie veranstalten um so viele Genossinnen und Genossen davon zu überzeugen, dass eine Koalition mit der CDU keine gute Zukunft für Berlin und keine gute Zukunft für die SPD bedeutet. Dazu haben wir jetzt auch gerade unsere Kampagnenseite gelauncht. Wir merken jetzt schon: Viele ältere, langjährige Mitglieder stehen der Berliner Groko genau so kritisch gegenüber wie wir.
"Ich lasse mich nicht beirren"
Die Jusos möchten aber nicht Teil der Koalitionsgespräche sein. Berauben Sie sich damit nicht der Möglichkeit, aktiv darauf einzuwirken, was verhandelt wird?
Wir werden parteiintern darauf einwirken, was verhandelt wird. Da können sich unsere Mitglieder sicher sein. Aber für uns war das eine Frage von Glaubwürdigkeit. Wir können nicht tagsüber eine Koalition verhandeln, die wir abends mit aller Kraft versuchen zum Scheitern zu bringen. Das wäre dem Verhandlungspartner gegenüber nicht fair. Wir brauchen auch all unsere Kräfte, um uns auf unser Ziel zu konzentrieren, diese schwarz-rote Koalition zu verhindern.
Die Bezirksverbände Neukölln und Steglitz-Zehlendorf haben sich den Jusos bisher angeschlossen. Wie wollen Sie die anderen Verbände überzeugen?
Wir möchten vor allem an Inhalten und strategischen Erwägungen festmachen, warum wir gegen diese Koalition sind. Mir konnte noch niemand erklären, warum es besser sein soll für die SPD als Juniorpartnerin neben der CDU zu regieren anstatt die Regierende Bürgermeisterin weiter zu stellen. Wie uns das zu neuer Stärke führen soll und den Menschen Zutrauen zurückgeben, dass wir progressive Bündnisse bei der Wahl 2026 anführen wollen, das sehe ich einfach nicht. Diese Sichtweise möchte ich den Mitgliedern näherbringen.
Sie wurden für Ihre ablehnende Haltung gegen Koalitionsgespräche mit der CDU angefeindet und haben einen anonymen Drohbrief bekommen. Wie gehen Sie damit um?
Ich habe Anzeige erstattet. Ich möchte mich an so etwas nicht gewöhnen. Dennoch werde ich weiter meine Meinung sagen und für das streiten, was ich richtig finde. Davon lasse ich mich nicht beirren.
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